Bottrop. Als die Handyboxx in Bottrop geschlossen hat, blieben hunderte Kunden auf Kosten sitzen. Vodafone sieht sich nicht verantwortlich.

Als die Handyboxx im Februar unvermittelt ihre Türen schloss, kochte bei einigen Kunden die Wut hoch. Die Polizei musste ausrücken, um die aufgebrachte Menge vor dem Handy-Shop am Bottroper Kirchplatz wieder zu beruhigen. Verflogen ist diese Wut bei einigen Kunden immer noch nicht – denn viele sind auf hunderten Euro Kosten sitzengeblieben.

So auch Mila Horvat* (Name geändert). Sie kommt aus Frankfurt am Main, hat am 10. Oktober 2022 über die Plattform MyDealz ein scheinbar unschlagbares Angebot der Handyboxx gesehen: ein iPhone 14 pro mit 128 Gigabyte Speicherplatz, dazu zwei Sim-Karten mit 30 Gigabyte Internetflatrate zum Preis von einem Euro für das Smartphone und 59,98 Euro monatlich, zwei Jahre lang.

Bottroper Handyboxx: Über 1300 Kundinnen und Kunden betroffen

„Wir haben uns Bewertungen der Handyboxx im Internet angeschaut“, erzählen Mila und ihr Freund am Telefon. „Der Eindruck schien seriös.“ Also haben sie Kontakt per WhatsApp aufgenommen, haben ihre Dokumente eingescannt und ihren Vertrag abgeschlossen – alles komplett von Frankfurt aus über den Messenger-Dienst. Die Beiden wussten, dass es damals Lieferschwierigkeiten bei Apple gab, es also etwas dauern könnte, bis das Smartphone eintrifft. Sie sollten es aber nie bekommen.

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Mila Horvat geht es da wie hunderten anderen Kunden: Mindestens 300 hatten einen Vertrag samt Endgerät abgeschlossen, das Smartphone aber nie erhalten. Über 1000 Kundinnen und Kunden warten noch immer auf Gutschriften, die ihnen vertraglich zugesichert, aber nie ausgezahlt wurden.

Viele Handyboxx-Kunden haben Anzeige erstattet

Viele von ihnen haben Anzeige wegen Warenbetrugs gegen Bünyamin Kara erstattet. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt die Polizei keine Auskünfte zum Stand des Ermittlungsverfahrens. Der WAZ liegen dutzende Mails von betroffenen Kundinnen und Kunden vor, deren Fälle sich ähneln. Sie haben sich von vermeintlichen Billig-Angeboten anlocken lassen und Geld gezahlt, ohne die entsprechende Leistung dafür zu bekommen – wie auch Mila Horvat.

Am 5. November fragte ihr Freund das erste Mal nach, ein weiteres Mal am 6. Dezember, erneut am 2. Januar. Er erhielt immer wieder die gleiche Antwort: Sie sollten Geduld aufbringen. „Seit Dezember war das iPhone 14 pro aber eigentlich wieder überall lieferbar. Da wurden wir richtig stutzig.“ Seine letzte Kontaktaufnahme am 28. Januar habe Bünyamin Kara, der die Handyboxx führte, obwohl sie eigentlich auf den Namen seiner Ex-Frau lief, unbeantwortet gelassen.

Dann kam die Nachricht von der Schließung der Handyboxx. Mila Horvat und ihr Freund wendeten sich an Vodafone, da habe man sie zunächst zurückgewiesen, schließlich sei der Handyvertrag inklusive Telefon nicht mit Vodafone vereinbart worden, sondern mit der Handyboxx. Der Bottroper Shop fungierte als Fachhändler, seine Geräte bezog Bünyamin Kara nicht über den Mobilfunkanbieter, sondern kaufte sie auf dem freien Markt.

