Kirchhellen. .

Ludger Wilp pflegt Brieffreundschaften, weltweit, auch übers Internet. Unter den Brieffreunden des Grafenwälders befindet sich auch ein US-Bürger aus Livingston in Texas. In Zeiten des „world wide web“ zunächst nichts Ungewöhnliches, säße sein Brieffreund nicht in einer Todeszelle: Cary Kerr. Ihm wird vorgeworfen, am 12. Juli 2001 seine Geliebte ermordet zu haben.

Seit April 2003 wartet Kerr nun in der „Death Row” auf seine Hinrichtung durch die Giftspritze. Ein kleiner Lichtblick im Leben des Cary Kerr sind die Briefe von Ludger Wilp, die er regelmäßig erhält und beantwortet. „Cary Kerr ist unschuldig”, ist Ludger Wilp überzeugt.

Nicht nur, weil Kerr das immer wieder beteuere oder weil Wilp ihn als Menschen kennen und schätzen gelernt habe, sondern auch, weil die Beweise eine eindeutige Sprache sprechen würden - die der Unschuld Kerrs. So sollen Beweise vorliegen, nach denen das Opfer vor dem Tod Verkehr mit einem anderen Mann gehabt haben soll. Und das Fahrzeug, mit dem Kerr das Opfer überfahren haben soll, habe keinerlei Spuren einer Straftat aufgewiesen.

„Es gibt noch viele andere Indizien und Beweise für die Unschuld Kerrs, so einen Menschen zum Tode zu verurteilen, ist unfassbar”, findet Wilp . Kaum ein Tag vergeht, an dem Wilp sich nicht Gedanken macht, ob es nicht eine kleine Chance gäbe, seinen Brieffreund zu retten.

Dafür investiert Wilp, der aufgrund einer Nervenerkrankung seinen Beruf als Gärtnermeister aufgeben musste, viel Zeit. Die Kontaktaufnahme zum Texanischen Gouverneur war aber bislang ebenso erfolglos wie das Hilfegesuch bei Amnesty International. „Ich fürchte, ich kann für Cary nichts mehr tun, Texas ist ein ganz schlimmer Bundesstaat”, bedauert Wilp mit leiser Stimme. Auch die Haftbedingungen seien desaströs, so würden die meisten Insassen 23 Stunden am Tag in ihrer Einzelzelle verbringen, im Gegensatz zu deutschen Gefängnissen ohne jegliche Ablenkung oder Unterhaltungselektronik.

Dreckiges Wasser und verdorbenes Essen

Für den 3. Mai 2011 ist nun die Hinrichtung angesetzt, den letzten Briefkontakt hatte Wilp im Dezember, vor der Ansetzung des Termines. „Daher weiß ich nicht, was genau Cary fühlt”, erzählt Wilp und sieht sich dabei eine Weihnachtskarte Kerrs an, unter die der angebliche Mörder sogar eine kleine, lustige Zeichnung gesetzt hat.

Einmal im Monat schreiben die beiden sich in englischer Sprache, wodurch Wilp einiges über die Haftbedingungen erfährt. So dürfen Insassen selten duschen, bekämen dreckiges Wasser, verdorbenes Essen oder keinen Strom. Wilp vermutet, dass es in Texas ohnehin nur um ein Gefühl der Machtdemonstration ginge, wenn ein Mensch zum Tode verurteilt werde.

„Bei Cary Kerr sind die Beweise doch eindeutig entlastend, sogar das Lügengebilde der Ankläger flog auf, die Geschworenen haben sich dennoch in die Irre leiten lassen”, sagt Wilp voller Unverständnis. „Kerr war einfacher Arbeiter, seine Pflichtverteidiger taten fast nichts, um zu helfen”. Ohnehin sei die Todesstrafe „abartig und menschenverachtend”, selbst dann, sollte Kerr schuldig sein. „Entscheide dich immer für das Leben, nie für den Tod”, so Wilps Grundsatz.

Auch die in unserem Land immer wieder mal aufkeimende Forderungen nach der Todesstrafe, wie etwa aktuell im Fall des kleinen Mirco, erteilt Ludger Wilp eine klare Absage: „Es gibt keine Fairness durch den Tod. Wer wagt es, über einen anderen Menschen zu richten? Und was ist mit den knapp 12 Prozent der Menschen, die unschuldig in den USA verurteilt werden und auf ihre Hinrichtung warten?” Auch dürfe man nicht vergessen, dass zum Tode verurteilte Menschen Kinder haben, denen man Vater oder Mutter nehme. Wilp ist aktives Mitglied der „ALIVE-Kampagne”, ein Bündnis gegen die Todesstrafe, das sich auch für Cary Kerr einsetzt. Ludger Wilp will Straftaten keineswegs verharmlosen, wie er betont. „Eindeutig schuldige Mörder gehören lebenslang ins Gefängnis. Aber die Todesstrafe ist unmenschlich, man kann niemals Gleiches mit Gleichem vergelten”.

Vegetarierer setzt sich auch für Tierschutz ein

Neben Brieffreundschaften zu verurteilten Todeskandidaten setzt sich Wilp auch für den Tierschutz ein. Er rät beispielsweise zur Meidung von Delfinarien in Zoos, „das ist Tierquälerei! Man muss sich überhaupt vor Augen führen, wieviel Leid der Mensch den verschiedensten Tieren zufügt. Vor allem natürlich bei der Fleischproduktion, aber auch bei Tieren, die uns zur Unterhaltung dienen – es ist oft nichts anderes als bestialischer Mord”, befindet der Vegetarier.