Duisburg. . Prof. Dr. Ulrich Radtke, Rektor der Universität Duisburg-Essen, spricht Interview über die Herausforderungen einer wachsenden Studentenschaft.

Prof. Dr. Ulrich Radtke freut sich, dass sich an der Universität Duisburg-Essen (UDE) bald wieder die Baukräne drehen. Am Donnerstag nahm der Rektor einen Scheck mit Fördergeldern von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze entgegen – mit diesen Mitteln kann die Hochschule nun den Neubau ihrer neuen Mensa am Campus Duisburg stemmen. Im Interview erklärt Ulrich Radtke, was bereits am Campus geschaffen wurde und wie sich die Hochschule auf die Herausforderungen der Zukunft einstellt.

Am Freitag hat die Bildungsministerin die Finanzzusage für die neue Mensa gegeben, im vergangenen Jahr wurde das neue Audimax eröffnet. Der Duisburger Campus setzt nicht nur bauliche Akzente. Sind Sie zufrieden damit?

Ich freue mich über den Bewilligungsbescheid. Denn mit der neuen Mensa setzen wir ein Zeichen. Schließlich ist diese mehr als nur ein Ort zur Essensaufnahme. Wir wollen sie auch für Tagungen und Treffen nutzen, sie ist ein Ort der Kommunikation. Das ist wichtig für den Standort und trägt zum Wohlfühlen auf dem Campus bei. Schließlich möchten wir, dass die Studierenden auch nach und zwischen den Vorlesungen in der Stadt bleiben.

Welche baulichen Veränderungen stehen noch an?

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Es gibt immer Erneuerungs- und Modernisierungsbedarf. Rund 80 Millionen Euro wurden bereits aus Mitteln des Hochschul-modernisierungsprogramms verbaut. Weitere ca. 100 Millionen Euro wurden uns aus dem Anschlussprogramm zugesichert. Mit diesem Geld können wir die baulichen Maßnahmen nächsten Jahre planen und wichtige Sanierungen in Angriff nehmen, etwa bei den „Keksdosen“ der Uni.

Da die Universität nicht für eine so große Zahl an Studierenden ausgelegt ist, sind wir weiterhin darauf angewiesen, Räumlichkeiten anzumieten. Insgesamt verfügen wir über 220 000 m² Fläche, davon sind 15 000 m² angemietet. Man muss abwägen, was sich lohnt: mieten oder neu bauen. Wichtig ist es nur, Raumstrukturen zu finden, die nachhaltig sind.

Wie steht es um die Pläne einer Ingenieurs-Dependance am Hochfelder Rheinpark, bzw. um die Idee, Uni-Institute auf dem Wedauer Bahngelände anzusiedeln?

Diese Dependance-Idee hat zurzeit keine Priorität, weil dafür keine Landesmittel zur Verfügung stehen. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, da die vorhandene Bausubstanz, vor allem an der Bismarckstraße, irgendwann erschöpft ist. Die Campus-Kapazitäten sind jedoch ausgereizt. Das Wedauer Gelände liegt in attraktiver Entfernung und könnte zum Beispiel für Ausgründungen durchaus interessant sein.

Rund 41 000 Studierende hat die UDE und zählt damit zu den zehn größten im Land. Ist damit das Ende des Wachstums erreicht?

Rektor der UDE seit 2008

Der 60-jährige Dr. Ulrich Radtke ist seit 2008 Rektor der Universität Duisburg-Essen. Vor seiner Wahl war er Professor für Physische Geographie an der Universität Köln, wo er auch Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät war.

I n der Bestenliste der Universitätsrektoren des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) von 2015 rangiert er mit der Note 2,27 auf Platz 13 von 43 Kandidaten. Die durchschnittliche Gesamtnote liegt bei 2,62. Im Jahr davor lag er auf Platz 21.

Ich gehe nicht davon aus. Die Studierendenzahlen wachsen weiter – das ist erfreulich. Sie werden auch noch einige Jahre auf einem hohen Plateau bleiben. Unser Ziel ist es, trotz Kapazitätsgrenzen alle jene unterzubringen, die studieren wollen und können. Uns liegt viel daran, dass die Studierenden auch in der Stadt ankommen und als Fachkräfte der Region erhalten bleiben.

Auch die Stadt Duisburg setzt mit Oberbürgermeister Sören Link auf den entscheidenden Faktor Bildung. Welche Rolle kann die UDE dabei spielen?

