Eine Karriere in der Wissenschaft lässt sich mit Familie kaum vereinbaren - warum, erforscht die Dortmunder Professorin Dr. Sigrid Metz-Göckel.
Viel wird diskutiert über rückläufige Geburtenzahlen. Über Frühförderung für immer weniger Kinder, die in Deutschland geboren werden. Über Zukunftsperspektiven von Kindern, die mit Vornamen wie Kevin oder Chantal geschlagen sind.
Kinder aus hochgebildeten Familien hingegen sind kein so großes Thema – vielleicht, weil es so wenige von ihnen gibt? Familie scheint mit einer wissenschaftlichen Karriere kaum zu vereinbaren – besonders für Frauen. Viel Arbeit, kaum Freizeit, wenig Geld – der Berufseinstieg ist oft eine Durststrecke. Viele Paare entscheiden sich in dieser Situation gegen Kinder. Andersherum: Wer eine Familie gründen will, entscheidet sich häufig gegen die wissenschaftliche Karriere. Ein Problem für Universitäten und Fachhochschulen auch in Dortmund, denen so bestens ausgebildete Fachleute von der Fahne gehen.
„Fachkräftemangel in der Wissenschaft – Erfolgsfaktor Familienfreundlichkeit” ist das Thema einer Tagung am kommenden Donnerstag, 12. November, im Technologiezentrum Dortmund. Dr. Sigrid Metz-Göckel, emeritierte Professorin der TU Dortmund, forscht nach den Gründen für die akademische Kinderarmut. Sie wird ihre Arbeit zum Thema „Wissenschaft statt Elternschaft” vorstellen.
Seit rund fünf Jahren geht Metz-Göckel der Frage nach, wie sich die Kinderlosigkeit von Wissenschaftlern in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat. „Wir untersuchen dabei auch, wie sich die Beschäftigungsbedingungen auf die Entscheidung, Eltern zu werden, auswirken”, erklärt die 69-Jährige. Etwa 80 Prozent der Wissenschaftler im sogenannten Mittelbau, also Doktoranden, wissenschaftliche Mitarbeiter an Instituten und Forscher in Projekten, die aus Drittmitteln finanziert werden, haben befristete Arbeitsverträge, 39 Prozent arbeiten Teilzeit.
„Für die Männer ist das kinderfeindlich, für die Frauen bestenfalls ein Kompromiss”, sagt die Professorin, die trotz Ruhestand am Hochschuldidaktischen Zentrum arbeitet. Die ungewissen Arbeitsverhältnisse, führten dazu, dass sich Wissenschaftlerpaare erst spät mit der Familienplanung beschäftigen. „Da können keine Vielkinderfamilien mehr entstehen.”
Erschwerend komme dabei hinzu, dass Akademiker relativ spät ins Berufsleben einsteigen, und besonders am Anfang viel Zeit für Weiterbildungen aufwenden müssen. „Rushhour des Lebens” nennt die Forscherin diese Phase. Und eben diese hektische Zeit sei kaum mit der Betreuung von Kleinkindern zu vereinbaren. „Da schieben die Wissenschaftler die Entscheidung, Eltern zu werden, hinaus”, sagt sie. So ließen sich denn auch die Zahlen deuten: 80 Prozent der Angestellten im wissenschaftlichen Mittelbau seien laut Statistik kinderlos.
Wann aber wäre dann der ideale Zeitpunkt für Wissenschaftler, Kinder in die Welt zu setzen? „Es wäre gut, wenn die Kinder schon im Studium geboren würden”, überlegt Metz-Göckel. Angesichts der neuen, gestrafften Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschluss sei an entspannte Kindererziehung allerdings auch im Studium nicht mehr zu denken.
Gesicherte Arbeitsverhältnisse und institutionalisierte Kinderbetreuung, glaubt die Professorin, wären ein gutes Signal für junge Wissenschaftler. In Frankreich zum Beispiel, wo es ein flächendeckendes Vorschulsystem gebe, hätten die meisten Wissenschaftlerinnen Kinder.