Duisburg. Der Pflegebeauftragte des Bundes, Karl-Josef Laumann, hat ein Projekt zur Reform des viel kritisierten „Pflege-TÜV“ gestartet. Drei Duisburger Einrichtungen sind beteiligt.

Seit der Einführung der „Pflegenoten“ vor sechs Jahren gibt es Kritik an der Bewertung der Einrichtungen. Eine grundlegende Änderung des Systems befürwortet auch der Pflegebeauftragte des Bundes, Karl-Josef Laumann (CDU). Er hat ein bundesweites Pilotprojekt aufgesetzt, das bei erfolgreicher Erprobung die bisherige Überprüfung ablösen soll. Beteiligt sind daran in Duisburg neben dem Awo-Cura-Seniorenzentrum in Wanheimerort das Veronika-Haus der Malteser in Rumeln und die Heimstatt St. Barbara in Vierlinden.

„Es wird den Blick auf den Menschen ändern“, erhofft Benjamin Ivartnik von einer deutlich schlankeren Dokumentationspflicht. „Wir wollen bei den Bewohnern keine Defizite suchen, die wir bedienen können. Wir wollen schauen, wo wir helfen können“, erklärt der Pflegecontroller im Awo-Haus im Schlenk den Wunsch der Praktiker für eine individualisierte Pflegeplanung, die den bürokratischen Aufwand reduziert. Ivartnik: „Wir müssten dann nur noch Abweichungen und Veränderungen von der Tagesroutine vermerken.“

"Freier in der Wahl der Mittel"

Seit einem Jahr wird bei der Awo sogar doppelt dokumentiert. Das Seniorenzentrum beteiligt sich nämlich außerdem am EQMS (Ergebnis-Qualitätsmodell Münster), dass Dr. Klaus Wingenfeld entwickelt hat. Das System des Bielefelder Pflegewissenschaftlers zielt auf die Ergebnisqualität der Pflege. „Der Unterschied ist gravierend“, erklärt Bettina Vootz, Leiterin des Geschäftsbereichs Seniorenzentren bei Awo-Cura.

Nach einem kritischen Bericht über das Notensystem des Medizinisches Dienstes (MDK) für den Bundesverband erhielt sie die Anfrage für das EQMS-Projekt. „Es erfasst jene Maßnahmen, die ergriffen werden, um Fehlentwicklungen im Haus verhindern, etwa das Wundliegen (Dekubitus). Dokumentiert werden auch andere, die eine positive Wirkung auf die Bewohner haben, etwa bei deren Mobiliät“, erläutert sie. Die Erfahrungen seien bisher positiv. „Wir sind freier in der Wahl der Mittel – am Ende zählen Ziel und Ergebnis.“

Erhebliche Mängel trotz Spitzennote

Dass der Notendurchschnitt nach den MDK-Prüfungen im Land mittlerweile nahe 1,0 liegt, auch das kritisiert Pflegewissenschaftler Wingenfeld. Das Ziel, für Angehörigen eine Beurteilungsgrundlage bei der Auswahl eines Hauses zu liefern, werde deshalb verfehlt, meint auch Bettina Vootz. „Es gab ein Haus, das eine Spitzennote bekam und nur sechs Monate später wegen erheblicher Mängel geschlossen wurde“, erinnert sie.

Berichte sind für Laien schwer zu interpretieren

Die Awo-Cura, ein Unternehmen des Kreisverbandes Duisburg der Awo, gehört zu den
großen Betreibern in der Stadt. Er betreibt mit rund 660 Mitarbeitern einen ambulanten
Pflegedienst und fünf stationäre Einrichtungen für Senioren an folgenden Standorten: Im Schlenk (Wanheimerort, 104
Bewohner), Ernst-Ermert-Haus (Duissern, 144), Lene-Reklat-Zentrum (Rheinhausen, 96), Vierlinden (42) und Wohndorf Laar (34).

Über die Aussagekraft der MDK-Pflegeberichte sagt Bettina Vootz: „Man kann relativ viel aus ihnen lesen, aber dazu muss man sie interpretieren können. Für Laien ist das schwierig.“

Der Fall mache deutlich, „dass nur die gute Dokumentation bewertet wurde und dass sich die Häuser auf die Überprüfungen eingestellt haben“. Für die Laufzeit des bundesweiten Pilotprojekts des Bundes-Pflegebeauftragten wird es nun zwar Überprüfungen durch den MDK, aber keine Noten geben. Über seine Vorstellung von einem reformierten Notensystem sagt Benjamin Ivartnik: „Nicht die Schriftgröße des Speiseplans darf entscheidend sein für die Bewertung, sondern die Qualität des Essens.“