Bottrop.

Das königliche Rührstück in London lässt man sich am Freitag gern zu Herzen gehen. Eine Kundin im Friseursalon an der Scharnhölzstraße spricht aus, was nicht nur deutsche Royalisten beim Anblick von Kate und William empfinden: „Man findet die beiden ja so sympathisch“, sagt Katrin Kaspari.

Ihre Haare sind noch im Rohzustand, ihr Styling unterscheidet sich daher eklatant von den vollendeten Frisuren, die sich auf dem Bildschirm unter ausladenden Hüten in der Westminster Abbey erahnen lassen. Aber Katrin Kaspari liegt ganz entspannt im Stuhl, spielt Zaungast und hat beste Sicht - nein, sie möchte mit niemandem in der Abbey tauschen, und einen Mann hat sie auch schon - zumindest standesamtlich geheiratet.

Wie die übrigen Kundinnen wendet sie den Blick nicht von den in die Wand eingelassenen Bildschirmen ab, auf dem nach ordensgeschmückter Männerbrust nun in der Totalen die voll besetzten Stuhlreihen in der Westminster Abbey erscheint. Die Menschenmenge gibt Anlass zu praktischen Überlegungen: „Wie kann man die Gäste nur alle auseinander halten?“ Es bleibt offen, ob das Mitleid dem Brautpaar oder den TV-Kommentatoren gilt.

Im Jahreslauf stehen die Hochzeitmonate bevor

Die Bottroperin heiratet im August kirchlich, in ihre Neugier auf das Brautkleid mischt sich Vorfreude. Sie lässt sich gern faszinieren, genießt Prunk, Pomp und Etikette. Wer rollt jetzt vor? „Das sind die Töchter von Fergie“, erkennt Katrin Kaspari. Die Hutmodelle der beiden stämmigen Damen findet sie ein wenig gewagt.

Friseurmeister René Kuhn interessieren weniger die Hüte als das womöglich stilprägende haarige Untendrunter. Im Jahreslauf stehen die Hochzeitmonate bevor. Wenn Kates Frisur nicht zu ausgefallen ist, werden manche Kundinnen bald mit einem Kopf wie Kate vor den Traualtar treten wollen, und dann ist Kuhn gefordert.

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Von DerWesten

Später wird er erfahren, dass der noch-bürgerliche Star der königlichen Hochzeit das braune Haar schlicht und lang trägt. Seine Mitarbeiterinnen zollen dem britischen Königshaus farblich Tribut: Jennifer Baltrusch trägt zum roten Kleid blaue Strümpfe, das noch fehlende Weiß der britischen Fahne muss ein Paar heller Thrombosestrümpfe ersetzen. Die Perfektion des Outfits überlässt die 24-Jährige neidlos der Hochzeitgesellschaft auf dem Bildschirm.

„Sie sieht traumhaft aus.“ Stefanie Ortmann und Christina Stratmann vergeben für Kates Erscheinungsbild die Bestnote. Seit 9 Uhr morgens läuft der Fernseher in der Wohnung an der Sterkrader Straße, die Freundinnen wollen sich keine Szene entgehen lassen, aber die temperamentvollen Töchter Julia (10), Lina (8) und Lisa (7) bringen diesen Vorsatz oft ins Wanken. Natürlich sind die Bottroperinnen sattelfest in Familienkunde: „Jetzt kommt Pippa!“ Die Schwester der Braut trägt die Schleppe, es beginnt der Marsch durch die Kirche. „Wie lang laufen die denn?“ Der Weg zum Altar zieht sich hin. Christine Stratmann entdeckt Elton John in der Menschenmenge, die Perspektive gewährt auch freien Blick auf Williams sich lichtende Haare und Bruder Harrys Haupt: Er könnte besser frisiert sein, meinen die Freundinnen.

„Das ist doch eine Last auf ihren Schultern“

„Auf keinen Fall“ wollen sie mit Kate tauschen. „Das ist doch eine Last auf ihren Schultern. Wirklich privat bleibt nichts mehr.“ Das Jawort rückt näher. Christina Stratmann lokalisiert über der Augenbraue der Braut einen Pickel. Die Freundin widerspricht. Beide loben das Kleid der Braut, die ihrem William nun angetraut ist, als schön und schlicht. Die Bottroperinnen stoßen mit Sekt an. Und ein bisschen identitätsstiftende Monarchie, überlegt Christina Stratmann ernsthaft, täte Deutschland ganz gut.