Duisburg. Im Wallquartier ist in vielen Läden Ausverkauf. Mehrere Inhaber müssen ihre Geschäfte nach Jahren schließen. Die übrigen Läden bangen um die Existenz.

Wer derzeit über den Sonnenwall und die Wallstraße schlendert, dem wird schnell Rot vor Augen. Jedoch nicht, weil das veranstaltende Frischekontor Duisburg dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt die Einheitsfarbe Rot verpasst hat. Im Wallquartier, wo noch die meisten der inhabergeführten Läden in der City zu finden sind, kündet die Signalfarbe nichts Gutes an. „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ heißt es an der Wallstraße 2 (Clip), an der Wallstraße 13 (Thrun Herrenmode), am Eingang zum Sonnenwall (Rigby & Peller), sowie auf dem Sonnenwall 26 (Fritsch Moden). „Wir schließen“ verkündet Brautmoden Loomann im Schaufenster des Ladens an der Wallstraße 9. Auch der Hafenkult wird Ende des Jahres das Ladenlokal an der Wallstraße 6 verlassen.

Angesichts weiterer Läden im Wallquartier, die bereits geschlossen sind (Hobbymade, Mama Like, Rosenthal), sieht mancher Ladeninhaber dort Schwarz für die Zukunft dieser kleineren Straßen am Rande der Haupteinkaufsmeile. Ist Duisburg dabei, sein individuelles Gesicht als Einkaufsstadt zu verlieren?

„Ich mache mir schon Sorgen, wie es weitergeht“, bekennt Elisabeth Evertz, die mit ihrer Buchhandlung im September dieses Jahres vom Sonnenwall 30 in das Ladenlokal am Sonnenwall 45 gezogen ist. Das sei eine bewusste Entscheidung gewesen. „Von unseren Kunden sind wir sehr viel für unseren Mut gelobt worden, was Neues zu wagen und an den Standort zu glauben.“

Hemmschuh Mietspiegel

Dennoch vermisst die Buchhändlerin Mitstreiter, die zu einem ähnlichen Bekenntnis bereit sind: „Es gibt so wenig Leute, die Geld, Mut und Ideen haben, etwas zu wagen. Es geht ja nicht darum, jetzt noch weitere Handyladen oder eine Pommesbude aufzumachen. Wir haben die große Hoffnung, dass sich jemand mit einem interessanten Angebot hier ansiedelt.“ Allerdings ist sie sich auch der Hemmschuhe bewusst, die so einige Immobilienbesitzer den Interessenten anlegen: „Auf dem Sonnenwall ist der Mietspiegel so absurd hoch, das können sich eigentlich nur Ketten leisten.“

„Die Stadt tut zu wenig für uns“, kritisiert Roland Spindler, der nach über 20 Jahren sein Schmuckgeschäft Clip aufgibt. Kaputte Steine auf der Wallstraße würden nicht ersetzt, Löcher im Pflaster nur notdürftig geflickt und noch immer fehlten Fahrradständer in der Straße. „Zudem zahlen wir auch die Beleuchtung zur Weihnachtszeit aus eigener Tasche“, zählt der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Wallstraße nur einige Punkte auf. Das Engagement der Kaufmannschaft im Wallquartier werde von der Stadt in keinster Weise unterstützt. „Aber die Grundsteuer, die wird erhöht“, ärgert sich Spindler.

Innenstadt braucht wieder mehr Aufmerksamkeit

Die ist auch Boris Roskothen, Inhaber des gleichnamigen Spielwaren-Geschäftes auf dem Sonnenwall ein Dorn im Auge. Seit anderthalb Jahren sucht er einen zum Umfeld passenden Nachmieter für die Immobilie. Ohne Erfolg. „Mich wundert das nicht. Alle Faktoren sprechen dagegen, sich hier anzusiedeln. Duisburg kommt aus den negativen Schlagzeilen nicht raus, und jetzt haben wir auch noch den höchsten Grundsteuersatz in der Bundesrepublik“, meint Roskothen. Auch er übt heftige Kritik an der Stadt und an den Ratspolitikern: „Unsere Politiker identifizieren sich nicht mit der Innenstadt. Aber wenn sie diese nicht langsam wieder in den Focus nehmen, sehe ich schwarz für Duisburg.“

Die aktuelle Situation erinnere ihn an die Zeiten in Duisburg, als noch das Einkaufszentrum Multi Casa neben dem Hauptbahnhof im Gespräch war. „Damals passierte in der Innenstadt auch nichts. Auf der Königstraße gab es fünf bis sechs Ein-Euro-Läden. Erst mit der Entscheidung für das Forum setzte eine Superentwicklung ein. Jetzt ist wieder alles eingeschlafen.“ Den Grund dafür sieht Roskothen einerseits in dem noch immer geplanten Factory Outlet, aber auch darin, dass die Stadt den von Norman Foster geschaffenen ganzheitlichen Plan für die Innenstadt „in der Schublade versenkt“ habe.

Viele Ladeninhaber haben keine Geduld mehr

Ganz so negativ wie die Händler sieht Wilhelm Bommann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Niederrhein, die Zukunft nicht für den individuellen Charakter des Wallquartiers. Positive Impulse erhofft er sich für diese Straßen durch die Eröffnung des Stadtfensters an der Steinschen Gasse, die neue Nutzung des Volksbank Gebäudes an der Düsseldorfer Straße sowie den Abriss der alten Stadtbibliothek und den Neubau an dieser Stelle, der zum Modehaus werden soll. „Das wird auch die Nebenstraßen der Fußgängerzone beleben. Aber der Charakter des Wallquartiers muss erhalten bleiben.“

Und das ist für Bommann die Aufgabe einer „richtigen Stadtentwicklung“. Was bedeute: Die Eröffnung des Stadtfensters müsse eine echte Initialzündung werden; der neuen Quartiermanager für die Altstadt müsse trag- und zukunftsfähige Ideen entwickeln und die Innenstadt müsse durch die Bebauung an der Düsseldorfer Straße und die Gestaltung der Bahnhofsplatte kompakter werden. Zudem sollte die Stadt, nach Bommanns Meinung, das FOC endlich ad acta legen.

Doch das alles braucht Geduld, Geld und einen langen Atem. Alles drei ist so manchem Ladeninhaber im Wallquartier in den vergangenen bewegungslosen Jahren bereits ausgegangen.