Duisburg. Auch wenn es schmerzt, prinzipiell haben Duisburger nichts gegen eine Loveparade in Berlin. Aber sicher sollte sie sein, fordern Hinterbliebene.
In diesem Sommer soll ein „Zug der Liebe“ durch Berlin rollen. Der Veranstalter und Organisator Jens Hohmann betont, dass dieses geplante Treffen der Techno-Fans im Juli aber kein Revival der Loveparade sein soll, sondern „eine Demonstration für mehr Miteinander und Toleranz“. Noch in dieser Woche soll die Großveranstaltung angemeldet werden.
Wir haben bei Beteiligten, die die Loveparade-Katastrophe 2010 in Duisburg miterlebt haben, nachgefragt, was sie von diesen Plänen halten.
Die Hinterbliebenen
„Wenn diese Veranstaltung genehmigt werden sollte, müssen die zuständigen Behörden diesmal darauf achten, dass alle Sicherheitsvorschriften genauestens eingehalten werden“, sagen Friedhelm Scharff und Edith Jakubassa, die in Hochheide leben. Ihre Tochter Marina zählte zu den 21 Toten der Katastrophe am 24. Juli 2010 und war das einzige Opfer, das aus Duisburg kam.
Der Fakt, dass es nun wieder eine ähnliche Veranstaltung wie damals geben soll, bereite ihm schon gewisse Bauchschmerzen, gibt Scharff zu. Vor allem aus moralischer Sicht. Aber auch wegen besagter Sicherheitsbedenken. „Es war ja abzusehen, dass es irgendwann eine Nachfolge-Party geben würde“, sagt Friedhelm Scharff. „Aber die Katastrophe von vor fünf Jahren ist ja juristisch immer noch nicht aufgearbeitet. Wir konnten deshalb mit unserem Verlust noch immer nicht richtig abschließen.“
Die Traumatisierten
Sorgen um die Sicherheit der Teilnehmer in Berlin macht sich auch der Verein „LoPa 2010“, in dem Verletzte und Traumatisierte organisiert sind. „Wir haben nichts gegen eine neue Loveparade, sie sollte nur sicher sein“, sagte Vereinssprecher Jörn Teich. Aus den vielen Fehlern und der schlechten Planung, die in Duisburg zur Katastrophe führten, müsse zwingend gelernt werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas genehmigt wird“, so Teich. Der Sprecher ärgert sich, dass der Organisator keinen Kontakt zu den Betroffenen gesucht hat. „Er hat erzählt, dass er mit einer Schweigeminute an die Katastrophe von Duisburg erinnern will. Das war für viele von uns ein Schlag ins Gesicht.“ Loveparade
Der Notarzt
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Dr. Frank Marx ist der Ärztliche Leiter im Rettungsdienst der Duisburger Feuerwehr und versorgte damals als einer der diensthabenden Notärzte im Karl-Lehr-Tunnel die Schwerverletzten. „Seit der Katastrophe hier bei uns in Duisburg sind die Vorsorge und die Vorbereitung auf alle Großveranstaltungen in Deutschland extrem besser geworden“, sagt Marx.
Klar, auch heute könne immer noch etwas passieren, wenn Tausende Menschen aufeinandertreffen. „Doch die Betrachtung und Planung von Großereignissen wurde grundsätzlich zum Positiven auf den Kopf gestellt“, so Marx. Er glaubt aber auch, dass viele der Menschen, die den Katastrophentag miterleben mussten, ein großes Problem mit der nun geplanten Nachfolgeveranstaltung haben.
Die Justiz
Bernhard Kuchler vom Landgericht Duisburg betont, dass eine Neuauflage der Loveparade keinerlei Bezug zum Verfahren habe. Die fünfte Strafkammer arbeite weiter mit aller Kraft an dem Prozess, kämpfe sich durch Berge von Akten und Festplatten mit hunderten Stunden Videomaterial - während man auf die neuen Infos von Gutachter Keith Stills warte.
Die Party-Veranstalter
Martin Menkhaus gesteht, dass ihm im ersten Moment „schon der Atem stockte“, als er von den Plänen in Berlin hörte, schließlich sei er „Teil einer Tragödie gewesen und der Stachel sitzt tief“. 2010 führte das Float der Party-Reihe Ultraschall, deren Veranstalter er war, die Parade an. Die aktuelle Planung sei deutlich politischer, „auf Missstände in Berlin soll aufmerksam gemacht werden, es ist also eine andere Motivation, es sind andere Macher, es gibt keine Sponsoren, kein Chichi, wie es Schaller in Duisburg gemacht hat“, sagt Menkhaus und mahnt eine differenzierte Sicht an.
Auch sein Mitveranstalter Jens Thiem findet die Berliner Pläne nicht kritisierenswert, „das Leben geht schließlich weiter". Was die Sicherheit betrifft, glaubt Thiem, dass „aus Duisburg jeder Veranstalter bundesweit seine Lehren gezogen hat“. Und: „Es war nur eine Frage der Zeit, dass wieder jemand so was Großes aufziehen wird.“ Ihn zieht es aber nicht hin. „In Duisburg haben wir als Lokalpatrioten mitgemacht, wir wollten Flagge zeigen.“