Bottrop. Tina Große-Wilde (Dehoga) bangt um Bottroper Betriebe. Stefan Bertelwick vom Gasthof Berger findet schrittweise Einschränkungen sinnlos.
Wie sehr die heute noch einmal verstärkten Corona-Auflagen die Gastronomie in der Stadt treffen wird, vermag sich noch niemand vorauszusagen. Fest steht nur: Die Verluste werden hoch sein. Wie viele Betriebe das überhaupt überleben werden, steht in den Sternen. „Für uns und unsere Häuser wird die Situation immer dramatischer“, sagt Tina Große-Wilde. Sie betreibt nicht nur das gleichnamige Bottroper Traditionshaus mit Hotel und Restaurant auf dem Eigen, sondern gehört auch dem Präsidium des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga für Westfalen an.
In Bottrop schließen die ersten Betriebe nach den neuesten Verfügungen (Öffnungszeiten nur bis 15 Uhr) bereits für einige Wochen komplett. Die Kosten laufen davon, Gäste können nicht mehr kommen. „Im Grunde ist das auch finanziell längst nicht mehr zu schaffen, Restaurants leben vom täglichen Geschäft, man kann nicht mal vor- oder nachproduzieren“, so Große-Wilde. Sie steht in ständigen Austausch mit dem Dehoga.
Dort arbeite man auf Hochtouren mit staatlichen Stellen daran, wie zum Beispiel schnell Überbrückungsregelungen für die Gastronomie, vor allem auch Rettungsfonds für kleine Unternehmen, geschaffen werden können. „Eine nachdrückliche Bitte von uns allen an die Politik“, so Tina Große-Wilde.
Das Virus richtet sich nicht nach Öffnungszeiten
Was Stefan Bertelwick vom Gasthof Berger, sicher einer der großen Betriebe in Bottrop und bekannte Restaurant-Adresse, ärgert, ist die Salami-Taktik bei den Verordnungen zur Eindämmung des Coronavirus. „Es hätte längst einen kompletten Shutdown geben müssen wie in anderen Nachbarländern auch, denn wenn das Virus so gefährlich und hochansteckend ist, ist es unerheblich, ob ein Lokal mittags öffnen darf und früh am Abend schließen muss“, so der Koch und Inhaber des Traditionshauses in Feldhausen.
20 Gäste im Laden, ein „Gästebuch“ zur Nachverfolgung möglicher Infizierungsketten oder zwei Meter Abstand bei den Tischen: Geschenkt. Überkreuzungen, spontane Kontakte gebe es immer. Eine angeordnete Komplettschließung wäre eine konsequente Maßnahme gewesen, auf die sich Kunden wie Betreiber von Gaststätten hätten einstellen können. So plane man für eine Teilöffnung, die dann noch mehr Verluste bringe. Denn: „Wir müssen ja gerade in einer Frischeküche täglich Zutaten kaufen, wenn da aber 20 Kilo Winterkabeljau liegen bleiben, kommt der Verlust noch obendrauf“, sagt Bertelwick.
Das Menükarussell geht gerade den Bach herunter
Für ihn und viele andere Kollegen mit dem gerade laufenden Menükarussell ist die Situation besonders prekär. Das könne man nicht einfach auf mittags legen und um 18 Uhr dichtmachen. „Wer kann da schon?“ So empfinde er wie auch viele Kollegen die staatliche Ansage, die Restaurants und Cafés bleiben geöffnet, aber bitte geht da möglichst nicht hin, als nicht konsequent. „Lange durchhalten kann man das ohnehin nicht, nirgendwo ist die Finanzdecke so dünn wie in der Gastronomie und auf Vorrat halten und Verluste später wieder reinholen, das geht nicht“ so der Wirt. Stefan Bertelwick hat 40 fest angestellte Mitarbeiter, die er durchbezahlen muss - und will. Dazu kommen 20 Aushilfen. Einen Monat, zwei Monate: Was dann wird, weiß er auch nicht.
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Nachbarschaftshilfe in Bottrop
Auf die Zusagen staatlicher Hilfen baut Bertelwick zunächst nicht. Die Ausfälle kann er schon beziffern: Gut 30 Karussell-Menüs pro Abend à 60 Euro, plus das normale Geschäft. Abgesagte Kommunionen und Konfirmationen („Da waren wir ausgebucht“), Hotelgäste zum Beispiel der Essener Oldtimermesse Techno Classica, die Beerdigungen, bei denen die Leute verunsichert sind, wen sie überhaupt einladen können. Das sei oft auch eine emotionale Katastrophe, die der Feldhausener jetzt mehrfach erlebt hat.
Kleiner Betrieb, kleine Sorgen? Generell trifft dies nicht zu. Panagiota Triantafillu vom Berliner-Platz-Grill in der City ging Montagabend noch von 20 Uhr als Sperrstunde aus. Jetzt überstürzen sich die Anordnungen. Zwei von ihren vier Tischen hat sie bereits „gesperrt“, eine Gästeliste liegt aus für Kunden, die ihre Gerichte nicht mitnehmen, das Besteck für die „Sitzgäste“ reicht sie nur noch eingewickelt über die Theke. „Mehr geht nicht, aber wir müssen auch respektvoll mit der Situation umgehen.“ Ihre Mutter nickt. Sie hat den Grill vor 38 Jahren eröffnet.
Sehr lange hält das niemand durch
Weniger Kunden, der Partylieferservice sei bereits um die Hälfte eingebrochen und es werde täglich weniger. Zwei bis drei Monate, das könne sie durchhalten. „Aber ein Neueinsteiger in diesem Segment oder ein Abendrestaurant mit viel aufwändigerer Küche?“ Panagiota Triantafillu schüttelt den Kopf. Das wird schwierig.
Infos für Gastronomen
Gastronomen können sich über aktuelle Entwicklungen beim Dehoga-Bundesverband oder beim Verband Dehoga-Westfalen informieren. In Bottrop haben erste Lokale wie Forsthaus Specht aber auch die Gaststätte Hürter in der Innenstadt ab sofort für die nächsten Wochen geschlossen. Andere, wie etwa der Bahnhof Nord, überlegen noch.