Bottrop.. Dass die kranke Amelie sich überhaupt so toll auf die Schule konzentrieren kann, ist zum Teil auch einer ganz besonderen Behandlung zu verdanken: Im April reiste die Siebenjährige mit ihrer Familie auf die Insel Curaçao, um dort eine zehntägige Delfin-Therapie zu absolvieren. Papito erwies ein tierisch guter Therapeut.

Toben mit Mama, das ist für Amelie das Größte. Am allerliebsten schlägt die Kleine Purzelbäume. Wenn sie danach ganz sanft in Mamas Armen landet, dann strahlt der niedliche Blondschopf über das ganze Gesicht. Als Belohnung gibt’s jede Menge Küsschen für die Mama. Und die freut sich natürlich. Aber sie weiß auch: „Amelies Stimmung schwankt manchmal sehr stark. In einem Moment tobt sie fröhlich herum, dann kann sie plötzlich sehr schlecht drauf sein“ – nur ein Symptom für Amelies Krankheit.

Denn die Siebenjährige kam mit einem seltenen Gendefekt zur Welt und ist geistig wie körperlich behindert. Bis auf einige Laute ist Amelies Sprachentwicklung stark zurückgeblieben, die Kleine benötigt Hörgeräte und eine Brille. Außerdem ist sie für ihr Alter ausgesprochen zierlich und bringt mit ihren sieben Jahren gerade einmal zwölf Kilogramm auf die Waage: „Amelies Köper produziert zu wenige Wachstumshormone. Außerdem ist die Nährstoffaufnahme im Darm gestört“, weiß Mutter Iwona Tudyka. Für die gelernte Kinderpflegerin war die Diagnose kurz nach der Geburt ihrer Tochter erst einmal ein Schock: „Ich bin aus allen Wolken gefallen“ – zumal in der Schwangerschaft zunächst nichts auf eine Behinderung des Kindes hindeutete.

Rückblickend erinnert sich Iwona Tudyka lediglich an ein seltsames Tippen in ihrem Bauch: „Vielleicht waren das Amelies steife Finger“. Die rechte Hand der Kleinen hat nämlich nur drei, teilweise deformierte und unbewegliche Finger – eine so genannte Spalthand. Und die war auch das erste Symptom, das die Ärzte nach Amelies Geburt bemerkten: „Als ich aus der Narkose für den Kaiserschnitt aufwachte, hatten die Ärzte meinen Mann schon beiseite genommen“, erinnert sich Iwona Tudyka, „sie hatten ihm gesagt, dass etwas mit der Hand unserer Tochter nicht stimme. Und dass sie nicht wüssten, ob sie überhaupt Ohren hat.“

Heute, etwas mehr als sieben Jahre später, ist Amelie schon ein „großes“ Schulkind. Seit September besucht sie die Schule am Tetraeder – mit ganz alltäglichem Schulstress: „So richtig begeistert ist sie nicht, wenn morgens der Schulbus vor der Tür steht“, lacht Iwona Tudyka. Dennoch hätten Amelies Therapeuten bereits erste positive Veränderungen an ihr bemerkt, zum Beispiel, dass die Kleine wacher und aufmerksamer sei.

Und dass Amelie sich überhaupt so toll auf die Schule konzentrieren kann, ist zum Teil auch einer ganz besonderen Behandlung zu verdanken: Im April reiste Amelie mit ihrer Familie auf die Insel Curaçao, um dort eine zehntägige Delfin-Therapie zu absolvieren. Iwona Tudyka schwärmt noch immer von den Tagen auf der Karibik-Insel – allerdings weniger aufgrund der Traumkulisse oder des sonnigen Klimas: „Das war eine Rundum-Therapie für die ganze Familie. Wir konnten alle sehr viel Kraft schöpfen.“

Impulse für die Familie

Sogar Amelies 19-jähriger Bruder Philipp kam jeden Tag mit ins Delfin-Zentrum, um die Fortschritte seiner kleinen Schwester zu verfolgen. „Während der zwei Stunden, die Amelie täglich im Wasser mit den Therapeuten und Delfinen verbrachte, konnten wir gemeinsam von einer Bank aus zuschauen“, erzählt Iwona Tudyka, „diese zwei Stunden waren für uns unheimlich wichtig, weil man seine Gedanken sammeln und so den Blick in Richtung Zukunft richten konnte“. Außerdem wurden im Therapiezentrum täglich spezielle Elternseminare und Beratungsgespräche angeboten, die den Tudykas viele neue Impulse gaben. Und Amelie? „Für sie war es das Paradies, sie war schon immer ein absolutes Wasserkind“, weiß Iwona Tudyka. Und auch, wenn sie die Beziehung zu ihrem Therapie-Delfin Papito erst Schritt für Schritt aufbauen musste, entstand daraus schließlich eine dicke Freundschaft – „Da gab es Theater, als wir die Koffer zur Abreise packen wollten“, erinnert sich Iwona Tudyka. Neben der eigentlichen Delfintherapie arbeitete ein speziell geschultes Team aus Logopäden, Ergo-, Physio- und anderen Therapeuten täglich mehrere Stunden mit Amelie an ihrer Kommunikation und ihrer Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung. Das hat Spuren hinterlassen: „Amelie kann jetzt Blickkontakt aufbauen, ist viel aufmerksamer und konzentrierter als früher.“

Amelie hat in den zehn Tagen der Delfintherapie einiges gewonnen – und mit ihr die ganze Familie. Für Iwona Tudyka ist es deshalb auch keine Frage, dass eine solch intensive Therapie ihren Preis haben muss: „Mittlerweile gibt es ein ähnliches Therapie-Angebot in der Türkei. Das ist etwas günstiger, aber dort wird täglich nur eine halbe Stunde mit den Tieren geschwommen, alles andere fällt weg.“

Die Therapie auf Curaçao hat inklusive Flug fast 11 000 Euro gekostet. Finanziert wurde sie mit Hilfe der Spenden von verschiedenen Vereinen, Stiftungen – und der damaligen Klasse 4 a der Gregorschule. „Durch die Hilfe der Kinder und die damit verbundenen, zahlreichen Einzelspenden kamen allein fast 1000 Euro zusammen“ – Iwona Tudyka kann es noch immer kaum fassen. Und die Familie ist unendlich dankbar für jeden einzelnen Euro, denn nur so konnte sie diese außergewöhnliche und wichtige Erfahrung machen: „Die Tage auf Curaçao waren anstrengender als ein Urlaub, aber viel schöner. Einfach unglaublich intensiv.“