Rom/Duisburg. Acht Jahre nach den Mafia-Morden in Duisburg spricht ein italienisches Berufungsgericht Sebastiano Nirta in zweiter Instanz vom Mordvorwurf frei.
Acht Jahre nach den Mafiamorden von Duisburg hat ein italienisches Berufungsgericht einen der Verdächtigten in zweiter Instanz vom Mordvorwurf freigesprochen. Jedoch bestätigte das Berufungsgericht in Reggio Calabria für Sebastiano Nirta die Verurteilung zu zwölf Jahren Haft wegen Zugehörigkeit zur Mafia, wie das Gericht am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Nirta war in erster Instanz vor zwei Jahren im kalabrischen Locri noch wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden .
Sein Mitangeklagter Giuseppe Nirta war schon damals von Duisburger Morden freigesprochen worden. Aber auch er wurde wegen der Zugehörigkeit zur Mafia zu zwölf Jahren Haft verurteilt, und auch dieses Urteil bestätigte jetzt das Berufungsgericht. Eine Urteilsbegründung liegt in Italien meist erst Monate später vor.
Im August 2007 waren in Duisburg sechs Italiener vor einem Restaurant auf offener Straße erschossen worden. Auslöser soll eine Fehde zwischen zwei Mafia-Clans der 'Ndrangheta gewesen sein. Der Haupttäter Giovanni Strangio, der auch der kalabrischen 'Ndrangheta angehörte, wurde 2011 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er galt als Drahtzieher der Morde, die zu den schlimmsten Mafia-Taten in Deutschland zählen. (dpa)
Mafia-Morde in Duisburg
In der Nacht zum 15. August 2007 wurden an der Pizzeria Da Bruno in Duisburg-Neudorf sechs Menschen mit Kopfschüssen getötet.
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Ein Rückblick auf die Ereignisse.
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Duisburg, in der Nacht zum 15. August 2007: Es ist 2.21 Uhr, als die Schüsse durch die Nacht rattern...
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...70 Schüsse aus Maschinenpistolen, abgefeuert auf sechs Männer, die in ihren Autos gerade den Hof neben dem Restaurant „Da Bruno” verlassen.
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Die Opfer: Sebastiano Strangio, 38, Francesco Giorgi, 16, Marco Marmo, 25, Francesco Pergola, 22, Marco Pergola, 19, und Tommaso Venturi, 18.
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„Wenige Minuten nach den Schüssen in Duisburg waren Schutzpolizisten am Tatort, bald darauf unsere Ermittler....
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... Sie haben noch versucht, das ein oder andere Opfer zu reanimieren”, erinnert sich der Duisburger Kriminaldirektor Holger Haufmann.
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Vergeblich, die sechs zwischen 16 und 38 Jahre alten Männer hatten keine Chance gehabt.
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Heinz Sprenger (64) leitete vor zehn Jahren die Mordkommission. Sechs Tote vor einer Pizzeria, "klar denkt man da sofort an die Mafia", sagt er. Trotzdem hat er in alle Richtungen ermitteln lassen. "Hätte ja auch ein Eifersuchtsdrama sein können." War es aber nicht, wie die Fahnder bald erfahren.
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Sein Kollege Haufmann: "Ich hatte in den letzten Jahren oft genug mit der Mafia zu tun. In Wuppertal, Mülheim und in Duisburg."
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Schließlich ist in Mülheim der berüchtigte Mafia-Killer Georgio Basile aufgewachsen, hatte es im Ruhrgebiet immer wieder Delikte von Angehörigen der 'Ndrangheta gegeben. „Raubüberfälle, Auto-Schiebereien”, so Haufmann. Und 80 der Italiener in Duisburg stammen aus San Luca.
