Duisburg. NRW will Unfallopfer vor Gaffern abschotten. Für den Rettungsdienstleiter der Duisburger Feuerwehr ist das ein durchaus sinnvolles Mittel.
Mit mobilen Wänden kann in NRW künftig die Sensationsgier Schaulustiger bei Unfällen auf Autobahnen ausgebremst werden. Gestern stellte Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) bei der Autobahnmeisterei in Kaarst die Neuanschaffung vor, mit der NRW als erstes Bundesland Unfallopfer vor neugierigen Blicken abschotten will. Gleichzeitig soll auf diese Art vermieden werden, dass es durch abgelenkte Gaffer auf der Gegenfahrbahn zu weiteren Unfällen kommt.
Eine Anschaffung, die Dr. Frank Marx, Leiter des Rettungsdienstes der Feuerwehr in Duisburg, grundsätzlich begrüßt. Auch wenn es seiner Einschätzung nach wohl in vielen Fällen nicht unbedingt den Verletzten und den Rettungskräften nützt. Denn der Transport und der Aufbau der mobilen Wände, die bei den Autobahnmeistereien gelagert werden, kann je nach Tageszeit und Unfallstelle bis zu 100 Minuten in Anspruch nehmen. „Dann sind wir mit den Verletzten schon längst weg“, erklärt Marx im Gespräch mit der NRZ. „Wir drücken bei Unfällen auf die Tube und trainieren regelmäßig mit dem Ziel, die sogenannte ,goldene Stunde des Schocks’ zu erreichen. Das bedeutet, dass wir vom Eingang des Notrufes bis zur Einlieferung des Patienten in den Schockraum maximal 60 Minuten brauchen. Derzeit liegen wir im Schnitt bei 73 Minuten, das ist nicht schlecht.“
Sichtschutzwände sind sinnvoll
Auch müsste geprüft werden, so Marx, ob die Standsicherheit der Wände den Anflug eines Rettungshubschraubers aushalten könne. Zumindest bis zur Windstärke 5 soll die gegeben sein. Schön und gut, aber so ein Rettungshubschrauber bringe es durchaus auf Windstärke 12, gibt Marx zu Bedenken: „Und wenn wir beim Landen oder Starten irgendetwas beschädigen, müssen wir dafür aufkommen.“
Dennoch ist er der Meinung, dass die Sichtschutzwände sinnvoll sein können. Marx: „Unfälle liefern oft grausige Bilder. Blutüberströmte Menschen, oder abgerissene Gliedmaßen, den Anblick kann nicht jeder aushalten. Für viele Menschen ist es schon ein Schock, eine total verwüstete Unfallstelle zu sehen. Solche Wände schützen auch Menschen, die unfreiwillig mit diesen Bildern konfrontiert werden.“
„In Duisburg hilft man einander“
Auch ohne die Wände würden sich die Rettungskräfte darum bemühen, Unfallopfer während der Bergung vor neugierigen Blicken zu schützen. In der Regel seien genug Kräfte am Ort, um Decken als Sichtschutz davor zu halten.
Dass er bei seiner Arbeit von Gaffern belästigt oder sogar behindert worden ist, sei ihm in seinen 14 Dienstjahren hier noch nicht passiert. Im Gegenteil. „In Duisburg scheint das anders zu sein. Hier hilft man einander. In der Regel sind die Menschen hier bereit, uns bei Unfällen zu unterstützen“, lobt Marx. „Sie halten die Decken als Sichtschutz oder auch Infusionsflaschen.“ Natürlich gebe es auch Leute, die auf die Bitte um Hilfe sagen, dass sie das nicht können. „Aber sie kommen dann auch umgehend der Bitte nach zu gehen.“
Erfahrungen mit Gaffern
Eine gewisse Neugier sei nur allzu menschlich sagt Marx. „Doch in der Regel entfernen sich die Leute von der Unfallstelle, wenn wir sie darum bitten.“ Sicherlich komme es auch auf die Art der Ansprache an. Marx: „Wer angeschnauzt wird, wird oft widerspenstig.“
Seine Erfahrungen mit Unbeteiligten an Einstatzorten in Duisburg seien ausschließlich positiv, betont Marx: „Ich bin wirklich immer wieder begeistert von der Hilfsbereitschaft der Menschen in dieser Stadt.“ Das sei auch so gewesen bei einem der wohl schlimmsten Einsätze in seinem Berufsleben: der Loveparade-Katastrophe. „Allein in dem Tunnel hatten wir 80 Verletzte und die 21 Todesopfer. Wie Zivilisten und verschiedene Rettungskräfte dort Hand in Hand gearbeitet haben, das war unglaublich“, erinnert sich Marx. „Da ist der Heilige Geist durch den Tunnel geflogen.“