Bottrop. Laut einem TV-Magazin dürfen Notfallsanitäter in Bottrop besonders wenige Medikamente selbstständig geben. Was die Feuerwehr dazu sagt.

  • Laut Recherchen des ARD-Magazins „Report Mainz“ gibt es bundesweit große Unterschiede dazu, wie viele Medikamente Notfallsanitäter ohne Hinzuziehung eines Notarztes geben dürfen.
  • Im Rettungsbezirk Nordfriesland sind es 38 – in Bottrop aktuell nur eines
  • Die Bottroper Feuerwehr erklärt die Hintergründe – und warum sich hier trotzdem niemand im Falle eines Notfalls Sorgen machen sollte

Im Rettungsbezirk Nordfriesland sind für Notfallsanitäter 38 Medikamente freigegeben, die sie verabreichen dürfen, ohne dass ein Notarzt hinzugerufen werden muss. In Bottrop ist es nur ein Medikament, stellte das ARD-Magazin „Report Mainz“ jüngst bei Recherchen zu den bundesweiten Unterschieden bei der Behandlung durch Notfallsanitäter fest. Warum ist das so? Und was bedeutet das für die Rettungseinsätze bei uns? Bottrops Feuerwehrsprecher Michael Duckheim klärt auf.

Wichtig ist ihm, dies deutlich zu machen: „Die Notfallsanitäter in Bottrop dürfen durchaus auch jetzt schon eigenständig Medikamente geben, wenn der Notarzt noch auf der Anfahrt ist. Braucht der Patient oder die Patientin also dringend ein bestimmtes Notfallmedikament und der Notarzt ist noch nicht vor Ort, dürfen bestimmte Medikamente schon verabreicht werden.“ Sechs seien diese an der Zahl.

Bottrop: Disponent entscheidet, ob zum RTW auch der Notarzt alarmiert wird

Erkennt bei einem Notruf zum Beispiel der Disponent in der Leitstelle anhand der Beschreibung, dass es sich um eine bewusstlose Person handelt, alarmiert er, so wie es laut Duckheim bei Bewusstseinsverlust immer der Fall ist, Rettungswagen (RTW) und Notarzt. Muss nun möglicherweise der Notarzt aus Oberhausen angefordert werden, weil die Bottroper Notärzte alle bereits im Einsatz sind, werde der RTW einige Minuten vor dem Oberhausener Notarzt an der Einsatzstelle sein und mit den Untersuchungen beginnen. Stelle der Notfallsanitäter dann fest, dass der Patient keinen Kreislauf mehr hat, werde sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen.

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Duckheim weiter: „Der Notfallsanitäter legt dem Patienten einen intravenösen Zugang und verabreicht ihm Adrenalin, ein Notfallmedikament, das bei Herzstillständen und allergischen Schocks angewendet wird. Dies ist in diesem Fall rechtlich einwandfrei, da der Notarzt ja bereits alarmiert ist. Es entsteht bei der Medikamentengabe also kein Zeitverzug dadurch, dass der Notarzt später eintrifft.“ Gleiches ist möglich, wenn erst vor Ort festgestellt wird, dass ein Notarzt erforderlich ist und dieser sofort angefordert wird – noch bevor etwa das Adrenalin durch den Notfallsanitäter verabreicht wird.

„Rechtlich nicht einwandfrei wäre es momentan, wenn der Notfallsanitäter einem Patienten, der beispielsweise einen allergischen Schock erlitten hat, Adrenalin verabreicht und anschließend mit diesem ohne Notarztnachforderung ins Krankenhaus fährt. Dies dürfte er erst, wenn das Medikament durch den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst für diese Situation freigegeben wurde“, erläutert Duckheim weiter.

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Grundsätzlich werde ein Notarzt immer mitalarmiert, wenn der Disponent in der Leitstelle davon ausgeht, dass eine lebensbedrohliche Situation vorliegt. Dazu gehören laut Duckheim unter anderem Bewusstseinsverluste, Herzinfarkte, Knochenbrüche (Gefahr der inneren Blutung), Geburten, unstillbare Blutungen. „Zudem werden Notärzte mitalarmiert, wenn von vorneherein klar ist, dass Medikamente verabreicht werden müssen.“ Wie etwa bei einer Unterzuckerung.

Zur Gabe gänzlich ohne Hinzuziehung eines Notarztes ist in Bottrop aktuell tatsächlich nur ein Medikament freigegeben, bestätigt der Feuerwehrsprecher, das sei eine Vollelektrolytlösung zur Infusion. Über die jeweilige Freigabe entscheide der ärztliche Leiter jeder einzelnen Gebietseinheit. In Bottrop sei da aktuell etwas in Bewegung. Die Freigabe weiterer Medikamente werde durch den ärztlichen Leiter überprüft.

Künftig weiterhin ausschließlich Ärzten und Ärztinnen vorbehalten sein werden demnach aber auf jeden Fall Gegengifte oder einige Narkosemedikamente. „Dazu gehören beispielsweise sogenannte Muskelrelaxantien, die bei einer vorklinischen Notfallnarkose benötigt werden.“

„Im Ruhrgebiet ist die Versorgungslage, was Notärzte angeht, sehr gut“

Michael Duckheim weist mit Blick auf die eingangs beschriebenen bundesweiten Unterschiede zudem auf diesen Punkt hin: „Im Ruhrgebiet ist die Versorgungslage, was Notärzte angeht, sehr gut.“ Man hilft sich über die Stadtgrenzen hinweg. Deshalb sei das Thema vielleicht nicht ganz so akut wie in einem Landkreis, wo grundsätzlich länger auf einen Notarzt gewartet werden müsse.

Dazu komme eine gute Erreichbarkeit der Krankenhäuser; in zehn bis 15 Minuten seien innerhalb Bottrops Marienhospital und Knappschaftskrankenhaus anzufahren, in 20 bis 30 Minuten, wenn es sein muss, die Krankenhäuser in der Umgebung. „Das ist in großen Landkreisen nicht so gegeben“, meint Duckheim.

Dennoch sei die Medikamentenfreigabe schon ein wichtiges Instrument. Eine bundesweite Regelung für die medikamentöse Ausstattung indes sehe der Ärztliche Leiter in Bottrop kritisch, u.a. aufgrund regionaler Unterschiede in der Häufung spezifischer Erkrankungen. „Im Ruhrgebiet spielen Lungenkrankheiten eine große Rolle“, nennt Duckheim ein Beispiel.

Im Übrigen verweist der Feuerwehrsprecher darauf, dass es die Notfallsanitäter noch nicht so lange gebe, „die Ausbildung gibt es seit 2014“. „Was ein Notfallsanitäter machen darf – und was nicht – das hat sich in den letzten Jahren auch noch entwickelt“, stellt Duckheim fest. Und: Bei der Bottroper Feuerwehr gebe es erst seit drei Jahren einen Ärztlichen Leiter mit einer halben Stelle, zuvor sei jeweils jemand aus dem Krankenhaus für diese Aufgabe gestellt worden. Manche neuen Entwicklungen vollzögen sich jetzt deshalb schneller.