Die Uni ist ein wichtiges Glied in dieser Kette des lebenslangen Lernens vom Kindergartenkind bis zu den jungen Alten. Duisburg hat erkannt, wie sehr sie als Stadt von einer Universität mit ihren vielfältigen Bildungsangeboten und zunehmender Aufenthaltsqualität profitiert. Ich bin dem OB sehr dankbar, dass er sich persönlich für den Mensaneubau eingesetzt hat. Das hat sehr geholfen.

Gibt es weitere Kooperationsmöglichkeiten? Sind Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden?

Wir bekommen gute Unterstützung. Das ist auch wichtig für eine Universität, die erfolgreich sein will. Wenn man bedenkt, dass mehr als 50 Prozent eines Jahrgangs eine Hochschulzugangsberechtigung haben, sollte man diesen jungen Leuten etwas bieten, damit sie sich bewusst für Duisburg entscheiden.

Weil die Universität so international aufgestellt ist, begrüße ich zum Beispiel die jetzt in Angriff genommene Neuordnung in der Ausländerbehörde. Wenn Gastwissenschaftler aus den USA oder auch Flüchtlinge vom Balkan zu uns kommen, ist es wichtig, dass sie mit ihren Anliegen verstanden werden und sich hier auch willkommen fühlen können.

Kostenlose Gasthörerschaft für Flüchtlinge 

Stichwort Flüchtlinge: Die Bochumer Ruhruni bietet Asylsuchenden eine Gasthörerschaft an. Wie läuft das an der UDE?

Flüchtlinge, die in ihren Heimatländern bereits Vorkenntnisse erworben haben, können sich ab dem kommenden Wintersemester an der UDE individuell beraten lassen und als Gasthörer ausgewählte Veranstaltungen besuchen. Die Uni verzichtet auf die ansonsten fällige Gasthörergebühr. Auf diese Weise kann Integration frühzeitig beginnen: Die Gaststudierenden können erste Kontakte in der neuen Umgebung knüpfen und das deutsche Universitätssystem kennenlernen.

Zudem helfen wir ausländischen Akademikern, deren Abschluss auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht richtig anerkannt wird und fördern seit Jahrzehnten Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund auf ihrem Weg zum hochwertigen Schulabschluss.

Wie sehen die Berufschancen von UDE-Studierenden aus?

Sehr gut. In mehreren Kriterien sind wir signifikant besser als andere Universitäten: Unsere Absolventen finden schneller den Einstieg in eine Vollzeittätigkeit und haben auch gleich einen höheren Verdienst.

Die UDE liegt in internationalen Rankings oft vorne, aber die alten namhaften Hochschulen haben ein stärkeres Renommee. Sie haben selbst einmal bemängelt, dass Traditionsunis bei Mittelzuweisungen bevorzugt werden.

Wir sind in verschiedenen Rankings unter den 25 stärksten Universitäten Deutschlands. Weltweit kommen wir unter die Top 300 der stärksten Hochschulen -- da haben wir uns trotz unseres jungen Alters bereits gut positioniert. Jedoch bleibt der Appell an die Landesregierung: Wenn man mit den Besten der Welt mithalten möchte, muss die Ausstattung besser werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, wollen wir auch die Zusammenarbeit in der Universitätsallianz Ruhr intensivieren, Bereiche, die gut kooperieren, weiter stärken und ausbauen. Man kann rückblickend sagen: Die Fusion hat dem Standort Duisburg gut getan. Auf diese Weise haben wir eine relevante Größe erreicht und konnten ein starkes Profil ausbilden.

Würden Sie Duisburg als eine Uni-Stadt bezeichnen? Das, was man als Studenten-Viertel bezeichnen würde, gibt es nicht und der Anteil der Pendler ist groß...

Sicher gibt es in Neudorf Kneipen, die vor allem von Studenten besucht werden, allerdings ist es angesichts der Zusammensetzung des Uni-Stadtteils schwierig, im direkten Umfeld mehr studentisches Wohnen zu ermöglichen. Die Zeit zwischen den Vorlesungen verbringen sie in der Bücherei, in der Cafeteria oder in der Mensa. Ob sie danach aber wieder in ihr Elternhaus in die Nachbarstadt fahren, hängt von anderen Faktoren ab, die wir nicht beeinflussen können. Da sehe ich auch die Wohnungsbaugesellschaften in der Verantwortung, attraktive und alternative Wohnangebote zu schaffen. Damit die Studierenden sagen: Dort lohnt es sich zu wohnen.