Duisburg. Vor 40 Jahren wurden aus Rheinhausen, Rumeln-Kaldenhausen, Homberg, Baerl und Walsum Duisburger Ortsteile. Der Blick ins Zeitungsarchiv der WAZ fördert viele Daten, Fakten und Anekdoten zutage.
„Über die kommunale Neuordnung könnte ich ein Buch schreiben“, sagt Franz-Josef Antwerpes – er war als Chef des Duisburger Planungsstabes und SPD-Landtagsabgeordneter maßgeblich an der Vorbereitung der Eingemeindung der heutigen West-Stadtteile und Walsums nach Duisburg beteiligt. Der heute 80-jährige, der bald Regierungspräsident von Köln werden sollte, hat das nicht mehr vor. Ebenso ergiebig ist die Spurensuche im Archiv der WAZ. Ein kleiner Rückblick auf die Monate rund um den Vollzug der Neuordnung am 1. Januar 1975, der sich nun zum 40. Mal jährt.
Telefonleitungen lahmgelegt
Verwaltungsmäßig wuchsen alte und neue Stadtteile zusammen, telefontechnisch ist das bis heute nicht geschafft: Rheinhausern (02065), und Hombergern (02066) bleiben die eigenen Vorwahlen, Rumeln-Kaldenhausen teilt sich die 02151 mit den Krefeldern, Bauerl die 02841 mit Moers. Als einziger neuer Ortsteil wird auch Walsum unter der 0203 angewählt. Auf der Leitung standen Bürger und Beamte gleich zum Jahresanfang 1975: Die 28131, damals Sammelnummer der Stadtverwaltung, war wochenlang nur nach vielen Versuchen erreichbar. Aus dem Rathaus heraus waren ebenfalls alle Leitungen blockiert. Dabei waren zuvor 22 Kilometer Kabel neu gelegt worden – manches aber offenbar an die falsche Stelle. Der Beigeordnete Gerhard Banner musste appellieren, die Gespräche wo möglich zu reduzieren und 15 weitere Amtsleitungen schalten.
„DU-Mobil“ und Reise-Kommissare
Mit einem rollenden Informationszentrum in einem umgebauten DVG-Bus warb die Stadt bei den Neubürgern für Duisburg. Auf sechs Projektionsflächen zeigte das „DU-Mobil den Bürgern bunte Stadtansichten der Stadt, Hostessen verteilen Informationen und ein Briefkasten schluckt Beschwerden und Anregungen der Neu-Duisburger.
Zur Rundfahrt durch die Neuordnungsgebiete brechen „Kommissare“ von Rat und Verwaltung auf. Sie stellen den Ausbau von Sport-, Spiel- und Erholungsflächen in Aussicht, versprechen etwa den Hombergern eine Verbesserung ihre Trinkwasserwerte, die 1975 an der Grenze des Zumutbaren liegen, den Rheinhausern einen weiteren Ausbau des Toeppersees. Entlastungen soll es auch für Familien geben: Die Kindergartenbeiträge sollen auch in Rheinhausen (45 D-Mark) und Walsum (40 D-Mark) auf einen Einheitsbeitrag von 36 D-Mark sinken.
42 statt bisher 31 Wahlbezirke
Erhebliche Folgen hat die kommunale Neuordnung für die Kommunalpolitik. Dabei ist die Neueinteilung der Wahlbezirke – ihre Zahl wächst von 31 auf 42 – noch die leichteste Übung. Obwohl die Zahl der Wahlberechtigten auf 427.000 steigt, bleibt auch die Verteilung der Stimmgewichte weitgehend gleich: Die SPD, die es zuletzt in Duisburg auf 55,1 Prozent gebracht hätte, kam unter Einbeziehung ihre Stimmen aus den neuen Ortsteilen auf 56,4%, noch geringer waren die Veränderungen bei CDU (37,9/36,7%) und FDP (5,3/5,4%).
Kampf um Mandate im neuen Rat
Größer ist da schon das Hauen und Stechen um die Mandate für den ersten gemeinsamen Rat, der erst im Mai 1975 gewählt wird. Beim außerordentlichen Kreisparteitag der CDU im November 1974 sind 15 Wahlgänge erforderlich, um die 41 Plätze für die Reserveliste des Rates zu besetzen – zehn davon werden christdemokratischen Neu-Duisburgern eingeräumt. Entspannter wächst die neue SPD zusammen. „Das Lernziel für uns heißt: Solidarität“, beendet Bürgermeister Josef Krings ebenfalls im November 1974 den Gründungsparteitag des Unterbezirks Duisburg, der mit Hermann Spillecke (Bissingheim), Anton Riederer (Hamborn) und Siegfried Schlicht (Rheinhausen), sowie jeweils zwei Beisitzern aus Walsum, Homberg, Rheinhausen und Rumeln-Kaldenhausen einen paritätisch besetzten Vorstand wählt.
