Duisburg. Geschäftsführer Günter Spikofski im Interview zum 20. Geburtstag der Duisburger Tafel über die Arbeit der Hilfsorganisation, Armut und Ansprüche an die Politik.
In seinem ersten Leben, sagt Günter Spikofski, war er Einzelhandelskaufmann, in seinem zweiten Leben Sozialarbeiter. Seit 2008 fungiert der 55-Jährige als Geschäftsführer Tafel, die vor 20 Jahren aus der Taufe gehoben wurde. Ein Geburtstags-Interview mit einem Blick zurück, in die Gegenwart und Zukunft, während die Menschen an der Lebensmittelausgabe in Hochfeld auch an diesem Dienstag wieder Schlange stehen.
Herr Spikofski, die Tafel wird 20, für Samstag laden Sie zum traditionellen Sommerfest. Sind Sie in Feierlaune?
Günter Spikofski: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Dass es die Tafel seit 20 Jahren geben muss, ist kein Grund zum Feiern. Beim Sommerfest sieht das schon anders aus, weil wir damit vor allem unseren Tafelkunden wenigstens einmal im Jahr eine schöne Abwechslung im Alltag bieten können.
Wo steht die Tafel heute im Vergleich zu 1995?
Spikofski: Die Tafel hat sich im Vergleich zu den Anfängen erheblich verändert. 1995 war Wohnungslosigkeit bei Jugendlichen das große Thema. Damals haben eine Handvoll Helfer jungen Leuten zwar keinen Wohnraum, aber wenigstens ein Mal in der Woche ein Mittagessen beim Treffpunkt am Marientor verschafft. Heute sind wir eine Hilfsorganisation mit vielen Angeboten, die sehr engagiert und zunehmend professionell arbeitet, dabei aber immer noch auf dem Ehrenamt basiert.
Apropos: Seit gut einem Jahr schlagen Sie immer wieder Alarm: Ehrenamtliche Mitarbeiter fehlten an allen Ecken und Enden. Hat sich die Situation mittlerweile verbessert?
Spikofski: Es haben sich Menschen gemeldet. Aktuell helfen neben neun festangestellten Mitarbeitern, davon viele in Teilzeit, zwei Zwei-Euro-Jobber und drei Bundesfreiwilligen knapp 90 Ehrenamtliche mit – vom leitenden Oberarzt bis zum Hartz-IV-Empfänger. Aber das ist immer noch zu wenig. Es fehlen Leute für den Fahrdienst oder den Tafelladen.
Als Sie 2008 bei der Tafel anfingen, unterstützte der dazugehörige Verein 1500 Leute pro Woche. Unter anderem durch die Erweiterung des Angebots sind es heute 4000. So werden etwa auch 15 soziale Einrichtungen, Schulen und Kindergärten mit Lebensmitteln beliefert. Sind die Kapazitäts- und die Belastungsgrenzen längst erreicht?
Spikofski: Zumindest wird neben dem personellen Bedarf der Aufwand immer größer, um die Waren zu beschaffen. Wir haben mittlerweile viele überregionale Spender. Obst und Gemüse bekommen wir teilweise aus Niedersachsen. Zudem sind wir räumlich limitiert. Wir würden etwa ganz profan den Tafelkunden auch eine Möglichkeit zum Duschen anbieten. Aber diesen Platz haben wir nicht.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat mit seinem neuen Armutsbericht vor einigen Monaten eine große Diskussion ausgelöst, sieht die Armut in Deutschland auf einem historischen Höchststand. Was sagen Sie dazu mit Blick auf Duisburg und ihre Tafelkunden?
Spikofski: Nicht nur weil wir Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband sind, kann ich das alles unterschreiben. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Wir haben in Duisburg Baustellen an allen Ecken und Ecken, viele Flüchtlinge, gegenüber denen wir eine große Verantwortung haben, sind auch auf die Hilfe der Tafel angewiesen, doch das Geld fließt immer noch woanders hin. Mir fehlt zunehmend das Verständnis für den Solidarbeitrag Ost.
Jeder, der Geburtstag hat, darf sich etwas wünschen. Ihr größter Wunsch zum 20. der Tafel?
Spikofski: Dass wir den 30. Geburtstag der Tafel nicht erleben, weil sie nicht mehr gebraucht wird... Aber das ist leider nicht realistisch. Deshalb wünsche ich mir vor allem, dass die Politik – von der Kommune über das Land bis zum Bund – den dringenden Handlungsbedarf erkennt. Natürlich hat die Stadt Duisburg kein Geld. Aber vom Nichtstun wird auch nichts besser. Es wird Zeit, sich an einen Tisch zu setzen und gemeinsam Konzepte zu entwickeln.
Sommerfest an der Düsseldorfer Straße
Die Tafel lädt für kommenden Samstag, 27. Juli, ab 14 Uhr alle Duisburger, Tafelkunden sowie Freunde und Förderer der Organisation zum Sommerfest an der Düsseldorfer Straße 346 ein. Nach Kaffee und Kuchen gibt es Gegrilltes, Salate und kalte Getränke. Und auch die Freunde der Tanzmusik sollen auf ihre Kosten kommen.