Dortmund. Ausgerechnet in ihrer Herzkammer muss die SPD eine ihrer schlimmsten Wahlniederlagen hinnehmen. Die Sozialdemokraten verlieren gegenüber der Bundestagswahl 2005 geradezu erdrutschartig über 15 Prozentpunkte und kommen nur noch auf 34,3 Prozent.
Vor vier Jahren hatten die Genossen noch knapp die absolute Mehrheit geschrammt. Besonders bitter: Die Verluste liegen deutlich höher als die im Bund und im Land. Trostpflaster: Die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Ulla Burchardt und Marco Bülow verteidigten ihre beiden Wahlkreise souverän vor den CDU-Herausforderern Erich G. Fritz und Steffen Kanitz. Burchardt und Bülow mussten jedoch ebenfalls herbe Verluste hinnehmen. Mit jeweils knapp über 40 Prozent erzielten sie ein deutlich besseres Ergebnis als die Partei. Die Verluste gegenüber 2005 liegen aber in derselben Größenordnung.
Kleine Parteien legen zu
Kräftig zulegen konnten die kleineren Parteien. FDP, Grüne und Linke kamen jeweils auf ein zweistelliges Ergebnis. Die Grünen verbesserten sich um 3,2 Prozentpunkte, die FDP um 4,3 %, die Linke sogar um 4,9 Porzent. Der lautstärkste Jubel kam bei der ersten Hochrechnung um 18.01 Uhr freilich aus der Ecke der Liberalen. „Das übertrifft alle Erwartuungen”, sagte der Dortmunder FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kauch, der über einen sicheren Listenplatz den Wiedereinzug in den Bundestag schaffte.
Bei der SPD zog man dagegen eine bittere Bilanz. „Eine Katastrophe” sei das Wahlergebnis, gab Marco Bülow spontan zu Protokoll. Ulla Burchardt sprach von „einer großen Enttäuschung.” SPD-Unterbezirkschef Franz-Josef Drabig bezeichnete das Abschneiden seiner Partei gegenüber der WAZ als „desolat”. Vor Parteigenossen (darunter Noch-OB Langemeyer) zog er später ein trauriges Fazit: „So einen Tag haben wir noch nie erlebt.” Gleichzeitig versuchte der Parteivorsitzende seinen Genossen Mut zu machen: „Die Schmutz- und Dreckkampagne von CDU und FDP in den letzten Wochen hat nicht verfangen”, spielte Drabig auf die „Wahlbetrugs”-Debatte an. Für den designierten Oberbürgermeister Ullrich Sierau hat das Ergebnis sogar „eine gewisse Klarheit” gebracht. „Wir haben gezeigt, dass wir auch in schwierigen Zeiten gute Ergebnisse erreichen können”, sagte Sierau, der in der Wahlbetrugs-Diskussion selbst unter Beschuss steht, im Hinblick auf den Erfolg der beiden SPD-Direktkandidaten. Marco Bülow sagte jedoch in der selben Runde, auch die Dortmunder hätten der SPD einen Denkzettel verpasst.
Thema "Wahlbetrug"
Grünen-Fraktionschef Mario Krüger, der sich über ein „Superwahlergebnis” seiner Partei freute, sprach von überproportionalen Verlusten der SPD und stellte gegenüber der WAZ fest: „Das hat auch mit dem Thema ,Wahlbetrug' zu tun.” Über mögliche Schlüsse, die die Grünen aus dem SPD-Debakel ziehen könnten, wollte Krüger „hier und heute noch nichts sagen.” Zur Fortsetzung der rot-grünen Sondierungsgespräche sagte Krüger der WAZ, es sei kein neuer Termin vereinbart. „Das spricht Bände”, so der Fraktionschef weiter. Die Situation sei schwierig. In der Brust der Grünen schlügen zwei Herzen - „die der Pragmatiker und die der Moralisten.” Es gehe nun darum, diese beiden Enden zueinander zu bringen.