Bottrop. Wirkliches Fußball-Fieber will zur WM in Katar bisher noch nicht aufkommen. Ein Streifzug durch Bottroper Kneipen während des Deutschlandspiels.

Menschen wie Rolf Kückelmann drängeln sich während einer Fußball-Weltmeisterschaft eigentlich in den Kneipen. Von der Deutschland-Kappe auf dem Kopf bis zum passenden Trikot lässt der 66-jährige Bottroper keinen Zweifel daran, dass sein Herz für die Nationalmannschaft schlägt. Kurz vor dem Anpfiff des deutschen WM-Auftaktspiels gegen Japan stellt er sein Bier zur Seite, steht auf und singt die deutsche Nationalhymne. „Einigkeit und Recht und Freiheit“, ein Ritual eben. Doch im Gegensatz zu vorangegangenen Turnieren steht er an diesem Mittwochmittag relativ alleine da.

Die Diskussionen rund um das Turnier, aber natürlich auch die Anstoßzeit an einem Mittwoch um 14 Uhr machen sich in Bottrop bemerkbar. Kneipen gibt es einige, doch richtig voll ist es nirgendwo, als wir während der ersten Halbzeit unsere kleine WAZ-Kneipentour durch die Bottroper City absolvieren.

Rathausschänke Bottrop: Stammgäste sind da, doch voll wird es nicht

Kückelmann hat sich in der Rathausschänke niedergelassen. Eine urige Kneipe an der Kirchhellener Straße, direkt gegenüber des Weihnachtszaubers. Er ist einer von zwölf Gästen, die gebannt auf eine eigens aufgestellte Leinwand starren. Selbstständig seien die meisten, erzählen sie. In der Tat darf man sicherlich nicht an feste Arbeitszeiten gebunden sein, wenn man zu dieser Zeit in der Kneipe sitzen und sein Bier genießen möchte.

Konzentriert verfolgt Wolf Kückelmann (vorne) das erste WM-Spiel Deutschlands in Katar. Am Ende sollte die Nationalelf mit 1:2 verlieren.
Konzentriert verfolgt Wolf Kückelmann (vorne) das erste WM-Spiel Deutschlands in Katar. Am Ende sollte die Nationalelf mit 1:2 verlieren. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Für Kückelmann ist das Gefühl noch aus anderen Gründen ungewohnt. Denn der 66-Jährige ist bei Deutschland-Spielen in der Regel vor Ort. „In Katar bin ich nicht, weil es da kein Bier gibt“, sagt er schmunzelnd. Ansonsten hat Kückelmann aber kaum ein Großturnier ausgelassen. „Angefangen habe ich 1972, als Deutschland in Belgien Europameister geworden ist. Danach sind zum Beispiel die WM 1978 in Argentinien, die WM 1986 in Mexiko, 1990 in Italien oder 2010 in Südafrika hinzugekommen.“

Bottrop: Echter Fan ist gegen einen WM-Boykott

Meist hat es den Bottroper für ein paar Tage und mindestens ein Spiel der Deutschen Nationalelf in die Gastgeberländer verschlagen. „Dass wir jetzt im Winter und kurz vor Weihnachten sind, ist natürlich ein anderes Gefühl.“ Auch die Nebengeräusche rund um das Turnier stören den 66-Jährigen. „Ich finde, dass man die verschiedenen Themen trennen muss. Auf der einen Seite möchte Robert Habeck Gas aus Katar beschaffen. Das kritisiere ich auch gar nicht. Auf der anderen Seite sollen wir dann aber ein paar Wochen später mit Fußball die Menschenrechte retten. Das passt für mich nicht zusammen“, erklärt er und stellt gleichzeitig klar: „Dass in Katar Arbeiter ums Leben kommen, ist ohne Frage schrecklich.“

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Sportlich glaubt Kückelmann, dass Deutschland weit kommen kann. Auch Wirt Abdel Hamadi hofft auf ein „Wintermärchen“, wie er sagt. Die Rathausschänke hat, anstatt wie üblich um 17 Uhr, extra schon um 13.30 Uhr geöffnet. Gekommen sind vor allem Stammgäste, die Deutschland die Daumen drücken. Zu den kommenden Gruppenspielen gegen Spanien (Sonntag, 27. November, 20 Uhr) und Costa Rica (Donnerstag, 1. Dezember, 20 Uhr) erwartet Hamadi dann auch mehr Betrieb.

Bottrop: Kneipen auf der Gastromeile während des Spiels geschlossen

Dann wird möglicherweise auch die Gastromeile zum Leben erwachen. An diesem Mittwoch deutet nichts darauf hin, dass Deutschland gerade seine WM-Mission startet. Keine Fahnen wehen aus den Fenstern, auf der Straße trägt niemand Fanartikel und auch in Gesprächen ist das Spiel gegen Japan Nebensache. Mit dem König Pilsener Brauhaus und dem Stadtcafé haben zwei Anlaufpunkte für Fußballfans geschlossen.

Geschlossen: Wer am Mittwoch im Bottroper König Pilsener Brauhaus das deutsche WM-Spiel verfolgen wollte, fand nur diesen Hinweis vor.
Geschlossen: Wer am Mittwoch im Bottroper König Pilsener Brauhaus das deutsche WM-Spiel verfolgen wollte, fand nur diesen Hinweis vor. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Im Schatten des ZOB steht die Tür zur König City zwar offen, doch auch hier haben sich lediglich eine Handvoll Stammgäste und Gelegenheitsgucker eingefunden. In der Domschänke an der St. Cyriakus Kirche sitzt Wirtin Irini Hubert mit drei Gästen zusammen. Bei Bier und gemütlicher Atmosphäre verfolgen sie das Spiel, in dem Deutschland mit einer 1:0-Führung in die Pause geht.

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Bottrop: Auch in der Domschänke herrscht keine WM-Atmosphäre

WM-Stimmung kommt bei der eigentlich fußballbegeisterten Wirtin aber auch nicht auf. „Normalerweise vergeht kein Turnier, zu dem wir unser Lokal nicht schwarz-rot-gold schmücken.“ Doch 2022 steht lediglich ein Adventskranz auf der Theke. „Das Interesse hält sich auch bei meinen Gästen in Grenzen. Wenn sie die Spiele sehen wollen, schalte ich den Fernseher an, wenn nicht, lasse ich ihn eben aus“, so Irini Hubert.

Adventskranz statt Deutschland-Girlanden: Auch in der Domschänke von Wirtin Irini Hubert (rechts) herrscht am Mittwoch keine WM-Stimmung.
Adventskranz statt Deutschland-Girlanden: Auch in der Domschänke von Wirtin Irini Hubert (rechts) herrscht am Mittwoch keine WM-Stimmung. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Diskussionen rund um das Turnier bewertet sie ähnlich wie Kückelmann. „Man hätte sich mit diesen Themen schon bei der WM-Vergabe befassen sollen“, findet sie. So oder so könnte sich das WM-Vergnügen für die Fußballbegeisterten in Grenzen halten. Denn weil Deutschland das Spiel gegen Japan mit 1:2 verloren hat, steht die Mannschaft von Trainer Hansi Flick schon gegen Spanien unter Druck. Es könnte ein ähnliches Schicksal wie 2018 drohen. Da ging es bereits nach der Vorrunde nach Hause.