Castrop-Rauxel. . Castrop-Rauxel. Die Alzheimer-Angehörigengruppe bietet Betroffenen die Möglichkeit des Gesprächs und des Austausches.
Die Alzheimer-Angehörigengruppe bietet Betroffenen die Möglichkeit des Gesprächs und des Austausches. Gemeinsam lernen sie damit klar zu kommen, dass ihre Angehörigen sich verändern und sie oft nicht mehr erkennen.
Sie war eine fürsorgliche, liebevolle und geduldige Frau, stets adrett gekleidet, stets freundlich. Sie war eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand. Doch dann erkrankte sie – an Alzheimer. Sie erkannte ihre Enkel nicht mehr, vergaß zu essen und zu trinken, reagierte mitunter aufbrausend bis aggressiv. Sie wusste nicht mehr, wie die Bluse zu knöpfen war, sie verließ überstürzt ihr Heim, in dem sie so lange schon lebte, weil sie nach Hause wollte. Fiktion und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart konnte sie nicht mehr unterscheiden.
„Eine Demenz erkennen, heißt, sich von einem Menschen – so wie wir ihn kannten – verabschieden zu müssen.“ Diese schmerzliche Erfahrung machen viele, doch viele verschließen auch die Augen, wollen die Erkrankung des Angehörigen nicht wahr haben oder verharmlosen sie gar.
„Nach wie vor ein Tabuthema“
„Alzheimer ist nach wie vor ein Tabuthema“, sagen Bärbel und Gerd Wawzyniak. „Man erzählt nicht gerne davon, wenn der Vater, die Mutter, der Ehepartner plötzlich abbaut.“ Denn nicht selten reagiere das Gegenüber mit Unverständnis und Ablehnung. Umso wichtiger seien deshalb Aufklärung, Information und Sensibilisierung – für die Angehörigen, aber auch für die, die nicht unmittelbar mit der Krankheit in Berührung kommen. „Da ist noch sehr viel Arbeit nötig“, so Gerd und Bärbel Wawzyniak, die sich eben dieser gesellschaftlichen Aufgabe annehmen.
Seit Mai 2000 leitet das Ehepaar aus Habinghorst die Alzheimer-Angehörigengruppe, die sich ein Mal im Monat im Bürgerhaus trifft. Bärbel Wawzyniak erhielt für ihr Engagement erst kürzlich die Ehrennadel der Stadt Castrop-Rauxel. Doch so sehr im Vordergrund stehen, das will sie gar nicht. Viel mehr will sie Angehörigen von Alzheimer-Patienten Mut machen, ihnen durch den Erfahrungsaustausch innerhalb der Gruppe den Rücken stärken, denn sie und ihr Mann wissen selbst nur zu gut, wie belastend und strapaziös ein Leben mit einem Demenzkranken sein kann, wie hilflos die Angehörigen oft reagieren.
Früher gab es kaum Aufklärung zum Thema
„Vor 15 Jahren erkrankte meine Schwiegermutter an Alzheimer“, erzählt Bärbel Wawzyniak. Überfordert von der scheinbaren Persönlichkeitsveränderung der Mutter habe ihr Mann die Erkrankung zunächst nicht wahr haben wollen, gab es damals doch kaum Aufklärung. Das Paar suchte nach Hilfe und fand diese in einer Angehörigengruppe der Diakonie, geleitet von einem Pfleger. Als dieser dann selbst aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden musste, übernahm Bärbel Wawzyniak die Funktion der Sprecherin.
Seitdem sind sie und ihr Mann für die Angehörigen da, investieren viel Zeit, beschäftigen sich intensiv mit dem Thema – aus tiefer Überzeugung. „Die Krankheit begleitet uns somit über den Tod meiner Mutter hinaus, doch sie beansprucht uns nicht mehr so sehr“, sagt Gerd Wawzyniak.
Raum für Gespräche
Er und seine Frau informieren über rechtliche Betreuung, über Medikamente und Patientenverfügungen. Und ganz wichtig: Die Wawzyniaks hören zu und bieten Raum für Gespräche, die den Angehörigen oftmals die Last nehmen und Strategien aufzeigen, wie sie mit den erkrankten Familienmitgliedern umgehen können. „Die Alzheimer-Patienten sind irgendwann in ihrer eigenen Welt“, so Bärbel Wawzyniak, „die Angehörigen aber sind ganz schlimm betroffen.“
Deshalb sei es ganz wesentlich, einen Selbstschutz aufzubauen. „Man muss zudem eine gewisse Gelassenheit erlangen“, erklärt Bärbel Wawzyniak. „Und man muss den Alzheimer-Patienten auf Augenhöhe begegnen, darf sie nicht permanent zurechtweisen.“ Förderlich sei es auch, den Angehörigen so lange wie möglich in der häuslichen Umgebung zu lassen.
„Man muss diese Krankheit annehmen“, betont das Ehepaar. „Und man muss die vielen Hilfsangebote annehmen.“ Denn Alzheimer werde künftig mit Hinblick auf den demografischen Wandel noch mehr ein Thema sein als zuvor – und hoffentlich weniger tabuisiert als bisher.