Bottrop. Die Diakonie und der Bottroper Judoclub (JC) 66 bieten gemeinsam ein Selbstbehauptungstraining. Schon nach vier Wochen sind Erfolge zu sehen.

Flo ist gerade sehr stolz. Obwohl einen Kopf kleiner und behindert, hat er soeben seinen Übungsleiter Benjamin Mlynek auf die Matte geworfen, und ein Weltmeister lobt ihn dafür. „An diesen Erfolgen wachsen unsere Klienten“, sagt Bernadette Walochnik vom Diakonischen Werk und strahlt: Schon nach vier Wochen zeigt ein neues Judo-Projekt sichtbare Erfolge.

Entstanden ist es aus einer Anfrage eines Bewohners der Außenwohngruppe Kellermannstraße des Diakonischen Werkes, der über Gewaltprävention sprechen wolle. „Unsere Klienten haben fast alle Erfahrungen mit Gewalt“, sagt Bernadette Walochnik. Daraus erwuchs in allen drei Wohngruppen der Wunsch nach Selbstverteidigungstraining.

Respekt hat Tradition im Judo: Die Kursteilnehmer begrüßen sich und die Übungsleiter.
Respekt hat Tradition im Judo: Die Kursteilnehmer begrüßen sich und die Übungsleiter. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Da hatte die Diakonie schnell eine Idee, wer dafür ein Ansprechpartner sein könnte: Jürgen Schajor, Gründer des Judoclubs JC 66, zweimaliger deutscher Judomeister, Vize-Europameister und im Rentenalter noch Weltmeister seiner Altersklasse, außerdem Judotrainer mit Begeisterung und Erfahrung. Der fügte dem Thema gleich noch eine weitere Komponente hinzu: „Das erste, was du beim Judo lernst, ist das richtige Fallen“, sagt der SPD-Sportpolitiker. „Die Kunst ist dabei, die Bewegungsenergie mit den Armen abzufangen. Diese Übung kann auch im Alltag sehr hilfreich sein.“

14 Frauen und Männer stehen in Bottroper Dojo auf der Matte

Schajor fand zwei Männer und eine Frau als ehrenamtliche Übungsleiter, und seit Ende April trainieren sie jetzt behinderte und nichtbehinderte Menschen. Mit einem halben Dutzend Teilnehmern hatte das Diakonische Werk gerechnet, doch schnell standen bis zu 14 Frauen und Männer im Wortsinn auf der Matte.

Trau dich. Du schaffst das! Übungsleiter Benjamin Mlynek (rechts) lockt und lobt.
Trau dich. Du schaffst das! Übungsleiter Benjamin Mlynek (rechts) lockt und lobt. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Einige von ihnen haben schon mal Judo gemacht. Die packt Übungsleiter Volker bei der Ehre: „Du bist Gelbgurt, da will ich was sehen!“ Oder: „Gib Gas da! Ich sehe dich nicht schwitzen!“. Oder: „Wo kommen die Hände hin? Willst du mich ärgern?“

Larissa spricht er ganz anders an. Ihre Körpersprache sagt: Ich würde am liebsten erst noch weiter zuschauen, wie die anderen das Fallen üben. Auch wenn die Schaumstoffmatte extradick und ganz weich ist. Doch Volker lockt sie: „Larissa, die Matte wartet auf Dich! Das hast Du beim letzten Mal doch schon super hingekriegt!“ Da fasst Larissa sich ein Herz, lässt sich seitwärts auf die Matte fallen und fängt die Wucht das Falls mit dem ausgestreckten Unterarm ab. Die Kursteilnehmer applaudieren, Volker lobt, Larissa strahlt.

Grenzen setzen: Gerade für Frauen ist das Training eine besondere Form der Selbstbehauptung.
Grenzen setzen: Gerade für Frauen ist das Training eine besondere Form der Selbstbehauptung. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Judo mit Behinderten: Erste Erfolge kommen schnell

„Die Leute kommen bei diesem Kurs schnell in die Phase, in der sie erste Erfolge erfahren“, freut sich Bernadette Walochnik mit Larissa. „Wir können zusehen, wie sie Sicherheit gewinnen und sich immer mehr zutrauen. Mit so schnellen Erfolgen habe ich nicht gerechnet.“

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Neben Selbstsicherheit und der Fähigkeit zur Selbstbehauptung und Selbstverteidigung hat der Kurs für die Frauen, die mitmachen, noch einen weiteren Effekt, sagt die Betreuerin. „Im direkten Kontakt mit Männern lernen sie: Ich kann dir Grenzen zeigen. Ich kann mich wehren.“ Und einmal für das Judo erwärmt, entwickeln sie Ausdauer, sagt Bernadette Walochnik. „Sie geben nicht auf, obwohl es anstrengt und manchmal wehtut. Ich bewundere das.“