Duisburg. Weltweite Aufmerksamkeit erregten Udo Reiter und Brittany Maynard, die ihrem Leben bewusst ein Ende setzten und sich damit auch für Sterbehilfe engagierten. Dr. Wolfgang Niesert, Duisburger Palliativmediziner glaubt, dass Menschen mit diesem Wunsch noch nicht die richtige Unterstützung hatten.
Erst hat sich der MDR-Intendant Udo Reiter das Leben genommen, jetzt die Amerikanerin Brittany Maynard. Die beiden Schwerkranken taten es verbunden mit einem Aufruf, aktive Sterbehilfe möglich zu machen. In Umfragen steigt die Zustimmung zur Sterbehilfe in der Bevölkerung.
Dem setzt Dr. Wolfgang Niesert einen Appell entgegen: „Es gibt Möglichkeiten, zu helfen.“ Auch wenn er nicht heilen könne. Der Leitende Oberarzt für Schmerztherapie und Palliativmedizin am St. Anna-Krankenhaus leitet die einzige Palliativ-Station in Duisburg. Zu ihm kommen Menschen, die „austherapiert“ sind, die in absehbarer Zeit sterben werden. In vielen Gesprächen ermittele er, was den Patienten belastet – neben Schmerzen können das Übelkeit, Ängste oder Schlafstörungen sein.
Ersticken ist ein unmenschlicher Tod
Leidet jemand an extremen Schmerzen und ausgeprägter Luftnot, werde auch sediert. „Ersticken ist ein unmenschlicher Tod, das ersparen wir unseren Patienten“, betont Niesert. Indirekte Sterbehilfe nennt er das, wenn ein Patient durch die kontinuierliche Gabe von Morphinen und Schmerzmitteln eventuell früher stirbt.
Das sei aber ein deutlicher Unterschied zum ärztlich assistierten Suizid, „wo ich als Arzt antreten würde, um zu töten“. Erst letzte Woche sei ein Mann mit starken Knochenschmerzen und bettlägerig auf die Station gekommen, inzwischen könne er wieder laufen. Eine andere Patientin konnte noch in der Krankenhaus-Kapelle heiraten, bevor sie verstarb.
Realistische Ziele setzen
„Ich für mich lehne es ab, ethisch, menschlich, religiös, Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid zu leisten“, betont der Anästhesist. Er könne Menschen mit dem Wunsch zu sterben in bestimmten Situationen zwar verstehen, aber er bezweifelt, dass sie alle Möglichkeiten palliativer Versorgung hatten. Es gebe Fälle, in denen eine völlige Schmerzfreiheit nicht erreicht werden könne, bekennt Niesert. Dann komme es darauf an, realistische Ziele zu setzen und das funktioniere in geschützter Umgebung mit professioneller Nähe.
Von den rund 200 Menschen, die jährlich auf die Palliativstation kommen, verstirbt ein Drittel vor Ort, ein Drittel geht gut eingestellt und schmerzfrei ins Hospiz, ein Drittel kehrt zurück nach Hause und wird ambulant weiter betreut.
Wolfgang Niesert hat die Abteilung seit 2005 entwickelt. „Als Anästhesist hat man es ja vorwiegend mit schlafenden Patienten zu tun, das hat mir nicht gereicht“, erzählt er. Inzwischen ist er auch Lehrbeauftragter an der Uni Duisburg-Essen. Der 49-Jährige lebt bewusster, seit der Tod sein täglicher Begleiter ist. Und fühlt sich doch „primär dem Leben verpflichtet“.
Palliative Pflege auch daheim möglich
Viele möchten die letzten Tage zu Hause verbringen. Um das zu ermöglichen, hat sich das Palliative Netzwerk Duisburg gegründet. Es vermittelt zwischen ambulanter Pflege, Hausärzten, Krankenhäusern und Hospizen. Austausch findet über Arbeitskreise und Fortbildungen statt. www.palliativ-duisburg.de, T. 02065 / 41 19 04