Duisburg. Duisburger Stadtbedienstete sind häufiger und länger krank als andere Arbeitnehmer. Auf ungewöhnlichen Wegen will die Stadt das verbessern.
Duisburgs Stadtbedienstete sind zu oft und zu lange krank. Die Krankenquote ist im vergangenen Jahr von 8,45 Prozent auf knapp unter neun Prozent weiter angestiegen. Mit effizienterer Personalplanung und einem betrieblichen Gesundheitsmanagement will die Stadt gegensteuern.
Schwangerschaften zählen auch als Krankentage
Deutlich höher als in der Privatwirtschaft ist der Krankenstand in der Stadtverwaltung. „Der Wert ist viel zu hoch“, räumt die Leiterin des Hauptamtes Monika Kluge ein. Da ist zweitrangig, dass es unterschiedliche Statistikgrundlagen gibt, dass von den 5500 Beschäftigten der Kernverwaltung nur 1700 Beamte sind, dass Schwangerschaften – allein 1200 Erzieherinnen arbeiten in den städtischen Kindergärten – als Krankentage gelten. Auch an dem (Vor-)Urteil, dass im Öffentlichen Dienst mehr „gelbe Scheine“ genommen werden als in der rauen Privatwirtschaft, in der man um den Arbeitsplatz fürchten muss, hält sich Kluge nicht lange auf. Zu hoch ist zu hoch.
Allein 1200 Stadtbedienstete waren im vergangenen Jahr am Stück oder zusammengezählt länger als sechs Wochen krank. Da passt, dass Kluge derzeit einen Doppeljob hat und auch die Arbeit des seit Langem erkrankten Personalamtsleiters miterledigen muss.
Mehrarbeit belastet die Gesunden
Seit Ende 2014 gibt es die Stabsstelle „Betriebliches Gesundheitsmanagement“. Und erst jetzt läuft das Projekt Krankenstatistik, das überhaupt erst einmal erfassen soll, wer wo wie lange krank ist. Erkannt ist längst, dass lange Kranken-Ausfälle auch die Gesunden belasten, die die Mehrarbeit mitmachen müssen. Über die Hälfte der Stadtbediensteten hat in einer Befragung jetzt erklärt, dass sie sich durch die Arbeit in ihrer Gesundheit beeinträchtigt fühlen. „Erschreckend“, nennt das Kluge.
Bürokratische Personalplanung tat ihr Übriges zur Belastung: Lange galt in den Amtsstuben, dass freie Stellen grundsätzlich ein Jahr unbesetzt blieben oder der Amtsleiter dafür eine andere Stelle „opfern“ musste. Das führte auch zu skandalträchtigen Auswüchsen wie in der Einbürgerungsstelle, die die Segel strich, als von den zehn Stellen zwei unbesetzt waren, zwei Mitarbeiter dauerkrank waren und die verbliebenen sechs nicht mehr nachkamen.
Springerpool vertritt Dauerkranke
Das Hauptamt zog die Bremse: Jetzt sollen Stellen nach Bedarf und Aufgaben (wieder-)besetzt werden, soll es einen Springerpool für Dauerkranke geben. Zugleich aber: Die Stadt muss noch 500 Stellen bis 2021 abbauen, um das Sparkonzept zu erfüllen. 80 pro Jahr.
Das Rathaus-Gesundheitsmanagement hat jetzt einen Maßnahmen-Katalog erarbeitet, der Gesunde entlasten, präventiv wirken und zugleich Kranken- wie Konfliktfälle lösen soll. So wurden alle 1200 Langzeitkranke angeschrieben, um nach Arbeitsplatz-Ursachen für die Erkrankung zu forschen. 45 Prozent nahmen das Gesprächsangebot an.
Stadt Duisburg installiert Konfliktmanager
Auf Vorschlag des Personalrates hat die Stadt außerdem zwei Konfliktmanager installiert. Sie greifen ein, wenn es in den Ämtern krankmachende Konflikte, Streit, Stress bis zum Mobbing gibt. Die beiden erfahrenen Mitarbeiter haben eigene Kompetenzen und können verbindliche Regelungen treffen, auch Versetzungen „verordnen“. Die Konfliktmanager können auch selbst aktiv werden, wenn sie sehen, dass es irgendwo brennt.
Masseure im Call-Center, Rückenschule und Kursangebote: Gesundheitskurse gibt es schon länger bei der Stadt, auch Burnout-Seminare und eine psychosoziale Beratung. Neu sind zwei Angebote: Die „bewegte Mittagspause“ (siehe Bericht). Und den „Pausentrainer“, der für 20 Minuten ins Büro kommt. Rathaus-Teams konnten sich für die ersten zehn Einheiten bewerben. „95 Gruppen haben sich angemeldet“, freut sich Kluge über die große Resonanz.
