Bottrop. Rolf Spickernagel betreibt mit der Erotique Bottrops einziges Sex-Geschäft und Erotik-Kino. Corona hat die Branche verändert. Ein Besuch.
An dem Schriftzug ist jeder Bottroper schon einmal vorbeigefahren. „Erotique – Die Erotik-Boutique“ prangt in roten Lettern auf schwarzem Glas an dem Eckladen auf der Essener Straße. Seit mehr als sechs Jahrzehnten gibt es den Sex-Shop inklusive Kino, seit 17 Jahren führt ihn Rolf Spickernagel als letztes Erotik-Geschäft der Stadt.
Von außen einsehbar ist nichts, was der 56-Jährige verkauft, der Jugendschutz zwingt den Inhaber, seine Schaufenster komplett zu verkleben. Der Verkaufsraum besteht zur Hälfte aus Regalen mit Filmen, darunter auch noch zahlreiche VHS-Kassetten. Daneben Magazine teils aus den 90er-Jahren mit dem polnischen Porno-Star Teresa Orlowski auf dem Titelbild.
Bottrops einziger Sex-Shop: Sortiment für Männe und Frauen
Rolf Spickernagel steht hinter seinem Verkaufstresen, weißes Hemd, weiße Sneaker, enge Jeans, auf beiden Seiten silberne Ohrringe. Auch wenn Pornografie in allen Varianzen im Internet kostenlos verfügbar ist, gebe es für die Filme und Retro-Zeitschriften durchaus noch einen Markt, erzählt er. „Mancher will was in der Hand haben und sich das ins Regal stellen. Und ich besorge jeden Film, den ein Kunde haben will.“ Sein jüngster Kunde, der regelmäßig kommt, ist 28 Jahre alt, seine ältesten sind längst im Seniorenalter.
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Der Großteil seiner Kundschaft ist männlich – auch wenn Spickernagel neben Gummipuppen und Penisringen auch vielfältiges Spielzeug für Frauen anbietet, Vibratoren in verschiedenen Formen, Farben, Größen, außerdem ein Bondage-Regal mit Handschellen, Peitschen, Nippel-Klemmen…
Sex-Kino in Bottrop für Hetero- und Homosexuelle
Das Besondere in der Erotique ist aber weniger das Sortiment. Rolf Spickernagel betreibt Bottrops letztes Sex-Kino, eines von wenigen in der Region. Hinter dem Verkaufsbereich liegen zwei Räume mit großem Bildschirm, jeweils zwei Ledersofas stehen darin.
Von morgens 10 Uhr bis abends 18 Uhr laufen hier Sex-Filme, in einem Raum für Hetero-, im anderen für Homosexuelle. Wer alleine sein will, kann eine der drei Kabinen mit eigenem Fernseher nutzen. Es sind vor allem schwule Männer, die hierherkommen. Mancher lebt hier seine Bisexualität aus.
Wer 8,50 Euro zahlt, darf theoretisch den ganzen Tag bleiben – oder auch zwischendurch zum Mittagessen rausgehen und wiederkommen. Was genau hinter den Türen des Sexkinos passiert, wisse er nicht, sagt Rolf Spickernagel. Allerdings, seit Corona habe der Andrang deutlich nachgelassen, früher seien auch Frauen regelmäßig ins Kino gekommen, jetzt leider nicht mehr – trotz freien Eintritts.
Mehr als acht Monate wegen Corona geschlossen
Er hätte eher geglaubt, dass Pornografie einmal ganz verboten wird, als dass ein Virus solche Auswirkungen auf sein Geschäft haben würde, sagt Spickernagel. Über acht Monate musste er schließen, die strengen Auflagen wie die Erfassung von Kundennamen haben viele abgeschreckt. Hinzu kommt die Angst vor Ansteckungen, jetzt einmal mehr vor Affenpocken, die sich bislang vor allem unter homosexuellen Männern ausbreiten.
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Leicht ist das Geschäft nicht in diesen Zeiten, trotzdem hat Rolf Spickernagel eine breite Stammkundschaft. „Ich habe hier schon ganz tolle Menschen kennengelernt.“ Der über 90-Jährige, der ihn regelmäßig besuchte, bis er verstarb. Das schwule Pärchen, das gemeinsam das Kino besuchte und sich immer wieder neckte. „Die waren so putzig.“ Ein Herr, der täglich um 9 Uhr kam, um mit Rolf Spickernagel zu frühstücken, bis zum Nachmittag blieb, „ein Mann mit einem gewissen Bildungsgrad, mit dem man sich toll unterhalten kann“ – bis dessen Lebenspartner anrief und sagte, dass er verstorben sei. Da ist Rolf Spickernagel auch zur Beerdigung gegangen.
Erotique in Bottrop: Persönliche Beratung im Laden
Bevor er das Geschäft 2005 übernahm, arbeitete der 56-Jährige im Computernotdienst. Er hatte versucht, einen neuen Erotik-Shop zu eröffnen, bekam von der Stadt aber nirgendwo eine Genehmigung, seine Anträge seien immer abgeschmettert worden. Als sein Vorgänger an der Essener Straße monatelang die Miete nicht gezahlt hatte, das Geschäft dichtgemacht worden war, übernahm Spickernagel, riss das alte Inventar raus, ließ Fenster für mehr Licht einbauen.
Einen Online-Shop hat er bis heute nicht, das sei zu aufwendig. Bei ihm können die Kunden ins Geschäft kommen, sich beraten lassen, bekommen Produkte ohne Weichmacher und Chemie-Geruch. Eine Zeit lang hat Rolf Spickernagel sich im Außer-Haus-Verkauf versucht, ist mit einer Kiste voller Sex-Spielzeug einmal auch zu einer Kundin ins Altenheim gefahren, die sich dort ihren Vibrator aussuchen konnte. Aber das Konzept habe nicht funktioniert, Rolf Spickernagel setzt weiterhin auf die persönliche Beratung in seinem Laden.
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Seit 25 Jahren lebt der gebürtige Kölner in Kirchhellen, mit seiner Lebenspartnerin und ihren Kindern. Sein Nachbar sagt, er sei eigentlich der größte Spießer, den es gibt. Seine Erotique will er noch so lange führen, wie es geht.
Öffnungszeiten und Infos
Seit Corona hat Rolf Spickernagel seine täglichen Öffnungszeiten reduziert auf montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags 10 bis 16 Uhr. Früher hatte er bis 22 Uhr geöffnet. Nach den Sommerferien will er die Öffnungszeiten wieder verlängern: montags bis freitags von 10 bis 20 Uhr. Der Kino-Besuch in der Erotique kostet 8,50 Euro. Besucher dürfen so lange bleiben, wie sie wollen. Weitere Infos auf www.erotikshop-bottrop.de.