Doha. Desolater WM-Auftakt für Deutschland. Das Team von Hansi Flick verliert gegen Außenseiter Japan mit 1:2 (1:0). Der Spielbericht.
Nico Schlotterbeck stand ratlos im Fünfmeterraum, er hob den Arm und blickte fragend zum Linienrichter. Doch der brachte keine Erlösung: Der Treffer von Takuma Asano zählte – und die deutsche Mannschaft hatte sich um den Lohn eines lange Zeit ordentlichen Auftritts gebracht. 1:2 (0:1) verlor sie ihr WM-Auftaktspiel gegen Japan und steht damit schon gewaltig unter Druck: Gegen Spanien braucht es im zweiten Gruppenspiel am Sonntag (20 Uhr/ZDF) dringend einen Erfolg – sonst wäre auch die Weltmeisterschaft in Katar für die DFB-Auswahl bereits nach der Vorrunde beendet.
Deutschland ohne Leon Goretzka in der Startelf
Vor dem Anpfiff hatten sich alle Augen auf den linken Arm von Manuel Neuer gerichtet. Welche Kapitänsbinde würde der deutsche Torhüter tragen? Es wurde nicht die von der Fifa kurzfristig untersagte One-Love-Binde, sondern die vom Weltverband vorgegebene mit dem Slogan „No Discrimination“, keine Diskriminierung. Allerdings trug Neuer sie eher versteckt, unter dem Ärmel seines Torhütertrikots.
Alles andere als versteckt war dann das deutliche Zeichen der gesamten Mannschaft: Beim obligatorischen Teamfoto hielten sich alle elf Spieler die Hand vor den Mund. Ein Bild, das schon während des Spiels um die Welt ging. „Uns die Binde zu verbieten, ist wie den Mund zu verbieten“, twitterte der DFB dazu. „Unsere Haltung steht.“ Und die One-Love-Binde hatte es trotzdem ins Stadion geschafft: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) trug sie auf der Ehrentribüne, gleich neben Fifa-Präsident Gianni Infantino.
Auch sportlich schien der Start ins Turnier zunächst zu gelingen. Flick hatte sich für eine spielstarke Mannschaft entschieden: Als Mittelstürmer lief der gelernte Mittelfeldspieler Kai Havertz auf, im Zentrum erhielt Edeltechniker Ilkay Gündogan den Vorzug vorm wuchtigen Leon Goretzka. Und ganz hinten setzte Flick auf die Dortmunder Lösung: Niklas Süle verteidigte rechts, sein Borussia-Teamkollege Nico Schlotterbeck innen.
In der Anfangsphase ging es noch recht nervös zu, nach Gündogans Ballverlust traf Daizen Maeda zur vermeintlichen Führung für Japan – hatte dabei aber im Abseits gestanden (8.). Die deutsche Mannschaft fing sich aber schnell, bekam die Partie mehr und mehr unter Kontrolle und legte sich den Gegner immer besser zurecht. Das japanische Pressing wurde sicher umspielt und mit zunehmender Spieldauer gerieten auch die Pässe im gegnerischen Drittel immer präziser. Mit einigen feinen Spielzügen wurde die gegnerische Abwehr auseinandergespielt, insbesondere die Chipbälle von Joshua Kimmich brachten immer wieder Gefahr.
So etwa nach gut einer halben Stunde, als der Mittelfeldlenker einen perfekt temperierten Ball auf David Raum trat. Der nahm an und wurde dann von Torhüter Shuichi Gondo zu Ball gebracht – und beim Aufstehen gleich noch ein zweites Mal. Den fälligen Elfmeter verwandelte Gündogan sicher (33.).
Die deutsche Mannschaft hatte die Partie nun endgültig im Griff, nur die Genauigkeit im Abschluss fehlte. Kimmich und Jamal Musiala setzten aussichtsreiche Versuche über das Tor und bei Havertz‘ vermeintlichem Treffer zum 2:0 in der Nachspielzeit hatte der Chelsea-Spieler ganz knapp im Abseits gestanden. Gleich darauf zeigte sich allerdings auch, dass die deutsche Abwehr noch keine sattelfeste ist: Maeda kam zum Kopfball, verfehlte das Tor aber knapp.
Die DFB-Elf ging auch nach der Pause zunächst schwungvoll zu Werke, Serge Gnabry donnerte einen Schuss an den Außenpfosten (47.). Musiala düpierte fast die gesamte Abwehr mit einem Dribbling im Strafraum, schoss aber erneut zu hoch (51.). Gündogan traf aus elf Metern den Pfosten (60.). Und der eingewechselte Jonas Hofmann sowie Serge Gnabry scheiterten in bester Position an Gonda (70.).
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Der zweite Treffer, der die Partie wohl entschieden hätte, wollte einfach nicht fallen. Und Japan, das zur Halbzeit von Vierer- auf Dreierkette umstellte, war nun etwas besser in der Partie, kam durchaus gefährlich an den deutschen Strafraum – und dann rächte sich der Chancenwucher tatsächlich: Zunächst rettete Neuer noch mit einem Wahnsinnsreflex gegen Ito (73.). Wenig später aber konnte er eine scharf getretene Hereingabe nur nach vorne klären – und Ritsu Doan schob ein (76.).
Flick versuchte es nun mit einem klaren Mittelstürmer, brachte Niclas Füllkrug für Havertz und dazu Mario Götze für Musiala (79.). Doch der Treffer fiel auf der anderen Seite: Die deutsche Abwehr ließ sich von einem simplen langen Ball düpieren, Süle hob das Abseits auf, Schlotterbeck ging nicht richtig in den Zweikampf – und Asano donnerte den Ball aus kurzer Distanz ins Tor (83.).
Deutschland gegen Spanien massiv unter Druck
Die deutsche Auswahl war schockiert – und brachte auch in der siebenminütigen Nachspielzeit kaum noch einen vernünftigen Angriff zustande. Und so stand am Ende eine enttäuschende Auftaktniederlage – und eine gewaltige Hypothek für den Rest der Gruppenphase.