Bottrop. Radikaler Umbruch: In Bottrops evangelischer Kirche werden Pfarrstellen nicht neu besetzt, Gottesdienstorte fallen weg. Das ändert sich jetzt.
Die evangelischen Kirchengemeinde steht gerade vor einem drastischen Prozess der Neustrukturierung. Für viele Gemeindemitglieder wird die Kirche nicht mehr im Dorf bleiben – zumindest nicht, was die regelmäßigen Gottesdienste betrifft. Die finden nämlich ab September nur noch in drei Kirchen statt, den so genannten Zentren. Daneben gibt es dann noch die so genannten Standorte, Gebäude, in denen sich Gemeindeleben abspielen soll, wenn auch nicht mehr wie bisher mit – salopp gesagt – Vollsortiment.
Was dahintersteckt, wie der Prozess „evangelisch in bottrop 2.024“ zur Neustrukturierung in den nächsten anderthalb Jahren ablaufen soll, erläutern der Pfarrer Dieter Naumann (Eigen) als Vorsitzender des Gesamtpresbyteriums und Pfarrerin Lisa Krengel von der Martinskirche in der City.
Ausgelöst hat diese Umstrukturierung sicherlich die Reduzierung der Pfarrerstellen in Bottrop. Nach der Verabschiedung von Doris Sturm (Eigen) und Achim Solty (Fuhlenbrock) in den Ruhestand wird es noch acht Pfarrerinnen und Pfarrer geben. Die Stellen von Friedemann Kather in Batenbrock-Welheim und Susanne Adam in Kirchhellen seien bereits nicht nachbesetzt worden, so Lisa Krengel. Schul- und Krankenhausseelsorger würden als Stellen des Kirchenkreises den Gemeinden nicht zugerechnet.
Personeller Aderlass löst Umstrukturierungsprozess der Bottroper Gemeinde aus
Ein Aderlass für die Gesamtgemeinde, die von Welheim und Vonderort im Süden bis hinauf nach Kirchhellen reicht. „Man kann das nicht auffangen“, sagt Dieter Naumann. Und der Personalschlüssel, nach dem die Landeskirche die Stellen besetzt, richte sich nach der Gemeindegröße, so Naumann weiter. Wenn derzeit eine Stelle auf 3000 Mitglieder komme und in Bottrop rund 22.000 Protestanten leben, komme das ungefähr hin, zumal nicht Kolleginnen oder Kollegen volle Stellen besetzen.
Und da in den kommenden Jahren noch weiter am Stellenschlüssel gedreht werden soll, haben sich Pfarrkollegium und Presbyterium entschlossen, ein neues Konzept zu entwickeln, das möglichst über viele Jahre tragfähig bleibt. Erste drastische Einschnitte werden Bottrops Protestanten ab September spüren. „Dann werden wir nur noch drei Gottesdienstorte haben, die so genannten Zentren statt der bisherigen Gemeinden“, sagt Lisa Krengel. Für den Norden die Pauluskirche in Kirchhellen, die Gnadenkirche für Eigen im Nordosten bis hinunter nach Welheim und die Martinskirche für Stadtmitte, Fuhlenbrock und Vonderort im Südwesten.
Vier Kirchen fallen also als regelmäßige Gottesdienstorte weg: das Martin Niemöller-Haus im Fuhlenbrock, die Paul Gerhardt-Kirche in der Boy, die Auferstehungskirche in Batenbrock und das Gemeindezentrum Grafenwald. Die sollen aber nicht geschlossen oder abgerissen werden. „Wir wollen an diesen Standorten in anderer Form kirchliches Leben stattfinden lassen, vielleicht auch mit bestimmten Profilen oder Schwerpunkten.
Evangelische Kirche in Bottrop: Vertraute Kirche teilweise abhanden
Diese Ideen und Konzepte will die Gesamtgemeinde aber nicht allein entwickeln. Dazu hat sie einen externen Organisationsentwickler ins Boot geholt, der den Prozess begleiten soll. „Aber schon ein Fachmann, ebenfalls Pfarrer aus einem benachbarten Kirchenkreis, der bereits solche Prozesse begleitet hat“, betont Lisa Krengel. Natürlich rechnen sie auch mit Gegenwind, sicherlich auch Enttäuschungen, vielleicht auch Tränen bei den Gläubigen, denen „ihre“ vertraute Kirche nun teilweise abhanden kommt. Aber: „Wir schließen ja keinen Standort komplett, reißen auch kein vertrautes Gebäude ab“, so Dieter Naumann.
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Bereits ab 21. August ist ein eigens von der Gemeinde produzierter Film auf den seit Corona bekannten Kanälen zu sehen, der auf diesen Prozess aufmerksam macht und mit dem die Gemeindeleitung zur Teilnahme an der Neustrukturierung aufruft. Ohnehin sollen digitale Formate als dritte Säule neben den Zentren und Standorten gepflegt und vielleicht ausgebaut werden, nicht als Ersatz für persönliche Begegnung, aber als Ergänzung der Seelsorge und des Gemeindelebens. „Auf jeden Fall soll ,evangelisch in bottrop 2.024’ ein Projekt möglichst vieler Gemeindemitglieder sein, mit dem Ziel, die evangelische Kirche in Bottrop auch zukunftsfähig zu machen“, so Pfarrer Dieter Naumann.
Große Info-Veranstaltung, Film und neue Zeiten
Die neuen Gottesdienstzeiten in den drei Zentren Martinskirche, Gnadenkirche und Pauluskirchen sind jeweils um 11 Uhr ab September. Ein kurzer Film über den beginnenden Prozess „evangelisch in bottrop 2.024“ ist ab 21. August auf den seit Corona bekannten Kanälen zu sehen.
Eine erste große Auftakt- und Infoveranstaltung für alle Bottroper Protestanten findet am Sonntag, 11. September, um 16.30 Uhr im Martinszentrum in der Stadtmitte statt. Info: kirchenkreis.org/bottrop.