Bottrop. Eine Jugendbande in Bottrop terrorisiert seit Monaten Schüler und Passanten. Ihr möglicher Anführer ist mit 13 Jahren nicht strafmündig.

Sie stehlen, sie bedrohen, sie prügeln, sie erpressen. Sie besuchen kaum den Unterricht und das Schulgelände nur, um Ärger zu provozieren. Sie sind Gesamt- und Realschüler, kommen von der Hauptschule Welheim oder von den Gymnasien. Eine Gruppe von Jugendlichen, manche von ihnen nicht mal strafmündig, terrorisiert Schüler und Passanten. Ihr Kern sind einige wenige, um sie herum wechseln die Mitglieder.

Ordnungs- und Schuldezernent Paul Ketzer spricht von einer „festen Struktur“, die sich in Bottrop gebildet habe. „Es kommt zu massiven Übergriffen, zu Raub.“ Die Gruppe sei „in jeder Hinsicht heterogen“, habe unterschiedliche Nationalitäten, unterschiedliche Bildungsniveaus. „Und teilweise Eltern, die sich nicht dafür interessieren.“

Bottroper Schulleiter berichten von Zwischenfällen mit Jugendbande

Bottroper Direktoren hatten dem Dezernenten bei der vergangenen Schulleiterdienstbesprechung von zahlreichen Zwischenfällen erzählt, dass diese Gruppe durch die Innenstadt ziehe, fremde Schulhöfe und -gebäude betrete, Türen von Klassenzimmern aufreiße und rumgröle.

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Auch René Heuwieser, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule, hat Erfahrungen mit der Gruppe gemacht. Derjenige, den er als Kopf der Band vermutet, ist Schüler an der Gesamtschule an der Horster Straße, ein Junge von gerade einmal 13 Jahren, der aber aussehe wie 18. Er ist nicht strafmündig, der Kontakt, den Heuwieser mit dem Jugendamt gesucht hat, sei zäh, ebenso die Kommunikation mit den Eltern des Jungen.

„Tourismus“ zwischen Bottrops Schulen

„Wir haben eine Problematik auf vielen Ebenen“, schildert Heuwieser. Da sei der „Schülertourismus“ – Jugendliche, die sich gegenseitig auf Schulhöfen besuchen, dort teils für Ärger sorgen, Jüngeren Angst einjagen. Ein Phänomen, das auch Markus Reuter, Leiter der Willy-Brandt-Gesamtschule, kennt – und nur schwer bekämpfen kann.

„Es gibt nicht die Möglichkeit, grundsätzlich ein Betretungsverbot für Schulfremde auszusprechen“, sagt Reuter. Immer wieder kämen unbekannte Schüler auf das Gelände, „und es kostet die Kollegen nicht geringe Mühe, sie wieder vom Schulhof zu bugsieren“. Im Herbst vergangenen Jahres hatte ein Fall für Aufsehen gesorgt, als ein 14 Jahre alter Gesamtschüler auf dem Willy-Brandt-Schulhof von einem Jungen einer anderen Schule verprügelt worden war. Ob der damalige Täter auch in Zusammenhang mit der Bande steht, ist unklar.

Bande von Jugendlichen trifft sich am Bottroper ZOB

Seit Beginn dieses Schuljahres jedenfalls häuften sich die Vorfälle, sagt René Heuwieser. Die Jugendlichen verabreden sich über digitale Medien, treffen sich meist zu Unterrichtszeiten am ZOB, ziehen zu den Innenstadtschulen oder auch nach Kirchhellen, „um Penner fertigzumachen“, wie Heuwieser gehört hat.

Im März kommt es zu mehreren Straftaten, in die Jugendliche verwickelt sind: Ein Mann wird unvermittelt am Berliner Platz von einer Gruppe Jugendlicher attackiert, ein anderer von einer 15-köpfigen Bande am ZOB angerempelt, geschlagen und getreten. Ein 15-Jähriger wird von sechs bis acht ihm unbekannten Jugendlichen bedroht, geschlagen und getreten. Als sich Passanten nähern, flüchten die Angreifer.

Die Polizei bestätigt, dass Teile dieser Angreifergruppen dieselben Personen waren, spricht selbst aber nicht von einer „Bande“, weil der andere Teil der aggressiven Gruppen sich immer wieder aus unterschiedlichen Personen zusammengesetzt hat. Mehrmals dabei allerdings war ein 13-Jähriger – vermutlich der Schüler der Janusz-Korczak-Gesamtschule. „Wenn ich höre, was bei ihm für Strafanzeigen aufgelaufen sind, dann ist der in zwei Jahren im Knast“, sagt Schulleiter René Heuwieser.

Bottrops Ordnungsdezernent: „Wir nehmen das sehr ernst“

Wie also der Lage Herr werden? „Wir nehmen das sehr ernst“, sagt Paul Ketzer. Die Präsenz von Polizei und Ordnungsdiensten in der Innenstadt muss verstärkt werden – ein Ziel, das mit der Ansiedlung des Kommunalen Ordnungsdienstes und der Präsenz der Mobilen Wache am Berliner Platz verfolgt wird. „Straftaten allerdings können wir nicht mit dem KOD lösen.“

Die Grünen hatten das Thema zuletzt im Jugendhilfeausschuss auf den Tisch gebracht, nun soll es beim nächsten Schulausschuss diskutiert werden, so Paul Ketzer. Grünen-Sprecher Joachim Gutsche forderte nach dem Jugendhilfeausschuss, „Tätern und ihren Familien Ausstiegsszenarien aus der bekannten Gewaltspirale zu bieten. Das ist sicherlich schwierig, da die Brisanz dieser Situation nicht allen beteiligten Familien deutlich vor Augen steht.“ Schulwege inklusive Bussen, aber auch die Innenstadt in Gänze, müssten wieder sichere und attraktive Orte für Jung und Alt werden, so Gutsche.

Ein Problem ist aber, dass viele Betroffene aus Angst die Taten nicht anzeigten, die Zahl der tatsächlichen Straftaten der Bande sei kaum zu erfassen. Und: Einige Mitglieder sind nicht strafmündig, die Polizei hat keine Handhabe, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Und auch der Spielraum der Schulen ist begrenzt. Als letzte Maßnahme sei zwar ein Schulverweis möglich, sagt René Heuwieser, „aber das löst ja nicht das gesellschaftliche Problem“.