Duisburg. Ein Team der UDE entwickelt ein Hochregallager auf der Basis von Seilrobotik. Das Konzept wurde nun vom NRW-Umweltministerium ausgezeichnet.

Fußballfans kennen das aus dem Bundesliga-Stadion: Hintertor-Kameras, an Seilen befestigt, können in mehreren Metern Höhe blitzschnell hin und hergezogen werden. Der Transport von Gegenständen mit Seilen funktioniert auch in der Lagerlogistik bei Hochregalen. Am Lehrstuhl für Mechatronik der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat ein Team um Dr.-Ing. Tobias Bruckmann ein Hochregallager auf Basis von Seilrobotik entwickelt. Das Konzept der UDE-Entwickler für einen Seilroboter hat nun den mit 20.000 Euro dotierten Kuer-Gründungswettbewerb des NRW-Umweltministeriums gewonnen.

Bislang funktioniert das so: Auf einer Schiene vor dem Regal fährt der Lastenaufzug von rechts nach links und hievt die Waren an die richtige Stelle. Üblicherweise können diese Geräte, bis zu zwei Tonnen schwer, nur vergleichweise geringe Lasten bis maximal 50 Kilogramm bewegen. „Seilroboter sind wesentlich schneller, energieeffizienter und flexibler“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Dieter Schramm, Leiter des Lehrstuhls für Mechatronik.

Seilroboter bei Reichweite "gnadenlos überlegen"

Das System der Wissenschaftler basiert auf einer Transportplattform mit Greifer, die von acht parallel gespannten Seilen vor dem Regal im Raum bewegt wird. Der Vorteil: Es benötigt keine Führungsschiene, über computergesteuerte Winden lässt sich die Plattform nicht nur horizontal und vertikal, sondern auch diagonal ungleich schneller an den gewünschten Ort befördern.

„Das Seil machen sich die Menschen eigentlich schon seit ein paar tausend Jahren zunutze“, sagt Tobias Bruckmann mit Hinweis auf den Bau der Pyramiden. Die moderne Robotik habe es aber als konstruktives Element bislang noch nicht berücksichtigt. Sie setzte auf konventionelle Roboterarme, Seile setzten etwa Bauingenieure zur Aufhängung von Brücken ein.

Dabei sei ein Seilroboter konventionellen Roboterarmen in puncto Reichweite „gnadenlos überlegen“, meint Bruckmann. „Damit lassen sich, etwa bei Stadionkameras, hunderte Meter problemlos überspannen.“ Auch im Windkanal bewährten sich Seile, die das Testobjekt in die gewünschte Position bewegen – ein erster Prototyp kam ebenfalls aus Duisburg.

Industrielle Teile- und Paketlagerung

Doch es gibt auch Nachteile: Zur Befestigung der Seile und ihrer Führungen sind Wände, Pfeiler, also eine tragende Struktur unverzichtbar. Für Regalroboter heißt das: je größer die Last, desto höher auch die Belastung, die diese Konstruktion dauerhaft tragen muss. Daneben dürften die Seile nicht mit anderen Bauteilen kollidieren. „Außerdem ist viel Digitaltechnik und Software notwendig für eine zuverlässige Steuerung der elektrischen Seilwinden“, erklärt Bruckmann.

In diesem Bereich arbeitet Christopher Reichert, Regelungs-Spezialist des Teams, sogar an seiner Promotion. Nicht zuletzt seien Fragen der Arbeitssicherheit und der Bedienung zu klären. Von der Tauglichkeit des Systems ist der Ingenieur dabei fest überzeugt. Schließlich beruhe fast die gesamte industrielle Kleinteil- und Paketlagerung auf automatisierter Hochregal-Lagerhaltung. „Für Lasten bis 20 Kilo, aber auch darüber, gibt es einen riesigen Markt.“ Die Auszeichnung mit dem Kuer-Preis wertet Bruckmann als Beleg für seinen Optimismus: „Das war ein Businessplan-Wettbewerb.“

Weiterentwicklung mit Industriebeteiligung 

Auf dem weiteren Weg zu einem ausgereiften System wollen die UDE-Mechatroniker in den nächsten drei Jahren weitere Fortschritte erzielen. „Wir planen, unter Industriebeteiligung einen Demonstrator zu entwickeln“, sagt Prof. Dieter Schramm.

Dabei setze die Universität auch auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Region, die ihre Bereitschaft bereits bekundet hätten. „Irgendwann wird die Uni dann ihr Wissen auf ein Konsortium aus Industriepartnern übertragen“, so der Lehrstuhlleiter. Möglich sei auch die Ausgründung einer Firma für die Realisierung und Vermarktung einer Entwicklung der Hochschule. „Noch sind wir im Uni-Maßstab unterwegs“, sagt Dr. Tobias Bruckmann. Allerdings ist etwa bei der Steuerungstechnik des Seilroboters in der Werkstatt die universitäre „Bastellösung“ schon durch Schaltschränke nach Industrie-Standard ersetzt worden. Bruckmann: „Nur so können wir potenzielle Partner auch von unserem Projekt überzeugen.“