Bottrop. . Schon für Kinder gehören Computerspiele, Internet und soziale Netzwerke zum Alltag. Mitunter kommt es zur Sucht. Die Jugendhilfe rät zu guter Medienkompetenz. Eltern und Lehrer sollten sich für das, was Kinder am Rechner tun, interessieren. Verbote und Bevormundung sind der falsche Weg.

Sie heißen „Harveys neue Augen“, „The next big Thing“, „Full Pipe“ oder „A new beginning“. Computerspiele und soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter & Co gehören für Kinder und Jugendliche längst zum ganz normalen Alltag. Auch für Hausaufgaben und Referate surfen die Mädchen und Jungen schon im Grundschulalter durchs Internet. Zwölf- bis 19-Jährige nutzen laut einer Studie das Internet täglich für rund 138 Minuten. „Da die virtuelle Welt inzwischen Teil unserer realen Welt ist, ist es schwierig die Grenzen zur Abhängigkeit zu erkennen“, erklärt Dr. Jürgen Friedrichs, Leiter der Jugendhilfe Bottrop.

Während die traditionelle Glücksspielsucht an Automaten inzwischen eher rückläufig ist, gibt es für die davon Abhängigen immerhin eine anerkannte Diagnose. Das ist bei der Abhängigkeit von Computerspielen und Internet nicht gegeben und auch schwierig. „Computer stehen heutzutage in jedem Haushalt und sind schon für kleine Kinder zugänglich“, so Joachim Jahry, zuständig für die Präventionsarbeit der Jugendhilfe. „Die Vorlieben sind dabei abhängig von Alter und Geschlecht.“ So mögen Mädchen vor allem den Austausch in sozialen Netzwerken wie Facebook, stellen dort Bilder und Filme ein. Jungen mögen dagegen eher die Kampf- und Ballerspiele - Ego-Shooter genannt.

Depressive Verstimmungen und Drogenkonsum

„Wann das Spielen und Surfen im Netz zur Sucht wird, ist quantitativ nicht zu messen“, stellt Friedrichs fest. „Und nur selten kommt es zu wirklich extremen Ausformungen, wobei die Übergänge jedoch fließend sind.“ Und wenn sich eine Abhängigkeit von Computerspielen und Internet zeige, so seien häufig auch andere Probleme damit verknüpft - wie depressive Verstimmungen, Perspektivlosigkeit oder auch Drogenkonsum.

Problematisch wird die Vorliebe für Internet und Computerspiele dann, wenn der normale Alltag darunter leidet, wenn Kinder und Jugendliche sich von Freunden und Familie zurückziehen, ihr Leben vollständig auf die virtuelle Welt ausrichten, Schule, Hausaufgaben und Aufgaben in der Familie über einen längeren Zeitraum vernachlässigen oder gar vergessen.

Neues ausprobieren

„Grundsätzlich muss man aber sehen, dass für Jugendliche in der Pubertät ein Individualisierungsprozess beginnt. Sie probieren phasenweise Neues aus, ihre Prioritäten ändern sich und Reibereien mit den Eltern sind oft an der Tagesordnung“, so Friedrichs. „Zudem haben Jugendliche im Umgang mit dem Computer einen technischen und kommunikativen Vorsprung vor ihren Eltern, während diese mit dieser Welt fremdeln.“

Damit der Umgang mit dem Computer, mit Spielen, sozialen Netzwerken und Internet nicht zum Problem wird, raten die Experten von der Jugendhilfe gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen eine gute Medienkompetenz aufzubauen. „Das erreicht man auf keinen Fall durch Verbote und Bevormundung“, warnt Jahry. Stattdessen sollten sich Eltern und Lehrer für die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen interessieren. „Man muss nicht mitspielen, aber es ist wichtig, den Wissensvorsprung zu akzeptieren, das Andersartige zu verstehen und zu verstehen, was den Nachwuchs an Internet und Co fasziniert.“ Hilfreich sei zudem, Kindern und Jugendlichen Alternativen in der Freizeit zu bieten, beispielsweise Aktivität in Sportvereinen oder Musikschulen.