Castrop-Rauxel. . Tauben sind das Leben von Willi Reckmann: Damit seine Tauben immer wieder sicher ins heimische Castrop-Rauxel zurückfinden, trainiert er viel mit ihnen - und vertraut auf ihren guten Orientierungssinn.
Bereits als kleiner Junge putzte er mit seinem Großvater die Taubenställe. Mit sechs Jahren stand er zum ersten Mal mit einer Fahne in der Hand am Fenster, um die Jungvögel zu trainieren. „Tauben waren schon immer ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens“, meint Willi Reckmann, 2. Vorsitzender und amtierender Meister der Reisevereinigung Castrop-Rauxel e.V. (RV).
Sein Großvater begann nach dem ersten Weltkrieg mit dem Taubensport. Bis heute setzt Reckmann die Familientradition fort. Der 55-Jährige bedauert, dass das Interesse an der Ruhrgebietstradition abnimmt. „Der Altersschnitt in unserem Verein liegt bei 65, Nachwuchs haben wir kaum.“
Dennoch sind er und seine über 60 Züchterkollegen mit Herzblut bei der Sache. „Kaum jemand in der Umgebung hat so viele Tauben wie ich“, verrät er, stolz und bescheiden zugleich. „Das liegt daran, dass mein Vater und mein Onkel viel für mich züchten.“ So müsse er sich nur um einige Zuchtpaare und das Training kümmern.
Die kluge Taube nimmt die A2
Doch wie trainiert man eine Taube? „Der gute Orientierungssinn der Tauben ist ein Ursprungsinstinkt der Tiere. Sie orientieren sich an der Sonne und dem Magnetfeld der Erde.“ Es sei, als hätten die Vögel ein GPS-Gerät im Kopf. „Unsere Brieftauben sind durch ihre regelmäßigen Flüge schon erfahren. Eine kluge Taube nimmt auf dem Heimweg aus dem Osten einfach die A 2“, lacht er und fügt erläuternd hinzu: „Die Vögel orientieren sich an den optischen Gegebenheiten am Boden. Autobahnen, Kanäle oder Flüsse sind wie dafür geschaffen, ihnen den Weg zu weisen.“ Schwierig werde es für die Tiere nur, wenn sie mit Rückenwind einer dieser Routen folgen und „die Abfahrt verpassen“, schmunzelt der erfahrene Flugtrainer. „Dann müssen sie ein Stück gegen den Wind zurückfliegen. Das ist anstrengend und zeitraubend, aber im Grunde kein Problem.“ Den Windverhältnissen entsprechend fliege eine Taube zwischen 60 und 120 km/h.
Preise abgeräumt
Neben dem Urinstinkt und dem „Einfliegen“ der Tiere, so heißt das Training der Jungtauben, hänge vieles von der guten Selektion des Taubenvaters ab. „Wenn ein Tier alt oder nicht schnell genug ist, kommt es, salopp gesagt, in die Suppe“, so Reckmann. „Gute Reisetiere bringen bis sie etwa fünf Jahre alt sind Leistung. Für die Zucht befruchten können Tauben bis zum zehnten Lebensjahr.“ Ob Reckmann trotz der eher pragmatischen Selektion eine Lieblingstaube hat? „Ja“, gibt er lächelnd zu: „eigentlich haben meine Tauben nur die Nummern, die sie am Bein tragen. Eine habe ich jedoch auf den Namen ‚Kuckuck‘ getauft. Mein Vater hat sie vor fünf Jahren für mich gezüchtet. Weil die Muttertaube gestorben ist, hat ein anderes Weibchen das Ei ausgebrütet, so dass Kuckuck mit ihrer anderen Federfarbe aus dem Nest hervorstach.“ Außerdem sei Kuckuck mit elf im letzten Jahr eingeflogenen Preisen seine drittbeste Taube, fügt der stolze Taubenvater hinzu.
Reckmann vergleicht die Brieftauben mit Hochleistungssportlern. „Zuallererst müssen die Reisetiere die richtigen körperlichen Voraussetzungen zum Wettfliegen besitzen. Das heißt, sie müssen fit und schneller als andere sein.“ Diese Merkmale seien allein auf Veranlagung und Züchtung zurückzuführen. „Dazu kommt ein gutes Training. Die Jungtiere werden langsam an ihre Aufgabe herangeführt. Zuerst fährt man einen, dann fünf oder zehn und schließlich mehrere Hundert Kilometer vom Schlag weg. Dabei fährt man immer in eine ähnliche Richtung, die sogenannte Reiserichtung.“ Auf diese Weise prägen sich die Tauben den Weg ein. „Außerdem müssen sie, genau wie menschliche Sportler, einen ehrgeizigen Charakter haben.“ Tauben seien eigentlich Schwarmflieger. Aber ein Gewinnertyp müsse den Mut haben, kurz vor dem Schlag aus der Gruppe auszubrechen und dann fix heim zu fliegen.