Castrop-Rauxel. .

Es war der Aufreger des Frühjahres: Rund 600 geschädigte Kunden und über eine Million Euro Schaden: Im großen Stil hatten unbekannte Täter an einer Automatentankstelle an der Siemensstraße in Castrop-Rauxel im März die Daten von EC- und Kreditkarten geklaut und damit weltweit Geld abgehoben. Die Staatsantwaltschaft Dortmund hat die Ermittlungen jetzt eingestellt.

Die Station wurde von Kunden weit über die Stadtgrenzen hinaus wegen ihrer besonders günstigen Spritkurse genutzt. Über 600 Geschädigte waren die Leidtragenden der Attacke, und über eine Million Euro konnten die Gangster mit dem Skimming abzocken. Die federführende Staatsanwaltschaft Dortmund hat die Ermittlungen gegen Unbekannt eingestellt - ein Täter konnte nicht ermittelt werden. Per Brief wurden die Geschädigten, die eine Anzeige erstatteten, darüber informiert (AZ: 120 UJS 2/11).

Im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe bekräftigt Henner Kruse, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund, dass die Ermittlungen entsprechend der Tatschwere mit großem Aufwand durchgeführt wurden. Sogar eine Sonderabteilung, die in vielen Fällen immer wieder mit Erfolgen glänzte, war speziell mit der Sache befasst. Kurzum: „Wir haben alles versucht.“ Allerdings sei die Computerkriminalität ein echtes Problem, „die Leute sehr schlau“.

Geld in Südamerika und New York abgehoben

Die cleveren Gangster hatten Zapfstationen der Automatentankstelle (Zapfsäulen 2 und 5) manipuliert und so die Daten von EC- und Kreditkarten samt PIN-Code abgefischt. Eine raffinierte Vorgehensweise: Der Datenklau ging über einen längeren Zeitraum, von Anfang Februar bis Anfang März. In dieser Zeit hielten die international agierenden Verbrecher noch still. Eichhörnchenmäßig sammelten sie die Daten, um dann quasi zeitgleich Anfang März in Südamerika (u.a. Kolumbien) und in Nordamerika (u.a. New York) mit den entwendeten Bankdaten unterschiedliche Summen von den ahnungslosen Tankkunden abzuziehen. Dabei beliefen sich die einzelnen Summen auf 200 bis 4000 Euro.

Die Polizei in Castrop-Rauxel musste den Riesenandrang von geschädigten Kunden bewältigen. Foto: Joseph-W. Reutter / WAZ FotoPool
Die Polizei in Castrop-Rauxel musste den Riesenandrang von geschädigten Kunden bewältigen. Foto: Joseph-W. Reutter / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Flut von Anzeigen

Unmittelbar nach den ersten Abbuchungen an einem Märzwochenende erreichte die Polizei eine wahre Flut an Anzeigen betroffener Kunden. Das Polizeipräsidium Recklinghausen reagierte sofort. Um dem Ansturm der Geschädigten gewachsen zu sein, wurden 16 zusätzliche Beamte zur Anzeigenaufnahme nach Castrop-Rauxel abgestellt.

Hunderte von Anzeigen mussten geschrieben werden. An der Wache Erinstraße ging es zu wie im Taubenschlag. Die Erregung bei den geprellten Tankstellenkunden hielt sich trotz langer Schlange vor der Polizeiwache in Grenzen. Beamte schenkten Kaffee aus.

Geldinstitute erstatteten die abgebuchten Beträge

Die gute Nachricht: Die Geldinstitute sagten zu, dass sie die abgebuchten Beträge erstatten. Gleichwohl, Aufregung und Wartezeit blieben den Geschädigten nicht erspart.

Tankstelle ohne Aufsicht

Die betroffene Station an der Siemensstraße in Castrop-Rauxel wird vollautomatisch betrieben. Tankwart, Kassierer oder Aufsicht gibt es nicht. Die Zapfsäulen werden durch das Einschieben einer EC- oder Kreditkarte freigeschaltet. Nach dem Tankvorgang wird der fällige Betrag dann vom Konto abgebucht beziehungsweise bei Kreditkarten in Rechnung gestellt.

Nach den Skimming-Attacken wurde ein neuer Manipulationsschutz an den Tastaturen der Tankautomaten installiert: Kleine Bolzen sollen ein Vorschalten von Tastatur-Attrappen verhindern.

Auch Leserbeirat Karl Trösken gehörte zu den Geprellten, der Anzeige erstattete. „Unbekannte hatten einfach im fernen Bogota mit einer Kopie meiner Bankkarte Bargeld abgehoben. Das wollte ich mir denn doch nicht gefallen lassen und hatte mich in die Schlange von Leidensgenossen eingereiht.“

Trösken hatte natürlich gehofft, dass die Burschen, die ihm den Vormittag und die Kohle klauten, auch geschnappt würden. Doch es kam anders. „Schade, etwas ausgleichende Gerechtigkeit hätte ich mir doch gewünscht.“ Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, drum legt Trösken auch kämpferisch nach: „Aber seid euch nicht zu sicher, ihr Bandidos. Sollten sich nämlich nachträglich noch Anhaltspunkte für die Klärung der Straftat ergeben, dann werden die Ermittlungen wieder aufgenommen, schreibt die Staatsanwältin. Und darauf baue ich.“