Essen/Bottrop. . Agim W. muss für zwölf Jahre ins Gefängnis, weil er seiner Ex-Partnerin und ihrem Bruder im April auf dem Aldi-Parkplatz in Boy in den Kopf schoss. In der Verhandlung am Landgericht Essen beschrieb der Richter die Tat als “kaltblütig“ und “grausam“.
„Hinrichtungscharakter, kaltblütig, grausam“ – der Essener Schwurgerichtsvorsitzende Andreas Labentz sparte am Dienstag nicht mit eindeutigen Worten, um die brutale Attacke von Agim W. (34) zu beschreiben. Zwölf Jahre muss der Angeklagte aus Ahaus ins Gefängnis, weil er seiner Ex-Partnerin und ihrem Bruder am 2. April auf dem Aldi-Parkplatz in Boy in den Kopf schoss.
Auf versuchten Totschlag in zwei Fällen erkannte das Gericht. Ebenso hatte Staatsanwältin Birgit Jürgens den Fall juristisch gewertet. Lediglich Nebenklageanwalt Andreas Perner, der die Ex-Partnerin vertrat, hatte die brutale Attacke als versuchten Mord gewertet und eine höhere Strafe gefordert. Doch das Gericht sah das Mordmerkmal „Heimtücke“ nicht erfüllt, weil das Opfer wegen der vielen Todesdrohungen im Vorfeld nicht arglos gewesen sei.
Agim W., ein Mann mit zwei Gesichtern. So, wie er am Dienstag im Gericht über sein Leben sprach, saß da ein kultivierter, seine Worte bewusst wählender Mann, der fast akzentfrei Deutsch spricht und sein Leben lang als Schreiner und Maschinenführer gearbeitet hat. Nichts wird von der Besessenheit deutlich, mit der er auf die Trennung durch seine 33 Jahre alte Lebensgefährtin reagierte. Drei Kinder hat das Paar, doch das Zusammenleben mit Agim W. muss für die Frau unerträglich geworden sein.Im Dezember 2010 geht sie mit den Kindern zunächst ins Frauenhaus. Anfang des Jahres kommt sie auf Vermittlung ihres in Bottrop lebenden Onkels nach Boy, bezieht dort eine eigene Wohnung.
Doch Agim W. lässt sie nicht in Ruhe, spürt sie auf. Der Ältestenrat der aus Mazedonien stammenden Familien versucht, die Lage zu beruhigen, doch Agim W. beugt sich dem Votum offenbar nicht. Am 2. April steht er mit seinem Auto auf dem Aldi-Parkplatz an der Gungstraße. Als seine frühere Partnerin mit ihrem Bruder den Supermarkt verlässt gibt er Vollgas, trifft mit mindestens 35 km/h auf die beiden und ihren Einkaufswagen. Dass er nur reden wollte und die Frau mit dieser Aktion am Gehen hindern wollte, wie er sagt, nimmt das Gericht ihm nicht ab. Labentz: „Die Zeit zu reden war vorbei. Das war die Umsetzung der früheren Androhungen, sie zu töten.“
Der Richter sieht ein „Hinrichtungsszenario“: Nach der Kollision steigt Agim W. aus dem Wagen. Mit vorgehaltener Pistole packt er die flüchtende Frau, schießt ihr in den Kopf. Den zur Hilfe herbei eilenden Bruder schießt er auch in den Kopf. Beide werden in Notoperationen gerettet.
Der psychiatrischen Gutachterin Maren Losch gilt der Angeklagte, der sich von ihr nicht untersuchen ließ, als voll schuldfähig. Anzeichen einer narzisstischen Persönlichkeit sieht sie allerdings, spricht von arroganten Zügen. Opfer-Anwalt Perner warf ihm vor, seine Partnerin „beherrscht und unterdrückt“ zu haben.