Duisburg. Zeitzeuge Reinhard Stratenwerth erzählt die Geschichte seines Vaters, der dank einer List die Brücke überschritt, als diese noch im Bau war.

Sie ist eine der wichtigsten Verbindungen zwischen dem links- und rechtsrheinischen Duisburg, am 18. Dezember feiert sie runden Geburtstag. 60 Jahre Friedrich-Ebert-Brücke: Das hat die WAZ zum Anlass genommen, um Ihnen, liebe Leser, historische und aktuelle Aufnahmen der Brücke und ihres Vorläufers zu präsentieren, aber auch ein paar Anekdoten.

Eine sehr schöne hat Reinhard Stratenwerth (76) erzählt. Er ist Archivar des Vereins Freundeskreis Historisches Homberg und hat zur Entstehung dieser Seite sehr viel Material zur Verfügung gestellt. Dies ist seine Geschichte. . .

„Mein Vater Gerhard kam an einem Tag im Herbst 1954 in unser Wohnzimmer und sagte nur: Ich gehe jetzt nach Ruhrort. Meine Mutter Hanne, mein Bruder Winfried, meine Schwester Hannelore und ich staunten nur und fragten: Wie willst du denn da hinübergehen, die Brücke ist doch noch gar nicht fertig. Mein Vater entgegnete nur: Kann etwas dauern. Uns war nur aufgefallen, dass er seinen besten Anzug, Mantel, Hut und eine Krawatte trug.“ Zwar arbeitete Gerhard Stratenwerth als Leiter der Rechnungsprüfung bei Rheinpreußen, doch einen solch edlen Dress legte er nur in absoluten Ausnahmefällen an.

Eine schmale Hängebrücke schloss die Lücke

Doch diese „Maskerade“ war Teil seines Plans. Denn die Arbeiten an der Friedrich-Ebert-Brücke waren zwar noch nicht abgeschlossen, sie neigten sich aber ihrem Ende entgegen. Es mussten nur noch die letzten Teile angepasst und „eingeschwommen“ werden.

20 Meter breit war die letzte Lücke zwischen den beiden Brückenstücken. Um dennoch schon zwischen beiden Seiten hin- und hergehen zu können, hatten die Arbeiter eine Hängebrücke installiert (siehe Foto rechts). Das Betreten war für normale Bürger natürlich strengstens verboten. Die Hängebrücke war schmal, schwankend und ziemlich durchhängend. Genau wie der Rest der riesigen Baustelle wurde sie stark bewacht – in erster Linie aus Sicherheitsgründen. „Nach drei Stunden kehrte mein Vater zurück – und er strahlte“, erzählt Reinhard Stratenwerth. „Denn ihm war ein Husarenritt geglückt.“

Wie einst der „Hauptmann von Köpenick“

In seinem feinen Zwirn, so erzählte es sein Vater, habe er sich auf den Weg zur Baustelle gemacht. Durch seine große Statur, sein adrettes Äußeres und sein selbstbewusstes Auftreten habe es kein einziger Arbeiter oder die Sicherheitskräfte gewagt, ihn aufzuhalten. „Jeder hat wohl gedacht, das wäre ein Ingenieur oder ein anderes hohes Tier, der sich über den Fortgang der Arbeiten informieren will“, erzählt Stratenwerth. „Auch die kleine Hängebrücke hat er locker passiert. Einer der Arbeiter hat ihm sogar noch das Tor aufgehalten – mit der Bemerkung: Bitte schön, Herr Doktor.“

Nach einer Stippvisite am Friedrichsplatz und im Café Kurz in Ruhrort kehrte er um. Der Rückweg über die Brücke verlief genauso unproblematisch. Wieder spielte er mit kontrollierendem Blick seine Rolle. Wieder klappte es. „Das alles erinnert fast an den Hauptmann von Köpenick“, erzählt Reinhard Stratenwerth. Und er muss noch heute über die tollkühne Tat seines 1972 verstorbenen Vaters schmunzeln, der wohl als erster „normaler“ Homberger die Friedrich-Ebert-Brücke zu Fuß überquerte.