Duisburg. . Ein interner Erfahrungsbericht des Duisburger Polizeipräsidiums beleuchtet die kriminelle Szenerie in Marxloh, Laar, Hochheide und Neumühl.

Als die Bundeskanzlerin kürzlich nach Marxloh kam, klagten ihre Gesprächspartner über die schlechte Presse, unter der ihr Stadtteil leide. Ein interner Lagebericht der Polizei, im August verfasst und nun an die Öffentlichkeit gelangt, dürfte die Bewohner kaum glücklicher machen.

Das 21 Seiten starke Papier, das unserer Redaktion vorliegt, gewährt einen Einblick in die kriminellen Strukturen im Duisburger Norden, beschreibt die Geschäfte und das öffentliche Auftreten von drei libanesischen Großfamilien und mehreren kleinen Gruppen, die sich das Gebiet regelrecht aufteilen. Aufgeschrieben vom achtköpfigen Einsatztrupp Nord, der das Geschehen über zwei Jahre ausgewertet hat.

„Street Corner Society“ (Straßeneckengesellschaft) hat die Polizei die Banden getauft und Parallelen entdeckt.

  • Die Mitglieder sind männlich, 17 bis 25 Jahre alt.
  • Nahezu jeder ist der Polizei wegen Diebstahls, Raubs oder Körperverletzung bekannt.
  • Fast jeder hat Kontakt mit Drogen.
  • Je größer die Gruppe, desto widerspenstiger das Verhalten.
  • Waffen und Drogen werden im Umfeld gelagert, damit man sie Durchsuchten nicht direkt zuordnen kann.

Duisburger Polizei sieht 13 Brennpunkte in fünf Stadtteilen

Die 13 untersuchten Brennpunkte liegen in Marxloh, Laar, Hochheide, Neumühl und am Zentralen Omnibusbahnhof Meiderich. Nirgendwo sei die Bandenkultur allerdings derartig ausgeprägt wie in Marxloh, wo nach den Aufzeichnungen der Polizei zwei Familien den Ton angeben, die staatliche Autorität nicht anerkennen. Dazu kämen kleinere Gruppen, die mit Rauschgift handelten und „Personenkreise mit mehr oder weniger persönlichen Beziehungen zum Kreis Hells Angels“.

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Je nach Lage und Sachverhalt agierten die Familien gegen- oder miteinander. Teile der Gruppen seien immer auf der Straße anzutreffen, innerhalb von Minuten werde ein Großteil der Familie mobilisiert. Das erkläre auch die großen Menschenansammlungen und Schlägereien. Die Liste der Delikte: registrierte Fälle von Schutzgelderpressung, Raub, Körperverletzung, Sachbeschädigungen, Diebstahl, Belästigungen von Geschäftsleuten. Mehr als 30 Mitglieder des größeren Clans haben Haftstrafen verbüßt.

Straftaten gehören "zur Freizeitbeschäftigung"

Eine dritte Großfamilie betrachtet laut Bericht eine Straße in Duisburg-Laar als „eigenes Hoheitsgebiet“. Außenstehende würden „zusammengeschlagen, ausgeraubt und drangsaliert“. Straftaten gehörten „zur Freizeitbeschäftigung“. Die Gruppe sei „in der Nachtzeit immer anzutreffen“.

Was die Polizisten im Papier protokolliert haben, floss in Teilen bereits im Sommer in die Debatte um vermeintlich rechtsfreie Zonen ein, fütterte den Alarmruf der Polizeigewerkschaft GdP, die gegen ausgedünnte Wachen protestierte und von Angriffen gegen Polizisten berichtete. Sie warnte vor „No-Go-Areas“ in Essen, Dortmund und besonders auch in Duisburg.

Großeinsatz in Brennpunkten muss dauerhaft verstärkt werden

Innenminister Ralf Jäger reagierte und kommandierte eine Einsatzhundertschaft zur Verstärkung nach Duisburg ab, die Streifen machten Druck im Viertel. „Eine deutliche Wirkung war erkennbar“, heißt es dazu im Bericht des ET Nord: „Die Personen zogen sich immer stärker zurück und änderten ihre Aufenthaltsorte und Verhaltensweisen teilweise deutlich.“ Doch der Effekt „scheint sich aktuell wieder zu relativieren“, warnen die Polizisten.

„Das ist eine Daueraufgabe, das bekommt man nicht in sechs Monaten gelöst“, sagt GdP-Landeschef Arnold Plickert. „Die Hundertschaft war natürlich eine gute Idee, aber wie lange bleibt die vor Ort? Man muss den Wachdienst in Duisburg personell dauerhaft verstärken.“Herkunft als Flüchtlinge

„Mhallamiye-Kurden“ kamen in den 80er-Jahren als Flüchtlinge

Bei den „Libanesen“ handelt es sich oft um „Mhallamiye-Kurden“. Sie lebten als kleine Minderheit in der Türkei und wanderten in den 40er-Jahren in den Libanon aus. Nach Beginn des Bürgerkriegs kamen sie als Flüchtlinge in den 80er-Jahren zu uns.

In Berlin lebt mit etwa 8000 Menschen die größte Gemeinde der Mhallamiye-Kurden in Europa. Dazu kommt die Gemeinde in Bremen und Umgebung, zu der etwa 2600 Menschen zählen, und die in Essen, zu der etwa 2000 Menschen gehören.