Bottrop-Kirchhellen. In diesen Monaten verstecken sich wieder junge Rehkitze in Bottrops Feldern. Gefahr droht jedoch durch Mähmaschinen. Hilfe kommt aus der Luft.

Als Eva Eger ihre Drohne startet, strahlt die Sonne über das weite Feld. In der Nähe schnattern ein paar Gänse, das Gras ragt weit über die Knöchel, es ist noch nass vom Morgentau. Immer weiter steigt die Drohne über die Wiese, bis auf rund 30 Meter, so hat es Eger am liebsten. Dann kann sie ihre Runden fliegen und beginnt zu suchen: nach Rehkitzen auf der Grenze zu Kirchhellen.

Die jungen Tiere verstecken sich in diesen Monaten im hohen Gras, eine Umgebung, in der sich Feinde nur schlecht zurechtfinden. Vor allem im Mai und Juni sei Hochsaison, erklärt Eger, dabei droht Gefahr durch Mähmaschinen. Denn die Jungtiere verharren am Boden, selbst wenn die Fahrzeuge näherrücken.

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Der Einsatz der Fluggeräte wird daher vom Umwelt- und Landwirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen gefördert. Das Land hatte zuletzt 33 Drohnen bewilligt. Die Bottroper Drohne wurde hingegen vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung unterstützt. Zahlen aus NRW liegen auch vor: In der Saison 2021 konnten 654 Reh- und neun Damkitze vor dem Tod gerettet werden, Drohnen-Piloten hätten fast 4800 Hektar Fläche abgeflogen.

Einsatz in Bottrop: Drohne sucht mit einer Wärmebildkamera nach Wildtieren

An diesem Dienstagmorgen sammelt Eva Eger ihre ersten Hektare in der noch jungen Saison. Mit einer Wärmebildkamera kann sie besser erkennen, wo sich die Tiere aufhalten. Wenn die Außentemperatur am Morgen gering ist, sind die Bedingungen ideal. Die warmen Körper leuchten hell auf in einer dunklen, kühlen Umgebung.

In der Steuerung der Drohne ist ein Monitor integriert, dort kann Eva Eger die Landschaft im Wärme- (links) und Live-Bild (rechts) beobachten.
In der Steuerung der Drohne ist ein Monitor integriert, dort kann Eva Eger die Landschaft im Wärme- (links) und Live-Bild (rechts) beobachten. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Nach einer Weile entdeckt sie einen hellen Punkt, etwas bewegt sich dort zwischen den Grashalmen. „Das kann ein Hase sein, das kann ein Rehkitz sein“, sagt die 59-Jährige. Während sie die Drohne näher heran steuert, machen sich Peter Kleimann und Hendrik Overbeck auf den Weg zur Fundstelle. Alle drei sind Mitglied in der Kreisjägerschaft Bottrop (KJS), die rund 500 Mitglieder zählt. Die beiden Männer helfen heute bei der Suche, tragen Walkie-Talkies mit sich, um die Stelle leichter zu finden.

KJS-Pressesprecher Kleimann: „Wichtig ist, dass das Kitz keine fremde Witterung hat“

Dabei können sie sich eigentlich Zeit lassen. „Die Kitze bleiben da liegen, da kann kommen, was wolle“, sagt Eger. Für die Helfer ist es daher kein Problem, sich dem Tier zu nähern. „Wichtig ist, dass das Kitz keine fremde Witterung hat“, betont KJS-Pressesprecher Kleimann. Das Problem: Nimmt das Jungtier andere Gerüche an, wird es von seiner Mutter verstoßen. „Wenn die Ricke nicht mehr hingeht zum Kitz, ist das leider das Todesurteil“, erklärt Overbeck. Um das Tier anzuheben, nutze er etwa Gras, um eine fremde Witterung fernzuhalten. Das Kitz wird dann ein paar Meter weiter im Wald ausgesetzt, dort finden sich Mutter und Kind per Rufe und Geruch.

Es gibt weitere Methoden, um die Tiere aus den Feldern zu bekommen. Als eine Art Vogelscheuche können zum Beispiel Plastiktüten dienen, die im Wind für Lärm und Bewegung sorgen. Im Moment sei die Drohne aber konkurrenzlos, erklärt Kleimann: „Da hat man auch die Chance, einen Hasen oder Fasanengelege zu finden.“

Bottroper Landwirte können sich vor der Mahd bei Revierpächtern melden

Bei ihren Einsätzen arbeiten die Jäger eng mit den Landwirten zusammen. Will ein Bauer seine Wiese mähen, kann er sich vorab beim jeweiligen Revierpächter melden – die Einsätze sind kostenfrei. Fahren die Landwirte mit ihren Maschinen selbst über die Felder, merken sie nicht, wenn ein Tier getroffen wird. „Wenn da Kadaver in das Futter kommen, ist das auch schlecht für die eigenen Kühe“, schildert Overbeck, der selbst Revierpächter ist. Daraus können etwa Vergiftungen oder Krankheiten resultieren.

Drohnen-Pilotin Eva Eger (Mitte), Revierpächter Hendrik Overbeck (rechts) und KJS-Pressesprecher Peter Kleimann (links) suchen am frühen Morgen nach Wildtieren im hohen Gras,
Drohnen-Pilotin Eva Eger (Mitte), Revierpächter Hendrik Overbeck (rechts) und KJS-Pressesprecher Peter Kleimann (links) suchen am frühen Morgen nach Wildtieren im hohen Gras, © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Als die beiden Helfer an der Stelle ankommen, die Eger ausgemacht hat, springt plötzlich ein Hase aus dem hohen Gras und rennt davon. „Ich bin eigentlich froh, wenn wir kein Kitz finden“, erklärt Eger: „Dann muss man sich keine Sorgen machen, ob sie wieder reinfinden.“ Im vergangenen Jahr flog die 59-Jährige über 30 Einsätze, ungefähr zehn Jungtiere konnte sie dabei retten.

Hege ist Hauptteil der Jagd: „Das ist ganz einfach Naturschutz“

Solche Hilfen zählen in der Jagd zur Hege, sie mache den Hauptteil der Arbeit aus, sagt Eger. „Das ist ganz einfach Naturschutz.“ Neben den Drohnenflügen gehört etwa das Einrichten von Wasserstellen oder Wildruhezonen dazu, in denen die Tiere ungestört bleiben. „Man versucht, in seinem Revier das Biotop zu erhalten“, sagt Kleimann.

Drohnen-Pilotin Eva Eger untersucht die Wiesen, um Rehkitze vor den Mähmaschinen zu schützen.
Drohnen-Pilotin Eva Eger untersucht die Wiesen, um Rehkitze vor den Mähmaschinen zu schützen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Nachdem Eva Eger die Wiese abgeflogen hat, geht es auf ein zweites Feld. Auch hier entdeckt sie gelegentlich einen Hasen, aber Rehkitze bleiben heute aus. Dann sinkt die Drohne wieder, landet auf einem Holzbrett, das die Beobachterin mitgebracht hat. Schnell ist das Gerät wieder eingepackt, der Bauer kann jetzt mähen.