Duisburg. Adrian lebt seit zwei Jahren in Duisburg. Auf der Straße. Ohne Geld. Das Flaschensammeln hält ihn über Wasser. „Die Behörden helfen mir nicht.

„Ich wollte mir hier Arbeit suchen, aber es ist sehr schwierig“, sagt der gebürtige Pole Adrian B. (seinen richtigen Namen möchte er nicht nennen) in recht gutem Deutsch. Adrian gehört zu einer Gruppe Polen, die seit längerer Zeit in Duisburg ist und sich so durchschlägt. „Es sind circa zehn, aber die Dunkelziffer ist hoch. Viele kommen bei Bekannten unter“, sagt Dieter Metz vom Verein Gemeinsam gegen Kälte.

Die seit 2005 geltende EU-Freizügigkeit ermöglichte der Gruppe zur Arbeitssuche nach Deutschland zu kommen. Und – zumindest in der Theorie – dabei die gleiche Hilfestellung von den Ämtern zu erhalten wie deutsche Staatsangehörige. Sie wollten sich ein neues Leben aufbauen. Doch an der Umsetzung hapert es.

„Gemeinsam gegen Kälte“ ist eine Anlaufstelle

Zurzeit übernachtet Adrian meistens bei einem polnischen Freund. Dieser hat Glück: Er wurde in Deutschland geboren und kann die nächsten zwei Jahre auf die Unterstützung der Diakonie zählen. Doch wie es danach weiter geht? Das weiß auch er nicht.

Gerade sitzen beide nebeneinander. Adrian möchte mit seinem Fall an die Öffentlichkeit: „So geht es nicht mehr weiter“, beklagt er sich und fügt noch einen polnischen Satz hinzu. Sein Freund übersetzt ihn: „Er meint es ist ein Teufelskreis. Man kommt nicht raus.“

Der Verein „Gemeinsam gegen Kälte“ ist eine Anlaufstelle für die Polen. Auf die ist Verlass. Anders als auf die Behörden, erklärt Adrian. „Die Freizügigkeit ist zwar schön und gut, doch niemand kümmert sich. Wir beobachten das Polen-Phänomen seit Jahren. Ich glaube in anderen Städten in NRW ist es ähnlich“, so Metz. In Duisburg kam die Gruppe für lange Zeit in dem leerstehenden Gebäude eines Taxiunternehmens unter.

Aussage gegen Aussage 

„Sie hatten sich da häuslich niedergelassen und holten sich bei uns Kaffee oder Sandwiches.“ Bis das Haus vor Kurzem abgerissen wurde. „Einen von ihnen nannten wir Bruder Brot, er konnte kaum Deutsch und sagte immer zu uns ‘Guten Tag Bruder Brot’. Seine Fingernägel waren so schwarz wie die Erde. Wir haben kürzlich erfahren, dass er verstorben ist.“

Für Metz sind die Polen eine Exotengruppe. „Die laufen überall vor die Pumpe, leben hier von Luft und Liebe und fahren trotz der widrigen Umstände nicht zurück nach Hause.“ Einer von ihnen habe sogar Kinder in der Heimat, würde aber lieber hier Flaschen sammeln.

„Adrian hat sich immer abgehoben. Er spricht gut Deutsch und wollte etwas aus seiner Zukunft machen. Doch keine Behörde nimmt ihn an die Hand“, schildert Metz die Situation. Seit zwei Jahren probiert Adrian Hilfe bei der zentralen Anlauf-, Beratungs- und Vermittlungsstelle (ZABV) des Diakoniewerks Duisburg zu bekommen. Ohne Erfolg. „Um ihm helfen zu können, benötigen wir vom Jobcenter einen Bescheid, dass Ansprüche auf Sozialleistungen bestehen. Nach unserem Kenntnisstand hat da noch keine Prüfung stattgefunden. Ich denke aber, er wird keine Ansprüche haben“, erläutert Konrad Ixkes, Leiter der ZABV. Adrian sei unzuverlässig, würde Termine nicht einhalten. Adrian behauptet, er wäre immer gekommen und sei sehr bemüht. Aussage gegen Aussage.

Hoffe auf neue Existenz

Neben diesen Unstimmigkeiten, machen ihm unklare Auskünfte des Jobcenters zu schaffen. Adrian hat keinen festen Wohnsitz in Duisburg und ist somit auch nicht gemeldet. Bedeutet das gleichzeitig, dass er keine Ansprüche auf Sozialleistungen hat? Auf Nachfrage beim Jobcenter Duisburg, erklärt eine Mitarbeiterin, dass „Ansprüche auf Sozialleistungen bei EU-Bürgern bestehen, wenn der gewöhnliche Aufenthaltsort seit mehr als drei Monaten in Deutschland ist.“ Das bedeute, der Antragssteller müsste seit mehr als drei Monaten in Duisburg gemeldet sein. Ein anderer Kollege erläutert hingegen: „Er muss sich dort lediglich seit mehr als drei Monaten aufhalten.“

Die Begrifflichkeit „gewöhnlicher Wohnort“ scheint nicht klar definiert zu sein. Ein weiterer Knackpunkt: Die Person dürfe nicht nur im Sinne der Arbeitssuche in Deutschland leben, sondern müsse nachweisen können, dass der Lebensmittelpunkt in Deutschland ist. Das bedeute, Familie und Freunde müssten in Deutschland sein. Doch Adrian lebt hier ohne seine Familie. Bedeutet das, dass er nicht im Land bleiben darf?

Eine Frage, die Adrian nicht beantworten kann. In Polen, sagt er, brachte ihn seine Familie um sein Erbe. Er wollte weg. „Ich hoffte auf eine neue Existenz. In Polen ist es schrecklich, da frisst sich jeder gegenseitig auf.“ Er wünschte sich ein neues Leben aufbauen zu können. Bis jetzt hat das nicht geklappt.