Dortmund. Warum ist der Einsatz gegen einen 16-Jährigen so eskaliert? Das ermittelt nun die Polizei. Am Abend gab es in Dortmund einen weiteren Protestzug.
Zum aufsehenerregenden Fall des 16-jährigen Jugendlichen, der am Montag in einer Jugendhilfeeinrichtung in Dortmund durch fünf Kugeln aus einer Maschinenpistole der Polizei getötet wurde, sind weitere Details bekannt geworden.
Offenbar hat der für den Einsatzort eingeteilte Sicherungsbeamte die Schüsse abgefeuert. Der Polizist sei mit elf weiteren Polizisten zu einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt ausgerückt, hieß es am Mittwoch aus Sicherheitskreisen. Alarmiert wurden die Einsatzkräfte, weil ein Jugendlicher mit einem 15 bis 20 Zentimeter langen Messer im Hof an der Holsteiner Straße hantiert haben soll.
16-jähriger Flüchtling war bereits am Vortag psychisch auffällig geworden
Da der aus dem Senegal stammende 16-Jährige, der als alleinreisender Flüchtling aus Mali nach Deutschland gekommen war, den ersten Angaben zufolge bereits am Vortag psychisch auffällig geworden war und möglicherweise Suizidabsichten hegte, fuhr die Polizei gleich mit einem massiven Aufgebot raus.
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Zunächst habe man versucht, den Jungen mit Pfefferspray außer Gefecht zu setzen, hieß es. Dies habe aber eher einen gegenteiligen Effekt gehabt. Der 16-Jährige sei aufgestanden und mit dem Messer auf die Beamten zugekommen. Deshalb sei ein Taser zum Einsatz gekommen. Doch erst im zweiten Anlauf sei es gelungen, die beiden Elektroden korrekt zu platzieren. Normalerweise setzen diese einen Angreifer außer Gefecht. Der Jugendliche habe sich davon jedoch nicht abhalten lassen, sondern sei weiter auf die Polizisten zugegangen.
Polizisten dürfen keine automatischen Salven abfeuern
In dem Moment müssen die Schüsse gefallen sein. Warum gleich sechs Kugeln abgefeuert wurden, von denen fünf den Jugendlichen in Kiefer, Bauch, Schulter und Unterarm trafen, muss noch ermittelt werden. Ob es sich bei der sechsten gefundenen Patrone um einen Warnschuss gehandelt hat, ist ebenfalls unklar.
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Dass Einsatzkräfte eine Maschinenpistole vom Typ M5 mit sich führen, ist in solchen Einsätzen nicht unüblich. Bereits nach den Terroranschlägen 2015 in Paris war entschieden worden, dass jeder Streifenwagen mit einer MP ausgerüstet wird, damit die ersten Beamten vor Ort im Zweifel auch in der Lage sind, Terroristen zu stoppen. Da eine Maschinenpistole einen geringeren Rückschlag hat als eine kleinere Handfeuerwaffe, gilt sie sogar als präziser. Allerdings dürfen Polizisten damit keine automatischen Salven abfeuern, hieß es.
Polizeipräsidium Recklinghausen ermittelt die Hintergründe
Wie der Einsatz gegen den 16-Jährigen so eskalieren konnte, wird nun vom benachbarten Polizeipräsidium Recklinghausen ermittelt. Der Beamte, der geschossen hat, wird wie bei allen ähnlich gelagerten Fällen vom Oberstaatsanwalt Carsten Dombert zunächst als Beschuldigter wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung mit Todesfolge geführt.
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Laut Dombert hatte einer der Betreuer der Jugendhilfeeinrichtung am Montag die Polizei gerufen, weil er den 16-Jährigen mit einem Messer gesehen habe. Der Jugendliche senegalesischer Herkunft war der Einrichtung demnach erst vor Kurzem zugeteilt worden und soll dort zuletzt übernachtet haben, er war als unbegleiteter Geflüchteter aus Mali nach Deutschland gekommen.
Erkenntnisse über den genauen Ablauf erhoffen sich die Ermittler von Zeugenbefragungen: Laut Dombert sollten drei Betreuer vernommen werden, die den Einsatz mitbekamen. Auch die Polizisten, die nicht schossen, sollen als Zeugen befragt werden. Die Leiche des 16-Jährigen wurde obduziert.
200 Menschen demonstrieren in Dortmund gegen Polizeigewalt
Nach dem Tod des 16-Jährigen waren am Dienstagabend bis zu 200 Menschen in Dortmund zusammengekommen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Die Aktion sei emotional, aber friedlich verlaufen, teilte die Polizei am Abend mit. Etwa 150 bis 200 vor allem junge Menschen hätten teilgenommen. Auch am Mittwoch zogen zahlreiche Protestanten bis zum Polizeipräsidium.
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Die Demonstration fand in der Nähe der Jugendhilfeeinrichtung statt, in der am Montag ein 16-Jähriger durch fünf Polizeikugeln gestorben war. Die Dortmunder Polizei berichtete, im Anschluss habe es einen Protestmarsch der Demonstranten zu einer nahe gelegenen Polizeiwache gegeben. Auch dort sei die Stimmung aufgewühlt, aber insgesamt friedlich gewesen.
Mehrere Tote nach Polizeieinsätzen in Deutschland und NRW
In den letzten Tagen sind mehrere Menschen in Deutschland nach Polizeieinsätzen gestorben. Am Dienstag vergangener Woche verletzte der Schuss eines Polizisten einen 23-jährigen Obdachlosen im Frankfurter Bahnhofsviertel schwer. Zuvor war der Polizei ein Mann gemeldet worden, der in einem Hotel randaliere und andere Menschen bedrohe.
Tags drauf starb ein 48-jähriger Mieter in Köln durch eine Polizeikugel. Der Mann hatte sich gegen die Zwangsräumung seiner Wohnung gewehrt. Zuvor habe er, so der Ermittlungsstand, die Beamten mit einem Messer angegriffen, worauf sie ihm mit dem Einsatz von Pfefferspray und Schusswaffe drohten.
Und in der Nacht auf Montag starb ein 39-Jähriger in Oer-Erkenschwick im Kreis Recklinghausen, der, so Nachbarn, in seiner Wohnung randalierte. Weil er starken Widerstand gegen die alarmierten Polizisten geleistet haben und sich nicht beruhigt haben soll, setzten sie Pfefferspray ein und fixierten ihn.
Der 39-Jährige verlor das Bewusstsein, ein Rettungswagen brachte ihn ins Krankenhaus, wo er wenige Stunden später starb. Er soll unter Drogeneinfluss gestanden haben. Damit die Ermittlungen unvoreingenommen geführt werden, ermittelt in diesem Fall nicht die zuständige Recklinghäuser Polizei, sondern die Dortmunder. Bei den Todesschüssen von Dortmund ist es genau umgekehrt. (mit dpa)