Bottrop. Kein König ohne Jürgen Mampe. Seit 25 Jahren ist er für die Sicherheit zuständig. Eine Geschichte über zähe Vögel, Königspatronen und Zielwasser.
Da, wo er ist, knallt’s. Jürgen Mampe ist bei Bottroper Schützenfesten der Mann im Hintergrund. Jemand, der im Gegensatz zu Schützenkönigen nicht gerne im Mittelpunkt steht. Fotos von ihm sind eher selten. Dabei läuft nichts ohne ihn. Seit 25 Jahren ist er der Fachmann für die Gewehre und Munition.
Es wird im vergangenen Vierteljahrhundert nur wenige Schützenfeste im Stadtgebiet gegeben haben, bei denen Jürgen Mampe, Inhaber des Geschäfts „Harry Göhre“ auf der Hochstraße, nicht anwesend war. Wenn der Vogel gefallen ist und der neue König auf Schultern und Händen getragen wird, hat er Feierabend. In seiner letzten Amtshandlung übergibt er dem neuen Würdenträger jene letzte Patronenhülse, mit der er den Vogel von der Stange geschossen hat. Das hat Tradition.
Mampes Funktion beim Schützenfest klingt nicht glamourös, ist aber ungemein wichtig. Er sei zuständig für die Standaufsicht und müsse die Sicherheit gewährleisten. Die Abstände müssen eingehalten und die Schießanlage ringsherum abgesperrt werden – zum Beispiel mit Flatterband. Nicht jeder hält sich dran. „Ich habe schon erlebt, dass ein Spaziergänger einfach die Absperrung hochgehoben hat und darunter hergegangen ist.“ Damals musste er den Schießwettbewerb kurzzeitig abbrechen. Beispielsweise könnte ein Geschoss zurückprallen und jemanden verletzen.
Verbale Auseinandersetzungen mit Schützen bleiben natürlich nicht aus. Bei einem Schützenfest sagte man ihm, dass die Ehrengäste in der Absicherung sitzen müssten, weil sonst auf dem Gelände kein Platz wäre. „Das geht nicht anders“, so die Begründung. Mampe blieb hart. „Die Gäste müssen ihren Platz verlassen“, antwortet er. Die Gegenseite wieder: „Nee, das geht nicht. Wir machen das immer so.“ Dann machten die Schützen plötzlich große Augen. „Was machen Sie da?“ Mampe: „Ich packe meine Sachen zusammen und fahre nach Hause.“ Die Schützen entgeistert: „Wieso denn?“ „Weil ich hier für die Sicherheit zuständig bin und ich kann sie nicht gewährleisten.“ Die Ansage hat gefruchtet. So schnell konnte keiner gucken, wie die Ehrengäste die Absicherung verließen.
Bei einem Schützenfest werden circa 300 Patronen verschossen
Jürgen Mampe selbst steht beim Wettbewerb immer am Gewehr, direkt beim Schützen. Zu seinen Aufgaben zählt nicht nur die räumliche Sicherheit, sondern auch der sichere Umgang mit der Waffe. Diese ist befestigt auf einem Gestell, einer Lafette. Wenn ein Schütze an der Reihe ist, lädt Mampe das Gewehr mit einer Patrone. Nach dem Schuss entfernt er die Hülse. In diesem Rhythmus geht es weiter.
Geschossen wird anfangs mit Kleinkaliber. Das Ziel sind Zepter, Krone, Apfel, linker und rechter Flügel. In der Regel werden dafür zwischen 150 und 200 Patronen benötigt. Anschließend folgt der Höhepunkt. Dem Rumpf geht es an den Kragen. Die Munition wird gewechselt. Es kommen die Königspatronen zum Einsatz. Bis der Vogel das Zeitliche gesegnet hat, werden schätzungsweise 50 bis 80 davon verbraucht.
Vorher ist von Mampe alles so genau auf- und eingestellt worden, dass die Schützen den Vogel treffen können. Mit einem Fernglas hat er den körperlichen Zustand des Vogels stets im Blick. Dann gibt er Tipps an die Schützen, wo sie hinzielen sollen. Beim Schützenfest wird fast nichts dem Zufall überlassen. Denn der Holzvogel ist präpariert. Soll heißen: Mampe hat im Vorfeld mit Vogelbauer Jürgen Bordan das Objekt der Begierde konstruiert und kennt die Schwachstellen.
Schließlich soll das Schützenfest nicht ewig dauern und in einem zeitlichen Rahmen ablaufen. Im schlimmsten Fall werden Schützen und Besucher ungeduldig. Und das will keiner. Vor vielen Jahren hat Mampe derartige Erfahrungen gemacht. Es gab Momente, da haben Schützenvereine ihre eigenen Vögel schnitzen lassen und präsentiert. Die Tiere waren zweifelsohne schön anzusehen, nur konnte Mampe nicht wissen und beurteilen, wann das letzte Stündlein für den Vogel schlagen wird. Da kam es sogar vor, dass er seinen Reservekoffer mit Munition benutzen musste.
Typisch Bottrop: Einnahme von Zielwasser mit Alkohol
Schützen sind eben von jeher ein spezielles Völkchen. Nicht nur in Bottrop übernimmt er die Standaufsicht. Von Stadt zu Stadt gibt es jedoch Unterschiede. Von einem typischen Bottroper Phänomen ist er gar nicht begeistert. Hier hat sich eingebürgert, dass so mancher Schützenbruder vor dem Schießen noch das eine oder andere Zielwasser zu sich nimmt – eine charmante Umschreibung für Schnaps, Pils oder beides. Volltrunkene lässt er deshalb nicht ans Gewehr. Er selbst hat nie bei einem Schützenfest auf einen Vogel geschossen. „Ich war auch nie Mitglied in einem Verein.“
Stattdessen kümmert er sich lieber um die Organisation und um die Beschaffung von Munition. Und die ist in diesem Jahr so schwierig wie noch nie. „Ich bin froh, dass ich überhaupt genügend Munition für die Schützenfeste bekommen habe“, sagt er. „Schützenfeste ohne Munition wäre irgendwie blöd.“ Er habe zum Glück rechtzeitig vorbestellt. Generell sei die Beschaffung von Patronen und Waffen für Sportschützen nahezu unmöglich geworden. Das liege zum einen an Materialmangel und zum anderen am Ukraine-Krieg. Deshalb muss mit langen Wartelisten gerechnet werden.
Das Geschäft „Harry Göhre“
Jürgen Mampe hat im Jahr 1997 das Geschäft von Harry Göhre übernommen. Zuvor hat er bereits unter ihm als Auszubildender und Einzelhandelskaufmann gearbeitet. Neben einer großen Auswahl an Jagdwaffen sind Haushaltsmesser, Pokale, Dart- und Billardzubehör an der Hochstraße 21a erhältlich. Ein zusätzlicher Service sind Schleifarbeiten an Messern, Scheren und Rotationsmessern. Reparaturen an Waffen, Messern und Queues werden fachgerecht durchgeführt. Ebenso im Angebot: Gravuren für Schilder und Pokale. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9.30 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr sowie samstags von 9 bis 13.30 Uhr.