Bottrop. Die Bottroper Betriebe haben vorgelegt beim Gassparen. Die Unternehmen müssen jetzt darauf hoffen, dass auch die privaten Gaskunden mitziehen.

Von einer Gasabschaltung wegen einer Gasmangellage wären nach Angaben des Gasnetzbetreibers EVNG 17 Bottroper Betriebe betroffen. Sie haben deshalb beim Gassparen schon vorgelegt. Jetzt sind sie darauf angewiesen, dass die größten Gaskunden im Winter mitziehen: die Bottroper Haushalte mit Gasheizung. Sie müssen 20 Prozent einsparen, um eine Mangellage zu vermeiden. Deshalb appelliert EVNG: Ab jetzt zählt jede eingesparte Kilowattstunde bis zum Ende der Heizperiode.

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„Schon Mitte des Jahres hat die Industrie zu sparen begonnen und liegt jetzt bei 22 Prozent Gaseinsparung im Vergleich zum Drei-Jahres-Mittelwert“, sagt Christoph Queens, Leiter Gasbetrieb bei EVNG. Der Bottroper Pumpenbauer Seepex hat sogar 45 Prozent angepeilt, sagt Manager Bernd Groß. Der Hersteller lässt die fertigen Teile nach dem Lackieren länger trocknen, hat die Temperatur in den Büros und in der Produktion gesenkt und rückt im Wortsinn zusammen: „Wir schicken einige Leute ins Homeoffice und besetzen nur noch das am besten gedämmte Gebäude“, sagt Seepex-Manager Bernd Groß.

Beim Bottroper Pumpenhersteller Seepex würde eine Gasabstellung sofort die Produktion zum Erliegen bringen, sagt Seepex-Manager Bernd Groß.
Beim Bottroper Pumpenhersteller Seepex würde eine Gasabstellung sofort die Produktion zum Erliegen bringen, sagt Seepex-Manager Bernd Groß. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Viele Unternehmen in Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck haben sich „in großer Solidarität an den Sparbemühungen beteiligt“, lobt Jochen Grütters, Leiter des Standortes Emscher-Lippe der Industrie- und Handelskammer. Der gemeinsame Kraftakt mit dem Netzbetreiber wird gerade als „Gelsenkirchener Modell“ bundesweit zur Nachahmung empfohlen.

Aber diese Anstrengungen werden nicht ausreichen, um eine Gasmangellage abzuwenden, wenn die Bottroper Haushalte nicht mitziehen. Sie verbrauchen in der Heizperiode mit 75 Prozent den Löwenanteil am EVNG-Gas und müssten im Vergleich zu den Vorjahren 20 Prozent ihres Gasverbrauches einsparen. Der Anfang war nicht vielversprechend: In den beiden letzten Septemberwochen lag der private Gasverbrauch um 14,5 Prozent über dem Zielkorridor, rechnet Queens vor.

Ein Grad weniger Raumtemperatur bringt sechs Prozent Gaseinsparung

Die Faustformel für das Einsparziel 20 Prozent für die privaten Haushalte geht so: Jedes Grad weniger Raumtemperatur bringt sechs Prozent Gaseinsparung. „Besonders hart wird es an den ganz kalten Wintertagen“, weiß EVNG-Sprecher Peter Efing. Das sind die Tage, an denen wie im Februar 2021 die Gas-Verbrauchsspitzen in die Höhe schießen, die jetzt am heimischen Thermostat abgefedert werden sollten.

Der Versorger und die IHK appellieren deshalb an die Solidarität der Bottroper Gasverbraucher, die zumindest vorerst selbst geschützt sind vor einer Gasabschaltung. Allerdings hat die Bundesnetzagentur privaten Haushalten schon verboten, Pools mit Gas zu heizen. Zu den geschützten Betrieben gehören auch Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und kritische Infrastruktur wie Feuerwehr und Polizei.

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66 Betriebe in Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop betroffen

Eine Gasmangellage können Bundesnetzagentur und die großen Netzbetreiber aufgrund der Wettervorhersage, der Erfahrungen zum Verbrauch, dem Füllstand der Gasspeicher und dem Nachschub rund zehn Tage vorhersagen. In diesem Fall würden sie dem Netzbetreiber aufgeben, die Versorgung der nicht geschützten Betriebe herunterzufahren oder gar abzuschalten. „Wir fahren nicht selbst raus und drehen den Hahn zu“, sagt Queens. „Das müssen die Betriebe schon selbst machen. Aber wir überwachen das natürlich.“

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Für die insgesamt 66 Betriebe in den drei Städten hätte die Abschaltung unterschiedlich schwere Auswirkungen. Bäcker Mälzer in Gelsenkirchen-Erle hat die Hälfte seiner Öfen auf Heizöl umgestellt. „Wir müssten die gasbetriebenen Backöfen abstellen und würden mit den anderen Öfen rund um die Uhr möglichst viel produzieren“, sagt Chef Christian Scherpel. „Die heutige Angebotsvielfalt könnten wir natürlich nicht halten.“

„Wenn der Ofen ausgeht, ist er kaputt“

Für den Bottroper Pumpenhersteller Seepex bedeutet eine Abschaltung: „Die Produktion kommt sofort zum Erliegen“, sagt Groß. Und die verheerendsten Folgen hätte eine Abschaltung für Metall- oder Glasverarbeiter. Bei denen entstehe ein „wirtschaftlicher Totalschaden“, sagt Queens: „Wenn denen der Ofen ausgeht, ist er danach kaputt.“ Und im allerschlimmsten Gasmangelfall, sagt Queens, „kann es auch uns Verbraucher erreichen“. Ein Grund mehr für die Bottroperinnen und Bottroper, den Sparappell ernst, persönlich und sportlich zu nehmen, sagt Peter Efing.