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Das bestätigen auch italienische Kollegen, die nach der Tat nach Duisburg kamen. Sie stufen das Verbrechen als Teil einer Fehde rivalisierender Clans ein, die seit 1991 andauert und die sie die "Vendetta von San Luca" nennen. Die Pelle-Romeo gegen Strangio-Nirta. Beide gehören der ‘Ndrangheta an, der kalabrischen Mafia.
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Der Hintergrund der Duisburger Bluttat: Weihnachten 2006 war Maria Nirta-Strangio, die Frau des Mafia-Bosses Giovanni Nirta erschossen worden. Ihm hatten die Schüsse vermutlich gegolten, sie hatte sich damals im letzten Moment schützend vor einen kleinen Jungen geworfen.
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Im Polizeipräsidium an der Düsseldorfer Straße gaben die Ermittler erste Details bekannt.
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Staatsanwalt Manfred Obretzka, der Leiter der Mordkommision Heinz Sprenger und Kriminaldirektor Ronald Bäumler informierten die Medien über die Geschehnisse in der Nacht.
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Durch die Veröffentlichung des Videos einer Überwachungskamera erhoffte sich die Polizei weitere Hinweise auf die Täter.
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Das Bild von der Überwachungskamera an der Klöckner-Tankstelle zeigt die beiden Mörder.
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Dank des Videos fand die Polizei auch heraus, dass die Täter mit einem Renault Clio unterwegs waren. Der Wagen wurde später im belgischen Gent gefunden. Mit DNA-Spuren.
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Am Tatort haben Freunde und Bekannte Blumen niedergelegt , Kerzen aufgestellt und Briefe abgelegt.
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Ein grausames Verbrechen, ...
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... das viele Duisburger trifft.
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Sie trauerten mit den Angehörigen der Toten.
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Ein Ascheherz, viele Blumen und Kerzen lagen auch noch Tage nach dem Verbrechen vor dem Restaurant "Da Bruno".
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Der 15. August, für die Duisburger Polizei ist er der Auftakt immenser Ermittlungsarbeit.
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Anfangs rund um die Uhr, lange Wochen ohne jede Pause bemühten sich die Fahnder, den Tätern auf die Spur zu kommen.
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Doch bei jenen, die aus San Luca stammen, stoßen sie auf beredtes Schweigen. „Sie haben in den Vernehmungen viel erzählt, aber immer nur so viel, wie wir ohnehin schon wussten”, so der Duisburger Staatsanwalt Garip Günes-Böhm (rechts), hier im Bild mit Holger Haufmann
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Die Omertà, die Schweigepflicht, gilt nicht nur im 2143 Kilometer entfernten San Luca, sie reicht bis ins Ruhrgebiet.
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90 Ermittler gehörten der Mordkommission „Mülheimer Straße” an, in Spitzenzeiten wurden sie durch weitere 50 Leute unterstützt. LKA und BKA schickten Experten, die ersten italienischen Fahnder steigen bereits am Abend der Tat aus dem Flugzeug.
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Das „Da Bruno” war ihnen, die seit zwei Jahren gezielt gegen die 'Ndrangheta vorgegangen waren, lange schon ein Begriff. Spätestens seit sich in einem der unterirdischen Bunker in San Luca eine Visitenkarte des Restaurants fand.
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Wo die Omertà zum Schweigen verpflichtet, beginnen bald Indizien, Beweise eine Geschichte zu erzählen...
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...denn was das Heiligenbild mit dem angesengten Kopf von San Michele, dem Schutzpatron der italienischen Polizei, bedeutet, das wissen die Beamten nur all zu gut. Tommaso Venturi (auf dem Papierausschnitt zu sehen), eines der Opfer aus dem „Da Bruno”, trug es bei sich. Beleg dafür, dass der Mülheimer, der seinen 18. Geburtstag feierte, in dieser Nacht auch in die Mafia aufgenommen wurde.
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Eine Woche nach der Bluttat von Duisburg wurden die ersten Opfer in Italien beerdigt.
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Das Mülheimer Mafia-Opfer Tommaso Venturi wurde auf dem Dümptener Friedhof beigesetzt.
