Kirchhellen. Im Dorf beginnt die Spargelernte. „Jetzt explodiert die Arbeit“, sagt Landwirt Jörg Umberg. Aber die Erntehelfer sitzen wegen des Coronavirus fest.

Seit drei Tagen ist Landwirt Jörg Umberg im Krisenmodus. Jetzt beginnt die Spargelernte. Aber seine Erntehelfer aus Rumänien sitzen fest, seitdem Europa wegen des Coronavirus an den Grenzen die Schlagbäume herunter gelassen hat.

Mittwoch früh hätten sich seine Leute aus Rumänien in Bussen auf den Weg machen sollen. Doch ihr Weg nach Deutschland ist versperrt. Das betrifft alle möglichen Transitwege, ob über Polen, Tschechien, Österreich oder Italien. Jetzt ist Umberg gerade dabei, Flugtickets zu buchen. Nicht das kleinste Problem dabei: Für einen Flug etwa von Cluj nach Deutschland haben sich die Preise in den letzten drei Tagen fast verzehnfacht.

Jetzt drängt die Zeit

Im Moment kommt Umberg noch halbwegs klar, sagt er: „Aus Polen sind zwölf Leute durchgekommen.“ Doch mit dem wärmeren Temperaturen reift der Spargel schnell. Diese Woche hat der Vitaminkorb den ersten Spargel aus beheizten Folientunneln im Angebot. Umberg: „Wir haben aber jetzt draußen auch den ersten Spargel.“

Und der muss vom Feld. Und dafür brauchen die Bauern schnellste und unbürokratische Hilfe von der Politik. „Die Dringlichkeit der Nachricht ist angekommen“,ist dazu sein Eindruck.

Telefonkonferenzen mit der Ministerin

Das sieht auch Hubertus Beringmeier so, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes WLV und Landwirt aus Hövelhof-Espeln (Kreis Paderborn). „Unsere Spargel- und Erdbeerbauern haben viele langjährige Mitarbeiter aus Rumänien und Polen. Durch Corona treibt die Betriebsleiter die Sorge um, dass viele von ihnen in diesem Jahr nicht nach Deutschland kommen werden. Im Gespräch mit NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser habe ich die verschiedenen Möglichkeiten erörtert, die kurzfristig umgesetzt werden sollen. Wir haben uns auch darauf verständigt, in kurzen Abständen Telefonkonferenzen durchzuführen, um die drängenden Fragen für die hiesige Landwirtschaft ohne hohen bürokratischen Aufwand zu klären“, sagt Beringmeier. „Wir müssen auch quer denken und Alternativen – etwa durch Arbeitskräfte aus anderen Branchen oder Selbstpflücke auf den Feldern – nutzen, um den Weiterbetrieb der Landwirtschaft zu sichern.“

Bleibt die Frage nach dem Absatz

Wenn die Erntehelfer hier sind, ist erst einmal die Produktionssicherheit gerettet für die Spargelernte. Aber was ist mit dem Absatz? Umbergs Prognose ist da pessimistisch. „Die Gastronomie und ihre Zulieferer sind bei den jetzigen Einschränkungen als Abnehmer tot. Und ob die großen Handelsketten jetzt mal wegkommen von der Parole Billig, billig, billig bei den Lebensmitteln, wird man sehen müssen“

Wegen des Mindestlohns, vor dessen Umsetzung in der Landwirtschaft Umberg immer gewarnt hat, haben viele Betriebe in den vergangenen Jahren in Technik investiert. „Wir haben alle keine Rücklagen bilden können“, sagt Umberg und Prophezeit: „Es wird Betriebsschließungen geben. Und dann stellt sich irgendwann die Frfage nach der Sicherheit der Lebensmittelversorgung.

Funktionär beruhigt: Versorgung ist gesichert

So weit will Bauernfunktionär Beringmeier noch nicht gehen. Die Hamsterkäufe der letzten Tage hätten die zentrale Bedeutung der Landwirtschaft gezeigt: Als Lebensmittelproduzenten stellten Landwirtinnen und Landwirte in Westfalen-Lippe täglich sicher, dass die Supermarktregale und Hofläden mit frischen regional produzierten Produkten gefüllt seien.

„Mitten in der Krise gibt es aber auch gute Nachrichten“, sagt Beringmeier. Zuerst möchte ich die Sorge nehmen, dass in Kürze zu wenig Lebensmittel zur Verfügung stehen könnten. Bei Weizen, Kartoffeln, Zucker, Käse, Milch und Schweinefleisch liegt der deutsche Selbstversorgungsgrad beispielsweise deutlich über 100 Prozent. Wir arbeiten – unabhängig von Klimawandel oder Wirtschaftskrise – 366 Tage im Jahr auf unseren Höfen und Feldern und in den Ställen, denn unsere Tiere müssen gefüttert werden und unsere Ernten können wir nicht verschieben.“

Aber natürlich setze die Sicherstellung der Versorgung für die landwirtschaftlichen Betriebe sowie den vor- und nachgelagerten Bereich voraus, dass Betriebsleiter und Mitarbeiter gesund seien, um den Tätigkeiten weiterhin wie bewährt nachzugehen. „Auch auf den Höfen muss der Personenkontakt auf ein Minimum reduziert werden, Hygienemaßnahmen müssen streng und sorgfältig umgesetzt werden.“ Wichtig sei, dass jeder einzelne Landwirt die Empfehlungen der Regierung annehme und konsequent umsetze.

Die Spargelsaison

Die Spargelsaison ist stark vom Wetter abhängig. In diesem Jahr wird sie nach Einschätzung des Verbands früher beginnen als Mitte April.

Den ersten Spargel in großen Mengen ernten traditionell die Bauern in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland, weil der Südwesten Deutschlands sonniger und wärmer ist.

Die Spargelsaison endet am Johannistag, dem 24. Juni. Danach treibt die Pflanze das „Spargelkraut“ aus. Rund 100 Tage bis zum ersten Frost braucht die Wurzel, um Energie für das nächste Frühjahr zu produzieren und einzulagern.