Vodafone storniert Verträge, erstattet aber nichts zurück

Vodafone zieht sich deshalb aus der Verantwortung: „Die Vermittlung eines Mobilfunkvertrags für das Vodafone-Netz durch die Handyboxx und der Smartphone-Verkauf durch die Handyboxx sind zwei völlig verschiedene Sachverhalte“, so Vodafone-Sprecher Volker Petendorf auf Anfrage. „Uns betrifft ausschließlich der Mobilfunk-Vertrag.“ Vodafone habe „keinerlei Einblick in getroffene Vereinbarungen zu Hardware-Verkäufen der Handyboxx und ist dafür auch nicht verantwortlich“.

Allerdings hat Vodafone die Handyboxx-Kampagnen, wie bereits berichtet, mit hohen Werbekostenzuschüssen finanziert. Über 250.000 Euro hat Bünyamin Kara allein im Jahr 2022 von Vodafone bekommen, die Nachweise liegen der WAZ vor. In WhatsApp-Chats ließ sich Bünyamin Kara vom zuständigen Vodafone-Vertriebsleiter Werbevideos für billige Kombi-Verträge wie den von Mila Horvat genehmigen – die Werbekostenzuschüsse wurden wissentlich zur Finanzierung dieser Angebote genutzt. Vodafone wusste also, welche Hardware-Angebote die Handyboxx gemacht hat.

Vodafone sei allen Kündigungswünschen von Handyboxx-Kunden nachgekommen. „Nicht einmal 200“ seien das gewesen, so Petendorf. „Sofern sich weitere Handyboxx-Kunden bei uns melden, werden wir auch weiterhin im Sinne der Kunden agieren.“

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Der WAZ liegen mehrere Kundenaussagen und E-Mails von Vodafone-Kundenberatern vor. Da heißt es zum Beispiel: „Der Vertrag mit der Rufnummer XXX nutzt den Tarif Vodafone Smart S. Der Tarif beinhaltet kein Handy. Ich habe jedoch Verständnis für Ihre Sichtweise. Daher endet der Vertrag entgegenkommend am 31. März 2023 mit einem Wechsel in Vodafone CallYa. Zusätzlich wird Ihnen vom 15. bis zum 31. März 2023 kein Basispreis mehr berechnet.“

Ein anderer Kunde, der insgesamt drei Mobilfunkverträge bei Vodafone und der Tochtergesellschaft Otelo über die Handyboxx abgeschlossen hatte, berichtet, dass Vodafone ihn zunächst abgewiesen, ihm schließlich aber die Verträge vorzeitig gekündigt habe.

Vodafone hat keine Strafanzeige gegen die Handyboxx erstattet

Das Problem bei all diesen Kunden: Sie konnten zwar die Sim-Karten nutzen, haben aber nie das versprochene Handy bekommen und monatelang deutlich mehr bezahlt als die reine Mobilfunktarifnutzung kosten würde. Eine Rückerstattung bekommen sie aber nicht, weil Vodafone betont, mit den Vereinbarungen zu den Endgeräten nichts zu tun zu haben.

Auch Mila Horvat bekommt kein Geld erstattet. Ihr Mobilfunkvertrag wurde „aus Kulanz“ zum 31. März gekündigt. Bis dahin hat sie aber mehr als 300 Euro zu viel bezahlt – für das iPhone, das sie nie bekommen hat. „Wir bleiben geduldig“, sagt sie, die bei der Polizei Recklinghausen bereits ihre Vorwürfe schriftlich eingereicht hat. Hoffen kann sie nun nur auf einen möglichen Sieg in einem Gerichtsverfahren.

Die Vodafone GmbH hat keine Anzeige gegen Bünyamin Kara erstattet. Die Prüfung habe zu dem Ergebnis geführt, „dass die uns bekannten Umstände keinen Anfangsverdacht für eine Straftat von Seiten der Handyboxx begründen“. Das Unternehmen behalte sich aber vor, bei neuen Erkenntnissen Strafanzeige einzureichen.