Dortmund. Zwei Polizeieinsätze, zwei Tote – binnen zwei Tagen. Die Ermittlungen führt die jeweils andere Dienststelle. Das scheint nicht allen fair.
Steht polizei-intern eine Straftat im Raum, werden die Ermittlungen nicht von der eigenen Behörde geführt, sondern „aus Neutralitätsgründen“ in einem anderen Präsidium. Aber die Situation nach den tödlichen Maschinenpistolen-Schüssen auf einen Jugendlichen (16) in Dortmund scheint kurios: Gleichzeitig ermitteln zwei Polizeibehörden in Fällen, in denen die jeweils andere Behörde involviert war – also quasi „gegeneinander“. Das NRW-Innenministerium hält neutrale Ermittlungen dennoch für sichergestellt.
Im Fall aus Dortmund ist die Polizei Recklinghausen zuständig. Der junge Beamte (29), der sechsmal auf den Jugendlichen schoss, wird als Beschuldigter geführt.
Im Fall aus Oer-Erkenschwick ermittelt dagegen die Polizei Dortmund: Dort war am Sonntag ein 39-Jähriger gestorben, nachdem er in einer Wohnung randaliert und massiv Widerstand geleistet haben soll und von der Polizei fixiert wurde. Es gibt aber auch Anhaltspunkte, dass er unter Drogen stand.
Innenministerium: Feste Kooperationen zwischen Präsidien
Das NRW-Innenministerium erklärte auf Nachfrage, Straftaten gegen im Landesdienst Beschäftigte würden in bestimmten Polizeipräsidien, den Kriminalhauptstellen, verfolgt. Arbeitet die beschuldigte Person aber selbst dort, ist „aus Neutralitätsgründen“ eine andere Kriminalhauptstelle zuständig.
Hier gebe es feste Kooperationen: Recklinghausen ist immer für Dortmund zuständig und umgekehrt, das gleiche gilt für Köln und Bonn oder Duisburg und Düsseldorf.
Neutralität bei andauernder gegenseitiger Zuständigkeit gefährdet?
Auf die Nachfrage, ob die Neutralität bei einer andauernden gegenseitigen Zuständigkeit nicht gefährdet sei, betonte ein Sprecher des Innenministeriums, die Ermittlungsverfahren würden ausschließlich unter Sachleitung der zuständigen und „zur Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit verpflichteten Staatsanwaltschaft“ geführt.
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Die Regelung garantiere zudem, dass Polizeibehörden in keinem Fall gegen Beschäftigte der eigenen Behörde ermittelten. „In der Gesamtschau ist eine neutrale Ermittlungsführung insoweit in allen Fällen sichergestellt“, hieß es.
Kritik am System: Forderung nach Unabhängigkeit
Das sehen nicht alle so: „Das ist nicht "neutral" und schon gar nicht vertrauensfördernd“, schrieb etwa der Twitter-Nutzer Aladin El-Mafaalani. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) forderte die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen. Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg sagte dem WDR: „Wir fordern schon lange einen Polizeibeauftragten, der nicht im Hierarchiesystem der Polizei verortet ist, aber Ermittlungskompetenz hat.“
Der Kriminologe Thomas Feltes plädierte dafür, für polizeiinterne Ermittlungen nach Einsätzen wie diesen eine eigenen Stelle etwa beim Landeskriminalamt zu schaffen. (dpa)