Catania/Luxemburg. Nach den Schiffskatastrophen im Mittelmeer wurden am Dienstag in Italien und Griechenland vier Seeleute festgenommen. Überlebende identifizierten sie.

Die italienische Polizei hat den tunesischen Kapitän und ein syrisches Besatzungsmitglied des vor der libyschen Küste gekenterten Flüchtlingsschiffes festgenommen. Sie waren unter den 27 der 28 Überlebenden der Katastrophe, die am späten Montagabend im Hafen der sizilianischen Stadt Catania eintrafen. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa in der Nacht zum Dienstag berichtete, wirft ihnen die Staatsanwaltschaft mehrfache fahrlässige Tötung, Menschenhandel und Schiffbruch vor.

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Die beiden seien von anderen Überlebenden identifiziert worden, sagte der zuständige Staatsanwalt Giovanni Salvi. Auch ein Flüchtling aus Bangladesch, der im Krankenhaus von Catania liegt, habe sie auf Fotos erkannt.

An Bord des Flüchtlingsschiffs, das in der Nacht zum Sonntag gekentert war, sind nach neuesten Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 800 Menschen ums Leben gekommen. 28 Menschen wurden gerettet, 24 Leichen wurden geborgen.

Auch wegen der Katastrophe von Rhodos gab es zwei Festnahmen

Auch die Behörden in Griechenland haben am Dienstag zwei mutmaßliche Schleuser festgenommen: Einen Tag nach der Flüchtlingstragödie mit drei Toten vor Rhodos identifizierten überlebende Migranten die Männer als die Besatzung. Der Kutter war am Montag auf einem felsigen Abschnitt der Küste von Rhodos zerschellt, 90 Menschen überlebten.

Bei den Festgenommenen handelt sich um zwei Männer im Alter von 26 und 27 Jahren, wie die Küstenwache am Dienstag mitteilte. Wie örtliche Medien berichten, sollen sie Syrer sein.

Wie die Küstenwache weiter mitteilte, kommen ständig weitere Flüchtlingswelle in die Ägäis. In der Nacht zum Dienstag bargen die Rettungskräfte 42 Migranten aus den Fluten. Ihr Boot war vor der Insel Lesbos untergegangen. Allein in den vergangenen 48 Stunden waren in der Ägäis knapp 500 Migranten aufgegriffen worden.

EU plant Ausweitung der Seenothilfe

Als Reaktion auf die jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer will die Europäische Union die Seenothilfe massiv ausweiten. Bei einem Krisentreffen der Außen- und Innenminister am Montag in Luxemburg wurden Pläne für die Verdoppelung der Mittel für die EU-Programme Triton und Poseidon auf den Weg gebracht. Sie sollen den Einsatz von deutlich mehr Schiffen ermöglichen und noch am Donnerstag auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden.

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Neben der Ausweitung der Seenotrettung könnten künftig gezielt von Schleppern genutzte Schiffe beschlagnahmt und zerstört werden. Vorbild sei die militärische Anti-Piraterie-Mission Atalanta am Horn von Afrika, sagte der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos in Luxemburg bei der Vorstellung eines Zehn-Punkte-Plans. Atalanta begleitet nicht nur zivile Schiffe, sondern zerstörte mehrfach auch Piratenlager.

Vereinte Nationen kritisieren Europa scharf

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, das Ansehen Europas stehe auf dem Spiel. Viel zu oft sei gesagt worden: "Nie wieder".

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hatte die EU zuvor ungewöhnlich scharf kritisiert. Die Hunderten von Toten seien das Ergebnis eines anhaltenden Politikversagens und eines "monumentalen Mangels an Mitgefühl", sagte Said Raad al-Hussein am Montag in Genf. Statt nach sinnlosen strengeren Abschottungsmaßnahmen zu rufen, müsse die EU endlich legale Fluchtwege und mehr Rettungskapazitäten für das Mittelmeer bereitstellen.

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Die Hoffnung, im Mittelmeer weitere Überlebende der Katastrophe zu finden, schwand am Montag. Der italienischen Küstenwache zufolge war das Fischerboot mit Hunderten Flüchtlingen an Bord etwa 70 Seemeilen (130 Kilometer) vor der libyschen Küste gekentert.

Ob das Schiff und die vermutlich Hunderten Leichen geborgen werden können, war unklar. Die Küstenwache erklärte, möglicherweise werde es keine Gewissheit über die Zahl der Toten geben, da das Mittelmeer an der Unglücksstelle sehr tief sei.

Die Flüchtlinge treten nach Berichten von Überlebenden und Helfern die Fahrt über das Mittelmeer oft auf völlig überladenen und nicht seetüchtigen Booten an - bisweilen sogar ohne genügend Treibstoff.

In Libyen gibt es keine Grenzkontrollen

Das Bürgerkriegsland Libyen ist derzeit ein Haupttransitland. Seit Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 mit Unterstützung des Westens gestürzt wurde, rivalisieren in Libyen islamistische Milizen und nationalistische Kräfte gewaltsam um Macht und Einfluss. Es gibt keine funktionierenden Grenzkontrollen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Palermo auf Sizilien warten in Libyen bis zu eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt nach Europa. (dpa)