Keine Einigung über ÖPNV
Der neue Zuschnitt der Verwaltungsgrenzen hat auch erhebliche Auswirkungen auf Verbände und Organisationsstrukturen. Intensiv, aber letztlich erfolglos wird gerungen um eine „große Lösung“ für den ÖPNV. Doch letztlich scheiterte der Antritt der Duisburger, eine gemeinsame Dachgesellschaft für DVG, Niag und KRV (Kreis Reeser Verkehrsgesellschaft) zu bilden. Schon die Verständigung darauf, dass linksrheinische Duisburger ab 1. Januar 1975 zu DVG-Tarifen in die Innenstadt fahren können, fällt schwer.
Sparkasse wächst beträchtlich
Geräuschloser verläuft der Zusammenschluss der Sparkassen. Die neue Stadtsparkasse erhöht ihr Bilanzvolumen von 1,9 Milliarden D-Mark durch die Institute aus Rheinhausen, Homberg, Walsum und einen Teil der einstigen Kreissparkasse Moers um rund 700 Millionen D-Mark.
Duisburg wächst um 38 Prozent in der Fläche und auf 610.000 Einwohner
Durch die Neuordnung von 1975 dehnte sich Duisburg auf den linken Niederrhein aus und verzeichnete dabei erhebliche Landgewinne. Das Stadtgebiet, vormals etwa 144,6 Quadratkilometer groß, wuchs durch die Eingemeindungen um rund 88,2 Quadratkilometer auf nunmehr 232,8 km². Das entspricht einem Zuwachs von etwa 38 Prozent.
Dabei entfallen auf Rheinhausen (Mitte, Hochemmerich, Bergheim und Friemersheim) 29,6 Quadratkilometer, auf Rumeln-Kaldenhausen im äußersten Südwesten 10,1 km². Durch den Wechsel von Walsum in die Stadtgrenzen gewann Duisburg weitere 21,1 Quadratkilometer – der zweigrößte Brocken hinter Baerl. Das Dorf im Nordwesten bescherte der Stadt zwar mit seinen gut 4000 Bürgern den einwohnermäßig geringsten Gewinn, allerdings mit 21,3 Quadratkilometern den größten Flächenzuwachs. Genau umgekehrt war es im Falle von Homberg (mit Hochheide). Der Wechsel der vormals dem Kreis Moers angehörigen Stadt brachte zwar nur 7,1 Quadratkilometer Flächengewinn, aber rund 15.000 neue Bürger.
Von zuvor 440.000 Bürgern wächst die Einwohnerzahl durch insgesamt 170.000 „Neu-Duisburger“ zum 1. Januar 1975 auf 610.000 Menschen. Die meisten stellen mit Abstand die Orte Rheinhausen (ohne Rumeln-Kaldenhausen) mit rund 60.000 und Walsum mit damals etwa 50.000 Einwohnern
Sieben starke Bezirke
Die Schaffung von starken Stadtbezirken sollte den Schmerz über den Verlust der Unabhängigkeit in den vormals selbstständigen Gemeinden mildern und die Identifikation der Bürger mit ihren Ortsteilen stärken. Über deren Zuschnitt entschied der Wahlausschuss der Stadt im Januar 1975 mit SPD-Mehrheit und gegen die Stimmen der CDU. Sie wollte den Bezirk Homberg/Ruhrort um Laar, Beeckerwerth und Beeck erweitert sehen.
So entstanden die Bezirke Walsum (56.000 Einwohner), Hamborn (88.000), Meiderich/Beeck (101.000), Homberg/Ruhrort/Baerl (47.000), Rheinhausen (82.000), Süd (82.000) und die Innenstadt als einwohnerstärkster Bezirk (143.000). Das hatte zuvor heftige Kritik in Hamborn ausgelöst. Der Bürgerverein im 1928 eingemeindete Ort, der danach immer wieder für seine Unabhängigkeit gekämpft hatte, fürchtete, die Mitte könnte sich zu einer „Stadt in der Großstadt“ entwickeln.
Um dem zu begegnen, wurden die neuen Bezirksvertretungen mit Kompetenzen, die Bezirksämter mit insgesamt 2300 Mitarbeitern zur Erledigung ihrer damals noch zahlreichen Aufgaben ausgestattet. Allein 454 Beschäftigte bekam Rheinhausen als größtes, 240 Stellen Meiderich als kleinstes Bezirksamt. Mit 8850 verblieb allerdings der Großteil der Beschäftigten im Duisburger Rathaus.
Zum Vergleich: Dort sind heute rund 5800 Menschen beschäftigt, viele wechselten zu den großen Stadttöchtern DVV (4500), WBD (1600) und IMD (430) in den Bezirksämtern, die über die Jahre Aufgaben einbüßten, verbleiben aktuelle nur noch 165 Mitarbeiter.