Duisburg. . Svenja Söhnchen macht seit Jahren Urlaub auf Lesbos. Als sie miterlebte, wie immer mehr Flüchtlinge anlandeten, beschloss die Duisburgerin zu helfen.
„Es ist eine Schande für Europa. Tiere werden besser behandelt als diese Menschen.“ Svenja Söhnchen nimmt kein Blatt vor den Mund. Die Duisburgerin ist zur Zeit auf der griechischen Insel Lesbos, wo die NRZ sie telefonisch erreicht hat.
Lesbos liegt auf der kürzesten Strecke neun Kilometer vor der türkischen Küste. Von dort starten immer wieder Boote voller Flüchtlinge in Richtung Europa in See und landen an Lesbos Stränden. Dort ist zur Zeit auch Svenja Söhnchen und versucht, zu helfen, wo es denn geht. Denn den Flüchtlingen fehlt es an allem.
Die 44-jährige Duisburgerin ist in ihrem „normalen“ Leben Inspizientin an der Deutschen Oper am Rhein und betreut in ihrer Freizeit in Duisburg einige syrische Flüchtlingsfamilien. Lesbos ist ihre Lieblingsinsel. Hier, in der nördlichen Ägäis, macht sie jedes Jahr Urlaub, seit Jahren. Über die sozialen Medien bekam sie vor einigen Monaten mit, was auf Lesbos los ist: Immer mehr anlandende Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, mit deren Versorgung Griechenland vollkommen überfordert ist.
Duisburgerin initiiert eigenes Hilfsprojekt für Lesbos
Da hat sich die 44-Jährige vor zwei Monaten gedacht: „Ich gründe mein eigenes, kleines Hilfsprojekt.“ Im Freundes- und Bekanntenkreis hat sie gefragt, auch bei ihren Arbeitskollegen: Unter dem Motto „Touristen für Flüchtlinge - spenden Sie einen Euro“. Mit 150 Euro, so Svenja Söhnchen, habe sie gerechnet. Herausgekommen sei aber fast das Zehnfache: „Da haben dann sogar Leute gespendet, die ich gar nicht kenne.“
Man hört ihr immer noch die Dankbarkeit an, auch die Verwunderung im positiven Sinne: „Es ist schon toll, wie die Leute vertrauen. Ich bin ja eine Privatperson, kann keine Spendenquittung ausstellen, kann teilweise noch nicht einmal den Nachweis erbringen, was ich mit jedem einzelnen Cent getan habe, weil ich viele Sachen hier einfach am Straßenrand kaufe.“
Sachen, die aber in den vollkommen überfüllten Flüchtlingslagern dringend gebraucht werden. Hygieneartikel vor allem, Shampoo und Windeln, Babynahrung, Wasser, Saft und Kekse, Waschmittel und Plastikwannen.
Überall liegt Müll - Unhaltbare Zustände in den Flüchtlingslagern
„Die Kinder hier haben teilweise Ausschläge, weil es so dreckig ist. Überall liegt Müll herum“, beschreibt sie alptraumhafte Szenen. „Am ersten Tag im Camp war ich nur noch fassungslos. Das kann man sich gar nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen die Menschen hier leben.“ Die Lager haben allenfalls ein paar Mannschaftszelte.
Aber ein Großteil der Menschen muss sich selbst Zelte kaufen — oder unter freiem Himmel schlafen. Ein Frauen-WC für 1000 Flüchtlinge? Dass das unhaltbare Zustände sind, liegt auf der Hand. Nach dem ersten Tag im Camp hat Svenja Söhnchen gemerkt: Nur entsetzt zu sein, bringt keinem was. Sie hat sich mit heimischen Helfern und anderen Touristen zusammengetan, bringt mit Autos dringend benötigte Güter in die Lager und erlebt pure Dankbarkeit.
Weil die Menschen sich in der 70 Kilometer entfernten Inselhauptstadt registrieren lassen müssen, organisiert sie mit vielen anderen auch immer wieder Fahrten nach Mitilini. Da läuft nicht immer alles nach der deutschen Straßenverkehrsordnung ab. „16 Leute in einem Auto“, erzählt sie: „Das geht. Sieben auf der Rückbank, sieben im Kofferraum.“ Improvisation ist Trumpf in solchen Situation. Auch was die Verständigung angeht. Ein Smartphone mit deutsch-arabischer Übersetzungs-App hilft. Zu versuchen, auf Augenhöhe mit den Flüchtlingen zu agieren, das ist Svenja Söhnchen wichtig. Und wenn man nicht konkret helfen kann, einfach ‘mal zuhören.
Kinder sind nach Flucht übers Meer vollkommen apathisch
„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie die Kinder drauf sind, wenn sie aus einem Flüchtlingsboot aussteigen. Die sind oft vollkommen apathisch.“ Um so schöner sei dann das Lachen, wenn die Kinder mit gespendeten Bällen spielen. Sie selbst erlebte an ihrem dritten Tag, wie ein Boot anlandete. 43 Menschen saßen darin. „Die Truppe hab ich erst einmal mit zum Hotel genommen und der Chef hat sofort drei große Bleche Kuchen und zehn Liter Saft gespendet“, erzählt sie von der Hilfsbereitschaft der Einheimischen.
Mittlerweile existiert eine Facebook-Seite „Help for Refugees in Molyvos“, auf der sich Ehrenamtliche mit ihren Hilfsangeboten absprechen. Svenja Söhnchen hat ihren Urlaub auf zwei Wochen verlängert und auch schon die nächste Reise im September gebucht, um weiter zu helfen. Es gibt nämlich noch so viel zu tun.