Duisburg. . Im April 1945 besetzten amerikanische Truppen Duisburg. Der Zweite Weltkrieg war beendet, aber dieBevölkerung lebte in einer zerstörten Stadt.

Duisburg im April 1945, US-Truppen besetzen Duisburg, der Krieg ist aus, in den Trümmern kämpfen und feilschen die Menschen um Brot, Kohlen und einen Schlafplatz. Die Währungsreform bringt die Wende.

Der Krieg und die Hungerjahre – all das scheint nach 70 Jahren weit weg und für die jüngere Generation unvorstellbar. Wie sah es nach Kriegsende in Duisburg aus? Von den Wohnungen der Stadt war jede dritte total zerstört. 41 000 waren schwer, 45 000 mittelschwer oder leicht beschädigt. Auf den Straßen und Grundstücken lagen fünf Millionen Kubikmeter Schutt, die zu räumen waren.

Wiederaufbau erschien unmöglich

Von den eigenen deutschen Truppen beim Rückzug gesprengte Brücken, zerstörte Gebäude und Industrieanlagen, geborstene Wasser- und Gasleitungen, defekte Stromkabel und unterbrochene Telefonverbindungen, dazu der akute Mangel an Lebensmitteln, an Brennstoff, Bekleidung, Medikamenten und vor allem an Wohnraum ließen den Wiederaufbau unmöglich erscheinen.

Duisburg hatte zum Zeitpunkt der Besetzung der Stadtmitte durch die amerikanischen Truppen im April nur noch 141 000 Einwohner. Sechs Monate zuvor waren es noch 280 000 gewesen. Nach den schweren Bombenangriffen in den letzten Kriegsmonaten waren die Menschen aufs Land geflüchtet. Sie kehrten nun in eine Ruinenlandschaft zurück.

Gleichzeitig strömten Vertriebene und Flüchtlinge, vor allem aus dem Osten, in die Stadt. Ende 1945 stieg die Bevölkerung auf 322 301. Am 31. Dezember 1948 waren es schon 378 289 Menschen. Viele Duisburger hausten noch in Notwohnungen, Kellern, Ställen und Bunkern. Wellblechbaracken, „Nissen-Hütten“ genannt, sollten die Wohnungsnot in vielen Ortsteilen lindern.

Hunger, Kohlenklau, Schwarzmarkt

Im Juni 1945 lösten die Briten die US-Truppen als Besatzer ab. Die Nahrungsmittelversorgung war desolat. Mit dem Kontrollratsbefehl Nr. 3 vom 17. Januar 1946 wurden alle im arbeitsfähigen Alter stehenden Frauen (15 bis 50 Jahre alt) und Männer (14 bis 65 Jahre) verpflichtet, sich beim Arbeitsamt registrieren zu lassen. Wer dieser Aufforderung nicht nachkam, erhielt keine Lebensmittelkarten. Die Kalorienzahl lag je nach Zuteilungsperiode zwischen 1010 und 1560.

Wohl niemand ahnte 1945 , dass es 1947 noch schlimmer kommen sollte. Wer nicht „organisieren“ konnte, blieb auf der Strecke. Schieber und Schwarzhändler hatten Hochkonjunktur. Auf dem schwarzen Markt am Marientor war buchstäblich alles zu haben, und nicht selten handelte es sich um Diebesgut: Butter, Eier, Speck, Fleisch, Kaffee (das Pfund für 1500 Reichsmark). Zigaretten und schwarz gebrannter Schnaps wurden zur Ersatzwährung.

Auch der Hunger nach Liebe und Vergnügen war groß. Doch auch der „Leitfaden für britische Soldaten“ zum Umgang mit den Deutschen konnte nicht verhindern, dass sich nicht selten enge Beziehungen zwischen den Besatzungssoldaten und Duisburger Frauen entwickelten.

Wiederaufbau der Wirtschaft

Nach dem Krieg wurden alle Eisen produzierenden und verarbeitenden Werke beschlagnahmt und kamen unter die alliierte Aufsicht der „North German Iron und Steel Control“. Die Duisburger Konzerne sollten zerschlagen werden.