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150 Trauernde nahmen Abschied. Als Tommasos große Schwester ihre Mutter vom Grab wegführte, rief sie den an einem Seiteneingang stehenden Fotografen und Kameraleuten zu: "Die Schau ist zu Ende. Ihr könnt jetzt gehen."
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Nach dem Begräbnis erzählt Familie Zuliani über Tommaso. "Er hatte immer ein offenes Herz für andere. Hauptsache seine Familie war glücklich", sagt Sohn Andreas. Weil seine Eltern krank sind, habe er die Schule abgebrochen. An die Ausbildung in der Duisburger Pizzeria "Da Bruno" sei er durch seinen Patenonkel gekommen, den 38-jährigen Mitbesitzer, der ebenfalls ermordet wurde. "Tommaso hat diese Ausbildung als große Chance gesehen", erzählt Andreas Zuliani. "Er wollte sich selbst etwas aufbauen."
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Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung gewährten nur Trauergästen den Zugang zum Friedhof, unterstützt von etwa 20 Polizisten. Die Persönlichkeitsrechte der Familie sollten geschützt werden.
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Auch noch Wochen nach dem grausamen Verbrechen lagen noch immer Blumen vor dem Restaurant "Da Bruno".
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Am Tatort des Sechsfach-Mordes kamen Ende September 2007 der Bischof aus Kalabrien und der Pfarrer aus San Luca zu einem Gebet für die Opfer der Mordtat zusammen. Sie kamen mit dem Wunsch nach Duisburg, zur Gewaltlosigkeit und zum Frieden zurückzukehren.
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In einer "Vigil", einer nächtlichen Gebetszeit, gedachte die italienische Gemeinde der Toten. Später sprach Carlino Nicola, Onkel des getöteten Francesco einige wenige Worte in das Mikrofon eines französischen Fernsehsenders. Auch er redete nur von "Trauer", nicht von "Rache".
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Das „Da Bruno“ gibt es längst nicht mehr, der bisher letzte Nachfolger hat vor wenigen Wochen dicht gemacht. Die Küche soll jedoch auch Jahre später noch so ausgesehen haben, als ob Sebastiano Strangio, der Chef aus San Luca, gleich um die Ecke käme.
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Giovanni Strangio, der Besitzer zweier Pizzastuben in Kaarst stand schon bald als Haupttäter unter Verdacht. Nach dem sechsfachen Mord floh Strangio nach Belgien und in die Niederlande. In Amsterdam schnappte die Polizei den Italiener dann im März 2009.
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Knapp vier Jahre später, im Juli 2011, fiel das Urteil gegen gegen Giovanni Strangio, als mutmaßlicher Drahtzieher der Duisburger Morde: lebenslänglich. Die ersten drei Jahre seiner Strafe musste er in Isolationshaft verbringen.
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Zwei Chefermittler der Duisburger Kripo waren auch eine Woche vor Ort in Kalabrien, als in San Luca zehn mutmaßliche Nrandgheta-Mitglieder verhaftet wurden.
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Unter ihnen zwei Frauen und der mutmaßliche zweite Todesschütze Sebastiano Nirta. Die Prozesse gegen die Killer fanden in Italien statt. Alle sitzen heute im Gefängnis, werden dort wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens bleiben.
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Im Februar 2010, zweieinhalb Jahre nach der blutigen Tat, kann die Ermittlungsakte endlich geschlossen werden. Damit ist das Verbrechen vom 15. August 2007 aufgeklärt.
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Heinz Sprenger hatte damals die Mordkommisson geleitet, heute ist er im Ruhestand. Er war zufrieden, als die Urteile verkündet wurden. "Eine Teamleistung", sagt er bis heute. Eine, die sie später gefeiert haben. Mit den Kollegen aus dem Ausland und jeder Hilfskraft. "Aber so richtig gefeiert."
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