Oberhausen. Eine Erotikshop-Inhaberin erzählt von Sexpuppen für 2400 Euro und verrät, welches Spielzeug sie in jedem dritten Oberhausener Haushalt vermutet.
Betritt man den Orion-Erotikshop in der Oberhausener Havensteinstraße, wirkt es fast so, als besuche man ein normales Einzelhandelsgeschäft: Regale mit Ausstellware, eine Wand mit Filmen und Büchern, daneben eine Klamottenabteilung. Doch statt Hautcremes und Shampoo findet man hier Gleitgel, statt Spiegel-Bestsellern Erotikromane und statt Pullover und Jeans gibt es Dessous in allen Farben und Größen. Im Gespräch mit Inhaberin Olena Spieker reden wir über Kunden, die äußerst unterschiedliche Wünsche haben und die den Einkauf im Shop manchmal sogar als „lebensverändernd“ beschreiben.
Bunt gemischte Kundschaft setzt auf Vor-Ort-Beratung
Orion ist einer der letzten verbliebenen Erotik-Fachgeschäfte in Oberhausen. Während der Online-Handel auch im Erotikbereich boomt, setzen die Kunden von Olena Spieker weiterhin auf eine individuelle Beratung vor Ort. Die Kundschaft ist dabei von jung bis alt bunt gemischt – ab 18 Jahren darf man den Laden offiziell betreten. Das älteste Paar hat diese Altersgrenze allerdings weit überschritten. Olena Spieker erzählt: „Ein Ehepaar kommt alle zwei, drei Monate von weiter weg extra hierher, um sich neues Spielzeug zu kaufen. Er ist 95 Jahre alt, sie 93. Liebe und Erotik kennt eben kein Alter.“
Einen Verkaufsschwerpunkt gibt es im Sexshop nicht – von Reizwäsche über Spielzeuge bis hin zu Pornos gibt es alles zu kaufen. Absoluter Verkaufsschlager: Der Womanizer, ein Erotikspielzeug für Frauen. Dieser wird sowohl im Geschäft, als auch Online mittlerweile so häufig gekauft, dass Olena Spieker ihn in jedem dritten Haushalt vermutet. Sie erzählt: „Ich habe mal eine Kundin aus Köln beraten und ihr den „Womanizer“ empfohlen. Zwei Wochen nach dem Kauf kam sie extra nochmal persönlich vorbei, nur um sich zu bedanken. Sie meinte zu mir, dass ich ihr Leben verändert habe.“
Silikonpuppen für mehrere tausend Euro
Das im Laden verkaufte Spielzeug liegt preislich in der Regel zwischen 20 und 300 Euro, für knapp 200 Euro bekommt man beispielsweise eine Virtual Reality-Brille, die mit dem Handy gesteuert wird. Damit können pornografische Filme angeschaut werden und der Zuschauer erhält den Eindruck, direkt beim Geschehen dabei zu sein. Doch es geht auch noch wesentlich teurer – auf Vorbestellung verkauft der Shop lebensechte und 50 Kilo schwere Silikonpuppen zu Preisen ab 2400 Euro. Spieker erklärt: „Die Puppen werden genau auf die Bedürfnisse des Kunden angepasst, von der Haarfarbe bis hin zur Körbchengröße. Sogar die Fingernägel können individuell gestaltet werden.“
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Die Verteilung von männlichen und weiblichen Kunden im Shop beschreibt Spieker als ausgeglichen. Männer würden in der Regel jedoch häufiger die Pornoabteilung ansteuern, während Frauen nach Dessous schauen. „Es kommt aber auch umgekehrt vor“, erklärt Spieker. „Es kamen auch schon zwei Meter große Männer in unseren Laden, die gerne ein Kleidchen anziehen wollten. Bei uns wird niemand verurteilt. Es ist so schön, zu sehen, dass sich unsere Kunden manchmal das erste Mal in ihrem Leben richtig ausleben können bei uns.“ Damit die Kunden ihre intimsten Geheimnisse preisgeben, sei ein intensives Vertrauensverhältnis und sehr viel Feingefühl bei der Beratung wichtig.
Erzählen Sie uns Ihre Liebesgeschichte!
Für unsere neue Serie „Bei aller Liebe“ suchen wir Paare aus Oberhausen, die uns ihre ganz besondere, außergewöhnliche Liebesgeschichte erzählen wollen. Das können Männer und Frauen sein, die sich vor kurzem erst verliebt haben – oder schon ewig zusammen sind. Pärchen, die bald heiraten wollen oder (überzeugte) Singles. Partner, die trotz Altersunterschied oder anderer Nationalität zueinandergefunden haben. Schreiben Sie uns unter redaktion.oberhausen@waz.de oder rufen Sie uns an unter 0208-85906-40.
Durch Zufall zum Erotikgeschäft gekommen
Dass Olena Spieker mal einen Sexshop führt, hätte sie vor einigen Jahren selbst nicht gedacht. Sie sei eigentlich auf der Suche nach einem anderen Job als Verkäuferin gewesen und eher durch Zufall auf eine Ausschreibung des Erotikunternehmens Orion gestoßen. Dort fing sie vor fünf Jahren als Verkäuferin in Gelsenkirchen an, 2019 übernahm sie die Filiale in Oberhausen. „Ich finde es jeden Tag wieder spannend, wie unterschiedlich die Kunden und ihre Wünsche sind. Man kann in diesem Bereich so frei sein, ohne zu beurteilen“, meint die gebürtige Ukrainerin.
Ihre Familie reagierte auf ihren Job im Erotikgeschäft erstmal überrascht und wusste nicht so recht, was sie dazu sagen sollte. Ihre Freunde hätten das schon eher „cool“ gefunden – insbesondere diejenigen, die selbst schon in Sexshops einkaufen waren. „Die meinten dann, dass sie ab sofort zu mir kommen“, erzählt Spieker. Mittlerweile sei es für ihre Familie und Freunde ein ganz normaler Job im Einzelhandel.
Übergriffige Kunden erlebe Spieker sehr selten. Ab und zu komme es allerdings vor, dass ein Kunde nicht wisse, wo die Grenzen beim Verkauf liegen. „Da kommen dann mal zweideutige Kommentare, insbesondere bei jungen Männern, die sich cool fühlen, endlich 18 zu sein und den Laden betreten zu dürfen. Die müssen sich dann manchmal etwas aufspielen und wissen wohl nicht, dass hier keine Domina hinter dem Tresen steht und verkauft. Aber ich habe mir das am Anfang viel schlimmer vorgestellt, als es tatsächlich ist. Die überwiegende Mehrheit der Kunden wünscht sich einfach nur eine kompetente Beratung.“