Duisburg. Sie macht Angst bei Betroffenen wie Angehörigen: Demenz. Für den Duisburger Chefarzt Dr. Wolfrid Schröer ist vor allem wichtig, Verständnis zu wecken.

Wenn der Kaffee ohne Kaffeepulver gekocht wird, wenn die Eltern im höheren Alter „komisch“ werden, „vergesslich fünfmal dieselben Fragen stellen, aber genau wissen, dass Tante Else vor 40 Jahren... – dann keimt der Verdacht bei Angehörigen auf: Demenz. „Das ist ein schweres Thema, dem wir uns aber stellen müssen“: Mit einem hohen Maß an Sensibilität informierte Dr. Wolfrid Schröer, Chefarzt der Geriatrie an den Sana-Kliniken, auf dem Medizinforum über das ebenso sensible Thema.

Meist Angehörige sind es, die an dem Mittwoch in den Hörsaal des Krankenhauses gekommen sind. „Kinder“, oft selbst in den Vierzigern, Fünfzigern, deren Eltern Anzeichen von Demenz zeigen oder schon offenkundig erkrankt sind. Etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz, bis 2050 werden es mit Zunahme der Alterspyramide doppelt so viele sein; 20 Prozent der 80-Jährigen sind betroffen, 40 Prozent der 90-Jährigen: „Das Alter ist das größte Risiko“, konstatiert der Chefarzt.

Betroffene und Angehörige sind oft verunsichert

Er weiß um die Verunsicherung der Betroffenen und der Angehörigen: Was ist Demenz, was ist „normale“ Altersvergesslichkeit, wenn die Gehirnleistungen schlicht nachlassen? Grenzen können fließend sein. Wenn Symptome wie Wesensveränderungen, Gedächtnisverluste, Veränderungen der Sprache oder der Alltagsbewältigung länger als ein halbes Jahr währen, ist Zeit für eine Untersuchung. Doch was ist, wenn die Betroffenen nicht wollen? Auch das Problem verhehlt der Geriatriker nicht.

Die Untersuchung: Das ist vor allem die Anamnese, das lange Gespräch mit dem Betroffenen, den Angehörigen, die das Krankheitsbild nachzeichnen. Und es gibt Tests mit 30 Fragen: Welcher Tag ist heute, welcher Monat, welche Jahreszeit? Den „Uhrentest“, bei dem das Ziffernblatt ausgefüllt werden muss. Oder das Fünf-Eck, das abzuzeichnen ist: Wenn Demenz Gehirnzellen abgetötet hat, wird das zur schweren, in späteren Stadien nicht mehr lösbaren Aufgabe. Die Diagnose, auch mit Laborwerten oder MRT-Untersuchungen etwa, kann aber auch klären, ob es eben keine Demenz ist oder durch Gefäßveränderungen oder Vitaminmangel hervorgerufene Formen, die sich – frühzeitig erkannt – behandeln lassen. Die häufigste Alzheimer-Demenz allerdings, sie lässt sich nicht „kurieren“, sondern allerhöchstens verlangsamen. Die Gründe liegen für die Medizin auch nach 100 Jahren immer noch im Dunkeln. Große Hoffnungen auf medikamentöse Hilfe macht Dr. Schröer nicht, er warnt sogar eher vor falschen Versprechungen. Und doch: Jetzt heißt es, dass Ginko-Extrakte doch etwas erreichen können – der Geriatriker bleibt skeptisch. Begleiterscheinungen wie Depression oder Aggression können mit Medikamenten behandelt werden – freilich immer eine Gratwanderung bei der Dosierung.

Dr. Schöer will vor allem Sensibilität, Verständnis wecken – für Betroffene, bei Angehörigen. „Wir müssen das krankhafte Verhalten annehmen und nicht widersprechen“, empfiehlt er: „Der Demente gibt den Ton an. Denn er ist es, der uns nicht versteht.“

Demenz-Netzwerk verfügt über viele Angebote 

Hilfe bei der eigenen Hilflosigkeit Betroffener: Die will Inge Klein geben. Sie arbeitet bei der Duisburger Alzheimer-Gesellschaft und gab auf dem Medizinforum einen Überblick über die vielfältigen Anlaufstellen, Beratungs-und Schulungsmöglichkeiten und Betreuungsangebote bei Demenz, für erkrankte ebenso wie für Angehörige. „Das Angebot in Duisburg ist groß. Wir sind sehr gut vernetzt“, erklärte Klein.

Inge Klein von der Duisburger Alzheimer Gesellschaft informiert über Hilfsangebote
Inge Klein von der Duisburger Alzheimer Gesellschaft informiert über Hilfsangebote © FUNKE Foto Services

„Nach der Diagnose bricht die Welt zusammen, aber man muss sie neu ordnen“, weiß die Seniorenberaterin bei der Awo und rät den Angehörigen, frühzeitig Entlastungsangebote anzunehmen: „Warten Sie nicht, bis Ihnen alles über den Kopf wächst.“

Sie kennt das Gefühl der Ohnmacht von Angehörigen oder auch das „schlechte Gewissen“ und den falschen Anspruch: „Ich schaffe das allein“. Zugleich warnt sie: „Angehörige neigen zu Überversorgung. Sie packen die Betroffenen in Watte, dabei braucht der Mensch mit Demenz auch Herausforderungen.“ Ziel sei es , Demenzerkrankten so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Angehörige brauchen Entlastung

Das Netz der Hilfsmöglichkeiten ist engmaschig. So gibt es das „Forum Demenz“ mit drei Anlaufstellen in den Stadtteilen, das kostenlos berät und Hilfestellungen gibt. Wegweiser ist auch die Broschüre „Alter werden in Duisburg“, helfen können auch die vielen Seniorenberatungsstellen. Auch die Alzheimer-Gesellschaft bietet z. B. niederschwellige Gesprächskreise und Kurse für pflegende Angehörige an – ein großer Kreis, denn von den rund 7500 Demenzerkrankten in Duisburg werden zwei Drittel in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut.

Klein verweist auch auf Betreuungscafés, stundenweise Angebote oder auf die Möglichkeiten von Tagespflege, die Erkrankte betreuen und Angehörige entlasten. Beratungen, betont Klein, sind immer kostenlos, während die Therapie- und Betreuungsangebote zumindest teilweise über Krankenkassen und Pflegestufe-Zahlungen abgedeckt sind.

Das Demenz-Forum hat drei Anlaufstellen: