Duisburg. Die Stadt Duisburg drücken Schulden von insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro. Warum er dennoch nicht schwarz sieht, erklärt Kämmerer Dr. Peter Langner im WAZ-Interview.

Mit bald 30 Dienstjahren ist Dr. Peter Langner der dienstälteste Kämmerer im Ruhrgebiet, in NRW ist nur sein Kollege aus Bonn einen Monat länger als der 61-Jährige im Amt. Nach sieben Jahren in Gelsenkirchen wechselte er 1992 nach Duisburg, seine dritte Amtszeit endet 2016. Im WAZ-Interview äußert er sich zur umstrittenen Anhebung von Grund- und Gewerbesteuer, zieht Bilanz nach vier Jahren „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ und erklärt, warum er trotz eines städtischen Gesamt-Schuldenstandes in Höhe von über 3,5 Milliarden Euro nicht schwarz sieht für die finanzielle Zukunft der Stadt.

Hat Sie der Ärger der Bürger über die Grundsteuer-Erhöhung überrascht?

Dr. Peter Langner: Sicher nicht. Es war die zweite Erhöhung nach kurzer Zeit. Ich kann den Unmut nachvollziehen. Obwohl mich überrascht, das mit der gleichzeitigen Erhöhung der Grunderwerbssteuer durch das Land und der Nachricht zur Beibehaltung der Solidaritätsumlage über 2019 hinaus nicht so gehadert wird. Letzteres ist nichts anderes als eine versteckte Steuererhöhung. Und es sind wesentlich andere Größenordnungen, wie jeder auf seiner Gehaltsabrechnung sehen kann.

Also war die Erhöhung richtig?

Langner: Sie war notwendig und legitim mit Blick auf die finanzielle Situation der Stadt. Die Landesregierung erwartet Gegenleistungen für die Hilfen im Stärkungspakt Stadtfinanzen, derzeit 53 Millionen Euro pro Jahr. Wir müssen bestimmte Sparschritte über zehn Jahren tun und Lücken, die entstehen, kompensieren. Wir haben als Verwaltung Vorschläge gemacht, es war legitim, dass der Rat sie abgelehnt hat.

Ihre Sparliste stieß auch in der Politik auf Kritik, weil vieles schon einmal zurückgewiesen wurde.

Langner: Das sind wohlfeile Vorwürfe. Wir können Prozesse optimieren, Sachkosten und Personal sparen. Aber das machen wir nicht erst seit gestern. Oder wir sparen an Leistungsstandards, reduzieren Öffnungszeiten, schließen Einrichtungen. Vorschläge tauchen erneut auf, weil wir immer wieder über die gleichen Leistungen im sogenannten freiwilligen Bereich reden. Es gab nicht die eine große Position, mit der wir die Lücke schließen konnten.

Vermissen die Bürger mit Recht eine ernsthafte öffentliche Diskussion über Alternativen?

Langner: Ganz ehrlich: Wir haben über Monate alles auf links gedreht. Bei einem Haushalt von 1,2 Milliarden sind 10 Millionen Sparvolumen keine Größenordnung – dennoch sind wir nur mit Mühe auf diesen Betrag gekommen. Hinter den Kulissen gab es intensive Diskussionen. Die hat der Rat nicht erneut geführt, deshalb mag dieser Eindruck beim Bürger entstanden sein.

Räumen Sie Klagen Chancen ein?

Langner: Nein. Alle 36 Kommunen, die am Stärkungspakt teilnehmen, haben die Hebesätze erhöht. Dadurch ist der Abstand zu den anderen Städten größer geworden. Das wirft irgendwann die Frage nach der Gleichheit der Lebensverhältnisse auf – beim Angebot und im Wettbewerb mit anderen Städten. Dabei: Grund- und Gewerbesteuer halte ich bei Unternehmen für keine existenzrelevante Größe, aber die Erhöhung ist kein gutes Signal.

In den nächsten Jahren prognostizieren Sie Überschüsse im Haushalt? Woher nehmen Sie die Zuversicht, obwohl die Landeshilfen von jährlich 53 Millionen Euro bis 2021 abgeschmolzen werden?

Langner: Das entspricht dem Vertrag mit dem Land. Es gelingt vor allem durch Abbau von Personal. Die Verwaltung ist überaltert. Zwischen 2012 und 2021 werden uns 1800 Mitarbeiter verlassen, wir besetzten aber nur 1300 Stellen neu. Da wartet natürlich bei Aus- und Fortbildung eine Riesenaufgabe auf uns.

Wo liegen Risiken? Werden wir bis 2021 einen Hebesatz von 1000 Punkten sehen?

Langner: Natürlich können wir Ereignisse wie eine Weltwirtschaftskrise nicht vorhersagen. Aber ich sehe Duisburg im Vergleich mit anderen Städten, wo Haushalte ganz anders auf Kante genäht sind, gut aufgestellt. Eine Prognose über sechs Jahre ist Kaffeesatz-Leserei. Wir planen nach bestem Wissen und Gewissen.

Hoffen Sie auf Hilfe vom Bund?

Langner: Die Übernahme von Eingliederungshilfen wäre für Duisburg ein tiefer Schluck aus der Pulle mit 29 Millionen Euro, die einige Probleme an anderer Stelle kompensieren könnte. Im Koalitionsvertrag sind fünf Milliarden versprochen. Aber darum gibt es noch einen großen Kampf. Am 23. Februar fahren deshalb alle Bürgermeister aus der Region zum ersten Mal gemeinsam nach Berlin.

„Bei den städtischen Töchtern sehe ich kein Problem“ 

Der Haushaltsausgleich ist die eine, Entschuldung ein anderes Problem des Kämmers. Auch dazu und über die Verbindlichkeiten der städtischen Töchter äußert er sich im WAZ-Interview.

Selbst wenn der Haushaltsausgleich gelingt – die Altschulden bleiben. Wie sieht ihre Prognose da aus?

Langner: Sie reduzieren sich. Wir sehen erste Fortschritte. Bei den Kassenkrediten hatten wir mal Miese von rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Das haben wir jetzt im Griff. Dass die Zinsen auf Sicht niedrig bleiben, ist für die Stadt dabei eine gute Nachricht. Derzeit liegen wir zwischen 0,4 und 0,6 Prozent im Kurzfrist-Bereich. Es waren mal bis zu acht.

Warum hat Duisburg keine Kredite in Schweizer Franken?

Langner: Ich wollte keine. Es ist mein Prinzip, mit städtischem Geld nichts zu machen, was ich nicht auch privat machen würde.

Wie steht es um die Stadt-Töchter? Auch da sind die Zahlen rot.

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duisburg schulden © wnm

Langner: Es sind in der Regel längerfristige Verbindlichkeiten. Ich sehe zunächst kein Problem. Das sind gute Schulden. Bei den Wirtschaftsbetrieben ist es das Kanalvermögen, das über die Gebühren refinanziert wird. Die Gebag finanziert über Kredite, das ist in der Immobilienwirtschaft so üblich. Es hat da andere Probleme gegeben, etwa durch die Küppersmühle. Aber in den Rettungsgesprächen mit den Banken war die Höhe der Verbindlichkeiten nie ein Problem. Die Stadtwerke haben ein Kraftwerk in Wanheim gebaut – das finanziert man über Kredit. Der IMD hat investive Kredite, etwa für Schulgebäude übernommen, die ich für unproblematisch halte. Sie refinanzieren sich durch Mieteinnahmen aus dem Haushalt.

Ist das nicht rechte Tasche – linke Tasche?

Langner: Man kann das so sehen. Es ist, positiv formuliert, ein Mieter-Vermieter-Verhältnis. Es entspricht der Organisationsentscheidung, die Kompetenz für Immobilien an einer Stelle zu bündeln. In jedem Fall sind es bei allen Stadttöchtern ordentliche Schulden. Ich sehe kein Problem.

Also auch kein strukturelles?

Langner: Man kann Organisationsentscheidungen kritisieren. Aber ich erkenne keine unsinnige Gründung. Wir müssen sie dennoch ständig hinterfragen. Das machen wir, etwa bei der Innenstadtgesellschaft, bei der Neuorganisation der Duisburg-Marketing. Dabei hätte einiges eher oder forscher geschehen können.

Ihre Zwischenbilanz zum Stärkungspakt Stadtfinanzen?

Langner: Der Weg ist ohne Alternative. So wie es war, konnte es nicht weiterlaufen. Ich sehe die Stadt für den Weg, der noch vor ihr liegt, gut aufgestellt. Wir waren auf einem Kurs, wo wir jedes Jahr 150 Millionen Euro an zusätzlichen Krediten draufgepackt haben. Das hätten die Banken nicht lange mitgemacht. Jetzt gibt es wieder Vertrauen in das, was wir tun. Das ist wichtig. Banken finden die Grundsteuererhöhung gut, weil es ein solider Beschluss ist.