Duisburg. . Armin Petras Stuttgarter Inszenierung von Wilhelm Hauffs „Das kalte Herz“ beschert dem Theatertreffen einen prallen Auftakt. Sie führt die düstere Heimat Schwarzwald.
Beim wilden Fest im Schatten der Kuckucksuhr, die groß ist wie ein Sarg, balanciert die alkoholenthemmte Fröhlichkeit auf der Grenze zum Wahnsinn. Die Szene mit der schwäbischen Volkstanzgruppe Frommern und Bärenfell, mit Schellenhansel und Kuhglocken ist so grotesk wie mitreißend: Das Publikum lässt sich auf den Tanzboden bitten, und aus den Sitzreihen wird sogar der eine oder andere Juchzer beigesteuert. Das böse Erwachen folgt natürlich.
Armin Petras Stuttgarter Inszenierung von Wilhelm Hauffs Erzählung „Das kalte Herz“ hat dem „Akzente“-Theatertreffen eine fulminante Eröffnung beschert. Die Geschichte von Peter Munk, dem Köhlerssohn im Schwarzwald, der sich nicht mit seiner Armut und schlechten Stellung im Dorf abfinden mag, hätte auch zum Theatertreffen im letzten Jahr gepasst. Da ging es um „Geld oder Leben“, diesmal um „Heimat“. Als düstere Heimat hat Wilhelm Hauff den Schwarzwald 1828 beschrieben. Da gab es noch die Geisterwesen, die den finsteren Wald bevölkerten, es hielt aber auch schon die Industrialisierung Einzug und mit ihr die Verlockungen und Gefahren des Geldes. Und denen erliegt bis heute jede Generation auf ihre Weise mit bekannten Folgen.
Der Holländermichel dirigiert
Der Kohlenmunkpeter erhält seine erste große Chance vom Glasmännlein (Berit Jentsch ist ein wunderbar tanzender Kobold). Doch Peters Wünsche waren so unklug, dass er seinen Reichtum bald wieder verliert. Geld und Ansehen kann er aber nicht mehr missen. Er überwindet seine Angst und verkauft dem Holländermichel sein Herz, der ihm dafür einen Stein in die Brust setzt. Wolfgang Michalek ist großartig in der Rolle des aasig-gierigen Herzenverschlingers: Sein Grinsen, wenn er von Seele spricht, oder seine überzeugende Argumentation, warum der Verlust des eigenen Herzens mehr Vor- als Nachteile hat: das allein lohnt den Besuch des Abends.
Peter Munk (Johann Jürgens) verliert mit seinem Herzen auch sein Mitgefühl und seine große Liebe Lisbeth (Caroline Junghanns), wird sogar zu ihrem Mörder. Damit kippt die Stimmung der Inszenierung. Der düstere Zauber, die Atmosphäre von alemannischer Fastnacht erstirbt. Die Menschen werden zu Schatten ihrer selbst, können sich kaum noch bewegen, liegen schließlich als Leichen aufeinander.
Petras kann Hauffs glücklichen Ende des bösen Spuks nicht folgen. Bei Hauff kehrt der Kohlenmunkpeter geläutert in die Köhlerhütte zurück. Bei Petras hat der Holländermichel sozusagen das letzte Wort: Er schwingt den Stab über die Toten; die stehen zwar auf, laufen aber ganz schnell davon.