Duisburg. . Ein Gespräch mit Stadtdirektor Reinhold Spaniel über aktuelle Herausforderungen beim Thema Flüchtlinge und die Willkommenskultur in Duisburg.
Rund 3600 Flüchtlinge leben derzeit in Duisburg, pro Monat kommen rund 600 dazu, rechnet Stadtdirektor Reinhold Spaniel vor. Die Stadt sucht händeringend nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Ein Gespräch über die Nöte der Stadt, die Einbindung von Ehrenamtlichen und die Willkommenskultur in Duisburg.
Hunderte Flüchtlinge werden noch erwartet. Gibt es eigentlich ein Limit?
Reinhold Spaniel: Nein! Das Asylrecht kennt keine Obergrenze. Wenn man sich die Lage in der Welt anschaut, wird die Zahl eher zunehmen. Ich denke, bei dem Thema müssen wir in Dekaden denken. Asyl ist ein Menschenrecht. Helfen würde uns, wenn das Asylverfahren beschleunigt wird. Momentan dauert es im Schnitt 7,5 Monate, bis ein Antrag entschieden ist. Bei Syrern geht es schneller, aber es gibt auch Menschen, die zwei Jahre warten, wie es weitergeht. In dieser Zeit müssen sie von uns betreut werden.
Wird es bald einen Verteilungskampf ums Geld auf kommunaler Ebene geben?
Spaniel: Das sehe ich nicht. Wir müssen nichts schließen, nur, weil wir Unterkünfte für Flüchtlinge einrichten.
Was ist die größte Herausforderung derzeit?
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Spaniel: Geeignete Gebäude zu finden. Als wir in den 1990er Jahren Flüchtlinge unterbringen mussten, konnten wir relativ unproblematisch Gebäude beziehen. In der Zwischenzeit gab’s die Loveparade und den Flughafenbrand in Düsseldorf, und man muss ständig Gutachten erstellen. Ich bin froh, dass die Bundesregierung das erkannt hat und die Vorschriften lockern möchte. Es macht uns auch keinen Spaß, Zelte aufzustellen und Turnhallen anzubieten.
Ärgert es Sie, dass Immobilienbesitzer nun Kasse machen wollen?
Spaniel: Wenn wir ehrlich sind, wird die Miete, die wir an der Emscherstraße an die Gebag zahlen, ähnlich hoch sein. Allerdings bleibt das Geld dann bei einer städtischen Tochter. Weitere starke Partner sind Immeo und Vivawest. Wir bekommen auch Angebote von privaten Vermietern, aber einzelne Wohnungen helfen uns nicht weiter.
Gibt es ein weitergehendes Betreuungskonzept, wie man die Asylbewerber in Zukunft integrieren möchte?
Spaniel: Das ist schwierig, weil wir ja nicht wissen, wie lange die Personen bleiben. Aber wir haben in Duisburg eine sensationelle Willkommenskultur. Es gibt in den Stadtteilen viele Initiativen von Nachbarn, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Sportvereinen, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Das könnten wir gar nicht alleine stemmen.
Stadt will Beamte zurückholen
Die Stadt hat recht spät reagiert und eine Internetseite gestaltet, auf der die Ehrenamtlichen Ansprechpartner und Anlaufstellen finden. Müsste die Stadt den Freiwilligen nicht mehr unter die Arme greifen?
Spaniel: Es gab schon immer eine Ansprechpartnerin bei uns in der Verwaltung, an die sich die Bürger wenden konnten, wenn sie etwas spenden wollten oder Ansprechpartner suchten. Viele Hilfsangebote entstehen aber auch spontan und wir erfahren gar nichts davon.
Stimmt es, dass die Stadt darüber nachdenkt, Beamte, die schon in Rente sind, zu reaktivieren?
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Spaniel: Früher hatten wir mal 20 Mitarbeiter in dem Bereich im Sozialamt, inzwischen sind es 70. Die machen einen tollen Job, sind aber seit Monaten im Krisenmodus. Die Arbeit ist belastend, sie gucken den Flüchtlingen in den Augen. Gerade in den Unterkünften ist der Job hart. Wenn Rentner freiwillig zurückkommen wollen, ist das eine Entlastung. Sie kennen das Geschäft und sind vor allem motiviert.
Es gibt den Duisburger Appell, in dem sich Duisburg zur Willkommenskultur bekennt. Braucht es nicht dennoch eine weitere Ruckrede von Seiten der Politik?
Spaniel: Ich habe zuletzt in der letzten Sozialausschuss-Sitzung eindringlich auf die Situation hingewiesen. Bis auf einige wenige vom rechten Rand zieht die Politik beim Thema Asyl an einem Strang. Und die Info-Veranstaltungen für Bürger sind in der Regel gut gelaufen. In der Praxis wird der Duisburger Appell umgesetzt.
Interview mit Bildungsdezernent Thomas Krützberg:
Wenn die Asylbewerber untergebracht sind, stellt sich schnell die Frage, wie sie betreut werden. Eltern können ihren Nachwuchs entweder in der Kindertagesstätte (KiTa) anmelden oder müssen ihn in die Schule schicken. Dass künftig alle versorgt sind, ist die Aufgabe von Thomas Krützberg, Dezernent für Familie, Bildung und Kultur.
Einige Eltern haben Sorgen, dass sie keinen KiTa-Platz bekommen, weil so viele Flüchtlingskinder untegebracht werden müssen.
Thomas Krützberg: Wir haben Wartelisten, aber es wird keinen Verteilungskampf geben. Es ist ja so: Eine Familie, die gerade in Duisburg angekommen ist, muss sich erst einmal finden und denkt nicht sofort daran, einen Platz in einem Kindergarten zu suchen. Viele kennen diese Einrichtung auch gar nicht. Wir sind gerade auf der Suche nach mobilen oder dezentralen Lösungen, etwa einem KiTa-Bus, der in die Stadtteile fährt oder nach Wohnungen, in denen wir Angebote machen können. Wir arbeiten eng mit den Trägern und Wohlfahrtsverbänden zusammen, alleine könnten wir das gar nicht leisten.
Werden die Mitarbeiterinnen besonders im Umgang mit Flüchtlingskindern geschult?
Krützberg: Wir sind landesweit eine der wenigen Städte mit einem hervorragenden Weiterbildungsangebot und bereiten unsere Mitarbeiterinnen auf die Aufgabe vor. Die Kinder selbst kommen miteinander schnell in Kontakt.
Gibt es einen Unterschied bei der Betreuung von Kindern aus Zuwanderer- oder Flüchtlingsfamilien?
Krützberg: Das hängt weniger von der Herkunft ab als von dem Bildungshorizont der Menschen, die zu uns kommen. Aber wenn man mit den Eltern spricht und ihnen das Bildungssystem erklärt, ihnen deutlich macht, dass Bildung der Schlüssel zur Integration ist, dann wollen alle Eltern für ihr Kind das Beste.
Künftig wird die Stadt mehr Jugendliche betreuen müssen, die alleine geflohen sind. Wie bereitet sich die Stadt darauf vor?
Krützberg: Es ist klar, dass Jugendliche eine besondere Betreuung brauchen. Da kommt eine gewaltige Aufgabe auf uns zu, denn wir müssen auch mehr Vormünder stellen und Plätze in Wohnheimen vorweisen. Die Verantwortung liegt zwar bei der Stadt Duisburg, aber es heißt nicht, dass sie auch immer in Duisburg untergebracht werden müssen. Ich kann mir vorstellen, dass wir mit den Nachbar-Kommunen eine Lösung finden werden.