Bottrop-Kirchhellen. Radler und Fußgänger stehen und staunen: Was fährt denn da? Am Brabecker Feld testet Landwirt Philipp Maaßen einen neuen Sä- und Hackroboter.

Sä-Roboter sind in der Landwirtschaft schon länger im Einsatz. Aber dieser hier schafft mehr als nur die Aussaat. Wenn der „Farmdroid 20“ kann, was seine Erfinder versprechen, wird er auf dem Acker von Philipp Maaßen am Brabecker Feld den Winterzwiebeln das Unkraut von der Knolle halten, ganz ohne Chemie und schwere Handarbeit. Ein Hingucker ist das Teil allemal: Auf der Brücke über die A31 schauen Radler wie Fußgänger zu, wie der 950 Kilo schwere „Farmdroid 20“ seine Bahnen zieht. Landwirt Maaßen überlegt ernsthaft: „Vielleicht sollten wir ein Erklärschild aufstellen.“

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Die dänischen Tüftler des Startups „Farmdroid“ haben den Roboter eigentlich für die Aussaat und Pflege von Zuckerrüben konstruiert. Die Idee, Aussaat und Unkrautbekämpfung komplett zu automatisieren und so Agrarchemie und Arbeitsstunden zu sparen, funktioniert aber auch mit anderen Feldfrüchten, sagt Benedikt Rehring. Er hat sich beim genossenschaftlich organisierten Agrarkonzern „Agravis Raiffeisen“ auf das so genannte „Smart Farming“ spezialisiert.

120 Roboter in Deutschland – einer in Bottrop-Kirchhellen

Auf einer Musterfarm in der Lüneburger Heide hat das Unternehmen getestet, wie der Roboter klar kommt etwa mit Salat, Kräutern, Spinat oder Petersilie. Rund 120 solcher Roboter hat Agravis deutschlandweit schon im Einsatz, einen jetzt auch auf Philipp Maaßens Zwiebelfeld an der A31. Hier lautet die Frage nicht mehr: Kann der Roboter das? Sie heißt jetzt: Rechnet sich das?

Deckel hoch, Zwiebeln rein: Landwirt Philipp Maaßen (rechts) und Verkaufsberater Benedikt Rehring füllen im Bauch des Roboters Saatgut nach.
Deckel hoch, Zwiebeln rein: Landwirt Philipp Maaßen (rechts) und Verkaufsberater Benedikt Rehring füllen im Bauch des Roboters Saatgut nach. © Kai Süselbeck

Der Clou des Roboters: Er kommt ganz ohne Kameratechnik aus und löst seine Aufgaben mit hochauflösender GPS-Technik. „Wir messen das Feld einmal ein und geben dem Roboter vor, in welchen Abständen und wie tief er säen soll“, beschreibt Rehring. Das können andere Roboter zwar auch. Aber der „Farmdroid“ merkt sich im Wortsinn die Position jedes einzelnen Saatkorns und kann so später präzise zwischen und in den ausgesäten Reihen das Unkraut an der Wurzel packen.

Und: Gespeist werden die beiden Elektromotoren von Akkus, die mit der Photovoltaik aus dem Dach aufgeladen werden. Im Idealfall kann der Roboter so rund um die Uhr arbeiten. Und in der Praxis? „Wir haben im Hochsommer mal den Versuch mit Grünkohl gemacht“, sagt Rehring. „Da ist der Roboter bis morgens um sechs gelaufen und hat um sieben schon weiter gemacht, weil die Sonne stark genug war.“ Aber natürlich gibt es auch Zusatzakkus, die der Bauer auf dem Hof laden kann.

Exakte Bahnen am Kirchhellener Feld: „So präzise lenken kann kein Mensch“

„So präzise lenken kann kein Mensch“, sagt Rehring, während der „Farmdroid“ seine Bahnen zieht und bei jedem Klack eine Portion Saatgut in den Acker schickt. Stimmt, sagt Maaßen und schaut auf die Wendespuren der Reifen, die exakt auf einer Höhe liegen. Allerdings: Wirklich schnell ist der Roboter nicht: Er schafft zwischen 450 und 950 Meter die Stunde. Auf Maaßens rund fünf Hektar großem Zwiebelfeld sät der Roboter zwei Tage lang. Das erste „Blindhacken“ nach der Aussaat, das verhindern soll, dass sich überhaupt Unkraut ansiedelt, „das schafft der Roboter an einem Tag“, verspricht Rehring.

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Für richtig große Kulturen wie Maisfelder rechnet sich der Roboter eher nicht, sagt Ralf Bornemann, Geschäftsführer von Agravis Technik Münsterland-Ems. „Wir besetzen damit eine Marktnische als Teil unseres Nachhaltigkeitsprojektes.“ Der 90.000 Euro teure Roboter mache Sinn „für Biobetriebe, aber auch für konventionelle Landwirte“. Genau das soll der Einsatz des Mietgerätes am Brabecker Feld beweisen.

Und wenn der Roboter diesen Job gut macht, darf er mit den Zucchinis weitermachen. Wenn es im April oder Mai an die arabischen Zucchinis geht, die Maaßen in Kirchhellen anbaut, verspricht ihm Rehring: „Das erspart viele Handarbeitsstunden.“ Und den Einsatz von Pflanzenschutz, der auch immer teurer wird. Das Umrüsten des „Farmdroids“ von Zwiebeln auf Zucchini geht für den Bauern denkbar einfach. Maaßen schickt Proben seines Saatgutes nach Dänemark. Dort produziert das Team von „Farmdroid“ im 3-D-Drucker die passenden Säscheiben und schickt sie nach Kirchhellen.