Bottrop. Die Bottroper Kokerei muss massenweise Gas abfackeln, trotz drohender Mangellage. „Das ist schlimm“, sagt ein Konzernsprecher. Die Gründe.
Der Konzern Arcelor-Mittal wird in der Bottroper Kokerei an der Prosperstraße vermutlich bis Ende 2023 Kokereigas abfackeln müssen, obwohl in Deutschland in diesem Winter eine Gasmangellage droht. Klingt absurd? „Zur Zeit müssen wir alles abfackeln“, sagt Konzernsprecher Arne Langner. „Das ist schlimm. Wir reden aktuell von etwa 1,4 Terawattstunden pro Jahr.“
Der Kern des Problems: Weil die Leitung von Sturmshof nach Gelsenkirchen schon seit Jahresanfang repariert werden muss, kann die Kokerei kein Kokereigas mehr durchleiten und muss es derzeit komplett abfackeln. Nach der geplanten Wiederinbetriebnahme spätestens Anfang 2023 soll die Versorgung der Kunden wieder aufgenommen werden. Nach dem Wegfall des alten STEAG-Kraftwerks in Herne als Kunden hat der Konzern ergänzend zu seinen anderen Bestandskunden neue Abnehmer hinzugewonnen, die bis Ende 2023 ans Netz angeschlossen werden sollen. „Ein geringerer Teil des Gases wird weiter abgefackelt werden, bis alle Kunden ans Netz angeschlossen sind“, sagt Langner.
Bottroper Kokerei produziert zwei Millionen Tonnen Koks im Jahr
Der Konzern kann in seiner Kokerei maximal zwei Millionen Tonnen Koks pro Jahr produzieren und die Leistung der Anlage drosseln auf 70 Prozent, das sind 1,4 Millionen Tonnen im Jahr. Wegen der Krise der Stahlindustrie hat der Konzern seit Anfang 2020 die Leistung der Bottroper Kokerei auf das Minimum von 70 Prozent gedrosselt. Als Nebenprodukt der Verkokung entsteht Kokereigas.
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Das nutzt Arcelor-Mittal zum Heizen der eigenen Koksöfen und verkauft den Rest des eigentlich sehr begehrten Produkts: „Es trägt durch seinen hohen Wasserstoffanteil dazu bei, als Brückentechnologie die Produkte von verarbeitenden Unternehmen kohlendioxidneutral zu machen“, wirbt der Konzern für das Gas. Im spanischen Gijon nutzt der Konzern Kokereigas in seinem eigenen Hochofen.
Kokerei in Bottrop muss noch lange Gas abfackeln – trotz Mangellage
Der Konzern hatte das zu Jahresanfang weithin sichtbare Abfackeln des Kokereigases schon damals mit der Reparatur der Kokereigasleitung vom Verteilpunkt am Bottroper Sturmshof zum Gelsenkirchener Nordsternpark begründet. „Es ist in unser aller Interesse, dass die Arbeiten so schnell wie möglich abgeschlossen werden, damit unsere Kunden wieder Kokereigas einsetzen und nicht extern Erdgas zukaufen müssen – das ist uns besonders angesichts der aktuellen Situation mit der Verfügbarkeit von Erdgas wichtig“, sagte im August Kokereileiter Thomas Degen, Leiter der Kokerei.
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Während der Reparaturarbeiten werde das Gas abgefackelt. Hierzu wurde aus technischen Gründen zunächst die weit sichtbare Hochfackel genutzt. Dies sei seit Ende April nicht mehr notwendig. „Wir müssen weiter unser Gas komplett abfackeln, bis die gesamte Leitung wieder nutzbar ist, da unsere Kunden erst in Gelsenkirchen an die Leitung angeschlossen sind.“
Bottroper Gas könnte Deutschland einen halben Tag versorgen
Wenn die Leitung vermutlich zu Jahresanfang saniert und vom TÜV abgenommen ist, wird ein weiteres Stück Gasleitung saniert, nämlich die aus dem Baujahr der Kokerei (1928) von der Kokerei bis zum Sturmshof. Für diese Zeit wird allerdings eine provisorische Gasleitung zum Sturmshof auf der alten Zechenbahntrasse gelegt.
Dennoch wird an der Prosperstraße noch abgefackelt werden müssen, weil die Kokerei derzeit mehr Gas produziert, als Arcelor-Mittal an neue Kunden liefern kann. „Natürlich würden wir viel lieber schnell neue Kunden mit unserem Gas beliefern, als es abzufackeln.“ Zumal es sich um erhebliche Mengen handelt. Mit den 1,4 Terawattstunden Gas könnte die Kokerei rein rechnerisch den Gasbedarf von ganz Deutschland mehr als einen halben Tag lang decken.