Wirtschaftsführer wie dem politisch unbelasteten früheren Thyssen-Hüttendirektor Dr. Eduard Herzog gelang es in unzähligen Verhandlungen, nicht nur die Demontage der August-Thyssen-Hütte (ATH) abzuwenden, sondern er schaffte es auch mit seinem taktischen Geschick, den Wiederaufbau des Werks auf den Weg zu bringen. Er wurde dabei von einer breiten Allianz aus Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften und der Belegschaft unterstützt.

Die immer häufiger in britischen Tageszeitungen erscheinenden Reportagen und Kommentare über das Elend in Deutschland führten dazu, dass sich auch bei den Politikern in den USA und England die Erkenntnis allmählich durchsetzte, dass eine hungernde Bevölkerung dem Kommunismus in die Arme laufen könnte.

Care-Pakete gestiftet

Westdeutschland wurde als Verbündeter im Kalten Krieg gebraucht und amerikanische Familien stifteten Care-Pakete. Gleichzeitig kam bei den Alliierten auch der Widersinn der Demontage in die öffentliche Diskussion.

Vor allem US-Parlamentarier befürchteten, dass ein ökonomisch schwaches Deutschland dauerhaft auf Subventionen angewiesen sein könnte. Die nüchterne Kalkulation lautete: Eine exportstarke deutsche Industrie würde die finanzielle Belastung der Alliierten senken.

Die Demontage-Liste der Alliierten wurde daher nicht im geplanten Umfang umgesetzt; so wurden zum Beispiel auch die Hüttenwerke Meiderich-Ruhrort verschont.

Tatsächlich gewann die Funktionsfähigkeit von Wirtschaft und Verwaltung an Dynamik und damit auch die Umsetzung der Wiederaufbauprogramme (Marschall-Plan und Investitionshilfegesetz). Die Idee der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard hatte die planwirtschaftliche Lenkung der Wirtschaft nach Kriegsende abgelöst.

Neues Geld: die D-Mark

Den entscheidenden Impuls lieferte dann die Währungsreform am 20. Juni 1948. Aufgeregt und erwartungsvoll begaben sich die Duisburger zu den Geldumtauschstellen, wo jeder Bürger gegen Vorlage des Personalausweises für 40 RM 40 DM erhielt.

Die Überraschung war bereits am Montag darauf perfekt: Die Käufer fanden plötzlich in den Geschäften volle Regale vor. Mit dem Tag der Reform hatte das Päckchen „Camel“ oder „Lucky Strike“ als Währung ausgedient, der schwarze Markt brach zusammen. Arbeiten lohnte sich wieder.

Zwar stiegen die Arbeitslosmeldungen beim Arbeitsamt Duisburg wieder an, nicht zuletzt weil das Arbeitslosengeld in wertvoller DM ausgezahlt wurde. Die Arbeitslosenzahl lag bei 8316 Menschen.

Kohle und Stahl als Motoren des Wiederaufbaus

Was aber oft vergessen wird: Die Arbeitslosigkeit war schon 1948 im Ruhrgebiet deutlich niedriger als in Bayern, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen. So betrug die Erwerbspersonenzahl Ende 1949 in Duisburg bereits 151 790 Menschen. Kohle und Stahl wurden die Motoren des Wiederaufbaus.

Dennoch konnte in den Nachkriegsjahren noch nicht von einem Wirtschaftswunder die Rede sein. Erst ab 1952 gingen die Arbeitslosenzahlen deutlich zurück. Es ging endlich aufwärts in Duisburg.

Erhard war dann von 1949 bis 1963 Wirtschaftsminister der jungen Bundesrepublik Deutschland, die rasch an Wirtschaftskraft gewann. Von 1963 bis 1966 war Erhard als Nachfolger von Konrad Adenauer der zweite Bundeskanzler der Nachkriegsrepublik.