Steigende Arbeitsverdichtung belastet
„Wenn ich freitags um 18 Uhr hier noch Kollegen sehen, weiß ich wie hoch der Aufgabenberg ist“, kennt Kluge zugleich die steigende Arbeitsplatzverdichtung und Belastung auch im Öffentlichen Dienst. So liest sich der Schlusssatz im jüngsten Bericht des Personalamtes wie die vom Chef in der freien Wirtschaft: „Ziel des Betrieblichen Gesundheitsmanagement ist es, die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten.“
Wie eine „frische Brise“ in der Mittagspause
Zu sanften Rhythmen aus einer Stereoanlage kreisen rund 30 Frauen und Männer ihre Schultern. Zuerst nach vorne, dann nach hinten. Möglichst ausladend sollen die Bewegungen sein. Dann legen alle ihren Kopf auf die linke und schließlich auf die rechte Schulter. Wohltuend und entspannend sind die Übungen – vor allem für die verspannte Rücken-, Nacken und Schultermuskulatur.
Ja, er kann lang werden, der Arbeitstag vor dem Rechner. Die allermeisten Kursteilnehmer kennen das. Deshalb sind sie begeistert von den Übungen. Der Clou: Die 30-minütige Trainings- und Entspannungseinheit findet während der Arbeitszeit statt. Die Stadt Duisburg schenkt ihren Mitarbeitern diese „aktive Pause“ – jeder, der Lust hat, darf die Übungen in den Räumlichkeiten des Stadtfensters mitmachen.
Fitnesstrainerin Bettina Twardy leitet Kurs
Zweimal in der Woche bietet die Stadt die sportliche Pause für alle an, die Nacken-, Kopf- und Rückenschmerzen vorbeugen wollen und die Muskulatur etwas lockern und erwärmen möchten. Der Kurs, den die städtische Mitarbeiterin und Fitnesstrainerin Bettina Twardy leitet, kommt äußerst gut an. Gut gelaunt und aufmerksam machen die Kollegen .
„Wer lange Zeit am Schreibtisch sitzt, muss sich immer wieder lockern, um Problemen vorzubeugen“, weiß Bettina Twardy. „Wir machen hier keine schweißtreibenden Übungen, sondern lockern und dehnen uns etwas.“ Der Schweiß rinnt daher niemandem übers Gesicht. Auch geht niemand beim Dehnen soweit, dass es schmerzt. „Es geht nur darum, sich zu entspannen, kurz den Kopf frei zu bekommen und Kraft zu tanken für den restlichen Tag“, beschreibt Rosmarie Niehaus vom Gesundheitsmanagement.
Mittagspause auf 60 Minuten aufgestockt
Auf andere Gedanken kommen die städtischen Mitarbeiter sofort. Rechtes Bein nach vorne kreisen, linken Arm gleichzeitig zurück, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren – wer den bisherigen Tag vor dem PC gearbeitet hat, hat plötzlich mit so viel Bewegung seine lieben Probleme. Die meisten nehmen es mit Humor.
Niehaus freut sich über die starke Resonanz. „Das Projekt kommt gut an, der Raum ist bislang immer voll gewesen. Sämtliche Rückmeldungen waren positiv.“ Da die Mitarbeiter regulär 30 Minuten Mittagspause haben, wurde diese jetzt für alle, die an dem Sportprogramm teilnehmen, auf 60 Minuten aufgestockt. So muss niemand hetzen – denn das würde nicht gerade zur Entspannung beitragen.
Kommentar: Dienst auch am Bürger
Natürlich gibt es in der Stadtverwaltung „windstille“ Ecken, in denen sich gemächlich arbeiten lässt – die gibt es aber auch in manchem Großkonzern. Und der hohe Krankenstand in öffentlichen Verwaltungen mag fraglos auch durch tarifliche und beamtenrechtliche Absicherungen gefördert werden.
Zugleich aber: Mit stetigem Personalabbau, immer komplizierteren behördlichen Bestimmungen und Verordnungen sowie zusätzlichen Aufgaben ist auch der Job in den Amtsstuben oder auf der Straße für viele belastender und stressiger geworden. Das macht auch krank. Betriebliches und präventives Gesundheitsmanagement sind da der richtige Weg. Sie sind Instrumente einer professionalisierten und modernen Personalplanung und Personalentwicklung. Duisburgs Verwaltung hat sich lange Jahre nicht darum gekümmert. Das ändert sich jetzt und nutzt damit nicht nur den Mitarbeitern, sondern den Bürgern.