Duisburg. Ein Duisburger soll Fotos von bis zu 100 Frauen auf Webseiten mit pornographischen Inhalten gestellt haben. Die Bilder fand er bei Facebook und Co.

Zehn Jahre lang waren sie befreundet. Sie arbeiteten zusammen, drückten gemeinsam die Schulbank in der Umschulung, trafen sich privat. Bis die damalige Ehefrau ihres guten Freundes im November 2014 vor Melanie Holtkamps* Tür stand: Ihr Mann habe Fotos von Holtkamp ins Netz gestellt. Auf Porno-Seiten. Die gebürtige Duisburgerin und ihr Mann waren geschockt. "Wir kennen uns schon so lange. So etwas hätte ich niemals von unserem Freund erwartet", sagt die 31-Jährige.

Sie ist nicht die einzige Betroffene: Über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren hat der mutmaßliche Täter Bilder von nahezu allen Frauen in seinem Bekanntenkreis in frei zugänglichen Porno-Foren und Blogs gepostet. Insgesamt sind fast 100 Frauen aus dem Raum Duisburg betroffen. Mittlerweile haben Holtkamp und andere Opfer Strafanzeige erstattet. Das Verfahren gegen den Mann ist eingeleitet, die Ermittlungen dauern nach Angaben der Staatsanwaltschaft an.

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Die Bilder, um die es geht, sind an sich harmlos - viele der Aufnahmen hat Holtkamp selbst bei Facebook in ihren Fotoalben veröffentlicht. Die Internetseiten aber, auf denen die Bilder wieder auftauchten, sind alles andere als jugendfrei. In diesen Portalen veröffentlichen die Nutzer Bilder von Frauen, die sie sich mit wenigen Mausklicks von Facebook oder Fotoplattformen wie Flickr kopieren. Dann stellen sie sie in pornographische Zusammenhänge. Etwa, indem sie mit einem Bildbearbeitungsprogramm Sprechblasen hinzufügen, in denen anzügliche Texte zu lesen sind. Oder sie montieren die Köpfe der Frauen auf nackte Körper in eindeutigen Positionen.

Richtige Namen der Frauen stehen oft dabei

"Captions" nennt Norbert Weinhold diese Art der veränderten Fotos. Der 50-Jährige setzt sich seit mehr als 15 Jahren dafür ein, dass Fotodiebstahl und die missbräuchliche Verwendung der Bilder im Netz eingedämmt werden. Sein Verein "Wake Up Internet e.V." mit Sitz in Aschaffenburg sucht dazu unentgeltlich im Internet nach verdächtigen Bildern. Sind sie gefunden, dauert es oft nicht lange, bis Weinhold weiß, wie die Frauen heißen und wie er sie kontaktieren kann: "Oft sind ganze Galerien mit den richtigen Namen der abgebildeten Personen benannt." Das könne im schlimmsten Fall das ganze Leben zerstören, im Job und auch privat den Frauen jede Glaubwürdigkeit nehmen.

Norbert Weinhold informiert die Frauen, die durch diese Nachricht oft erstmal den Boden unter den Füßen verlören. Er rät ihnen, zunächst nur mit dem innersten Familienkreis darüber zu reden. Am besten sollten sie dann Anzeige erstatten. "Oft sind die Täter nämlich - wie in Duisburg - mit den Opfern befreundet oder bekannt. Wenn sie mitbekommen, dass ein Opfer Bescheid weiß, haben sie möglicherweise noch Zeit, die Bilder wieder aus dem Netz zu entfernen, bevor die Polizei die Ermittlungen aufnehmen kann." In ca. 2500 von 3000 Fällen, die Norbert Weinhold im Jahr 2014 bearbeitet hat, kämen die Täter aus dem Freundes(listen-)kreis. Und: Sie seien durchgehend männlich.

Norbert Weinhold kämpft gegen Fotomissbrauch im Internet.
Norbert Weinhold kämpft gegen Fotomissbrauch im Internet. © Privat

Weinhold war es auch, der im Duisburger Fall den Stein ins Rollen gebracht hat: Bei einem geschäftlichen Telefonat mit einer Versicherungsgesellschaft im April 2014, bei dem es eigentlich um mögliche Versicherungen für seinen Verein ging, bot er der Gesprächspartnerin an, auch einmal ihre Fotos zu überprüfen. Und stach damit in ein Wespennest. Er fand ein Bild, auf dem zwar nicht die Dame der Versicherung selbst zu sehen war, aber ihre Schwester - die damalige Schwiegermutter des mutmaßlichen Täters. Weil eines der Bilder ansonsten nur auf dem heimischen Rechner gespeichert war, wusste die jetzige Ex-Frau schnell Bescheid. Die Frauen stießen auf immer mehr Bilder von Bekannten, die sie, wie im Fall von Melanie Holtkamp, schnell informierten.

"Die Bilder sehen so echt aus" 

"Die Fotos sehen teilweise so echt aus, dass man kaum erkennen kann, ob sie gefälscht sind", sagt Melanie Holtkamp und fügt hinzu: "Was, wenn der Arbeitgeber solche Bilder sieht?" Deshalb will sie auch nicht mit echtem Namen in den Medien erscheinen. Es sei ihr aber wichtig, ihre Geschichte öffentlich zu machen. "Wenn man weiß, was so ein Missbrauch jobtechnisch anrichten kann, ist das nicht mehr lustig. Ich dachte immer, es reicht, wenn ich meine Fotos nur Freunden zur Verfügung stelle. Das war offensichtlich nicht genug."

Mittlerweile sind alle Fotos von ihr gelöscht. Dafür hat Holtkamp sich extra einen Anwalt genommen, der auf solche Fälle spezialisiert ist. "Ohne einen Rechtsanwalt, der sich auskennt, bleiben die Bilder für immer und ewig im Netz." So wie viele Bilder von anderen Opfern, die sich nicht intensiv darum bemüht haben, sie aus dem Internet zu entfernen.

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© Wake Up Internet e.V.

Im Haus pornographische Bilder gemacht

Was bleibt, ist ein ungutes Gefühl. "Direkt, nachdem ich von dem Missbrauch wusste, haben wir erstmal alle Schlösser im Haus ausgetauscht", sagt die Duisburgerin, die heute in Kamp-Lintfort wohnt. Schließlich sei der mutmaßliche Täter vorher in ihrem Haus gewesen. "Wir haben ihm sogar leihweise einen Schlüssel gegeben und ihn bei uns übernachten lassen, weil er solchen Stress mit seiner damaligen Frau hatte", sagt Holtkamp. Diese Nacht habe der Freund genutzt, um im Haus weitere pornographische Aufnahmen zu machen. "Ich habe hinterher Bilder von meinen Schuhen im Netz entdeckt", sagt Holtkamp. Zu Hause fand sie in eben diesen Schuhen verräterische Flecken.

Da sie vom mutmaßlichen Täter seit Monaten nichts mehr gehört hat, hat sich die Angst mittlerweile etwas gelegt. Facebook aber sei für Melanie Holtkamp "kein Thema" mehr.

* Name geändert, richtiger Name der Redaktion bekannt